Ernüchterung und Zuversicht Fresenius und FMC müssen erneut tieferstapeln
30.10.2022, 20:52 Uhr
Fresenius kassiert die Ergebnisziele.
(Foto: picture alliance/dpa)
Massive Probleme bei der Dialyse-Tochter FMS reißen auch die Konzernmutter Fresenius mit. Wegen hoher Kosten und großer Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung müssen beide im DAX notierten Unternehmen ihre Ergebniserwartungen senken. Die Chefetagen ziehen die Zügel an.
Der Gesundheitskonzern Fresenius und seine Dialyse-Tochter Fresenius Medical Care (FMC) haben ihre Ergebnisziele für das laufende Jahr erneut nach unten angepasst. Die Ende Juli im Zuge der Gewinnwarnungen gesenkten Umsatzziele der beiden Bad Homburger DAX-Konzerne haben dagegen unverändert Bestand. Auf FMC, der größten Tochter des Fresenius-Konzerns, lasten weiterhin der anhaltende Arbeitskräftemangel in den USA, hohe Fluktuationsraten und die damit einhergehenden hohen Lohnkosten. Zudem verzögern sich die Effekte der Verbesserungsmaßnahmen im nordamerikanischen Dienstleistungsgeschäft. Das Dialysedienstleister erwartet nun, dass diese Effekte im kommenden Jahr spürbar werden.
Der stark in den USA präsente Dialyse-Konzern rechnet vor diesem Hintergrund im laufenden Jahr nun mit einem Rückgang des Konzernergebnisses im hohen Zehner- bis mittleren Zwanziger-Prozentbereich. Zuvor hatte die Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA für 2022 einen Rückgang des Konzernergebnisses im hohen Zehner-Prozent-Bereich in Aussicht gestellt. Das Umsatzwachstum erwartet FMC in diesem Jahr weiterhin im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Ursprünglich hatte FMC sich nach der langen Corona-Durststrecke in diesem Jahr vorgenommen, zu Gewinnwachstum zurückzukehren und sowohl Umsatz als auch Konzernergebnis im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich zu steigern.
"Kultur der Leistung und klaren Verantwortlichkeiten"
"Wir müssen weiterhin in einem schwierigen und hochgradig volatilen gesamtwirtschaftlichen Umfeld agieren - mit anhaltender Inflation, die unser Ergebnis wie erwartet weiter belastet hat. Wir konnten die Zahl der offenen Stellen in unseren Dialysezentren reduzieren; sie blieb aber auf einem hohen Niveau. Das beeinflusst sowohl unsere Kosten als auch das Wachstum im Dienstleistungsgeschäft", erläuterte FMC-Finanzvorständin Helen Giza. "Bei aller Ernüchterung darüber, dass sich die eingeleiteten Maßnahmen in Nordamerika verzögert auswirken, sind wir zuversichtlich, dass unsere intensivierten Anstrengungen die nötigen Verbesserungen bringen werden." Nach Aussagen der FMC-Vorstandsvorsitzenden Carla Kriwet hat die Ausarbeitung eines umfassenden Turnaround-Plans begonnen, "zu dem auch eine Kultur der Leistung und klaren Verantwortlichkeiten gehören wird".
Im dritten Quartal legte der Umsatz von FMC um 15 (währungsbereinigt 3) Prozent auf knapp 5,1 Milliarden Euro zu. Das operative Ergebnis sackte dagegen um 7 (währungsbereinigt 17) Prozent auf 472 Millionen Euro ab. Gründe sind hauptsächlich höhere Kosten für Personal und in den Lieferketten. Die finanzielle Unterstützung der US-Regierung zum Ausgleich bestimmter Kosten durch die Covid-19-Pandemie in Höhe von 80 Millionen Euro sorgte zumindest für einen teilweisen Ausgleich. Das Konzernergebnis sank um 16 (währungsbereinigt 24) Prozent auf 230 Millionen Euro.
Die Muttergesellschaft Fresenius, in deren Konzernergebnis rund ein Drittel des Ergebnisses der Dialyse-Tochter einfließt, passte ihr Ergebnisziel für das laufende Jahr nicht nur wegen FMC, sondern auch aufgrund der Entwicklung bei der kleinsten Sparte Vamed einmal mehr nach unten an. Sie rechnet nun mit einem Rückgang des währungsbereinigten Konzernergebnisses um die zehn Prozent. Der währungsbereinigte Konzernumsatz soll unverändert im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen.
"Schwerpunkt liegt auf Rentabilität"
Im abgelaufenen Quartal setzte Fresenius mit rund 10,4 Milliarden Euro 12 (währungsbereinigt 5) Prozent mehr um als im dritten Quartal des Vorjahres. Analysten hatten im Mittel etwas weniger erwartet. Das bereinigte operative Ergebnis (EBIT) ging um 9 Prozent (währungsbereinigt 17) Prozent auf 949 Millionen Euro zurück. Hier hatte die Konsensschätzung lediglich auf 634 Millionen Euro gelautet.
Der bereinigte Gewinn nach Steuern und Dritten sackte von 435 Millionen auf 371 Millionen Euro ab. Analysten hatten einen etwas weniger starken Gewinnrückgang prognostiziert. Belastet wurde das Ergebnis vor allem von den gestiegenen Personalkosten bei FMC in den USA sowie von Kosteninflation und der Neubewertung von Vermögenswerten im internationalen Projekt- und Servicegeschäft bei Fresenius Vamed.
"Wir bei Fresenius wissen, dass wir uns weiter verbessern müssen", sagte der seit Anfang Oktober amtierende Konzernchef Michael Sen. "Meine Prioritäten sind klar: Den Konzern neu auszurichten, Fresenius zu neuer Stärke zu verhelfen und Wert für unsere Aktionärinnen und Aktionäre zu schaffen. Unser Geschäft wächst, jedoch in einem schwierigeren Umfeld. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, die Produktivität durch strukturelle Anpassungen zu erhöhen. Wir haben begonnen, alle Geschäftsaktivitäten auf den Prüfstand zu stellen, und schauen uns dabei das gesamte Portfolio an. Der Schwerpunkt liegt auf Rentabilität."
Quelle: ntv.de, jwu/DJ