Wegen hoher Teuerungsraten EZB fährt Anleihekäufe schneller zurück
10.03.2022, 13:56 Uhr
Nach oben geht es für den Schlüsselzins der Europäischen Zentralbank um ihre Chefin Christine Lagarde derzeit noch nicht.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Europäische Zentralbank fährt ihre Anleihenkäufe schneller zurück als bisher geplant. Das Kaufvolumen des Programms APP wird nach einer vorübergehenden Aufstockung bereits Ende Juni wieder auf 20 Milliarden Euro reduziert. Damit reagiert der EZB-Rat auf die anhaltend hohen Teuerungsraten.
Angesichts rasant steigender Preise ebnet die Europäische Zentralbank (EZB) zwei Wochen nach Ausbruch des Ukraine-Krieges den Weg für eine Zinswende. Sie beschloss das Kaufvolumen des Programms APP nach einer vorübergehenden Aufstockung bereits Ende Juni wieder auf 20 Milliarden Euro zu reduzieren und im dritten Quartal 2022 vielleicht ganz zu beenden. Dies allerdings unter der Bedingung, dass der Inflationsausblick sich nicht eintrübe. Den Schlüsselzins beließen die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.
Zugleich müssen Banken Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Dieser sogenannte Einlagesatz liegt bei minus 0,5 Prozent. Die EZB hält die Tür zugleich für eine Erhöhung offen: Er steht bereit, "alle seine Instrumente" bei Bedarf anzupassen. Damit will der EZB-Rat sicherstellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei dem Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern. Sie können sich für einen Euro dann weniger leisten. Zuletzt war die Teuerung mit 5,8 Prozent aber weit darüber hinausgeschossen. In Deutschland kletterte die jährliche Inflationsrate im Februar mit 5,1 Prozent wieder über die Fünf-Prozent-Marke.
Kaufvolumen mehr als verdoppelt
Kritiker werfen der EZB schon länger vor, mit ihrer Flut billigen Geldes die Inflation sogar noch anzuheizen. Die monatlichen Anleihekäufe im Rahmen des APP sollen im April auf 40 Milliarden Euro verdoppelt werden. Im Mai will die EZB 30 Milliarden Euro investieren, im Juni dann noch 20 Milliarden Euro. Bereits im Dezember hatte die Notenbank mit Sitz in Frankfurt angekündigt, dass sie im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihekaufprogramms PEPP nur noch bis Ende März 2022 zusätzliche Wertpapiere kaufen wird. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren will die EZB aber bis mindestens Ende 2024 neu anlegen, auch die Gelder aus auslaufenden APP-Papieren sollen für einen längeren Zeitraum neu investiert werden. Das Volumen des seit März 2020 laufenden besonders flexiblen PEPP-Kaufprogramms hatten die Währungshüter von zunächst 750 Milliarden Euro zwei Mal auf letztlich 1,85 Billionen Euro erhöht.
Anleihekäufe der EZB helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Bei den Zinsen ändert sich vorerst nichts: Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Notenbank hat sich festgelegt, dass sie die Zinsen erst dann wieder anheben will, wenn sie kein frisches Geld mehr in den Erwerb von Wertpapieren von Staaten und Unternehmen steckt.
Einige Volkswirte rechnen mit einem ersten Zinsschritt Ende dieses Jahres. Allerdings haben sich die Aussichten für die Konjunktur eingetrübt. Russlands Krieg gegen die Ukraine trifft auch Europas Wirtschaft, die sich gerade von den Folgen der Corona-Pandemie erholt, mit Wucht. Daher betonten Europas Währungshüter in den vergangenen Wochen ihre Möglichkeit, flexibel auf weitere Entwicklungen zu reagieren. "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Preisstabilität und Finanzstabilität im Euroraum zu gewährleisten", hatte Lagarde vor zwei Wochen bekräftigt.
Quelle: ntv.de, als/rts/dpa