Eskalation bei Thyssenkrupp Gabriel: "Geht das schief, steht die Autoindustrie still"
30.08.2024, 19:37 Uhr Artikel anhören
Bereits zum vierten Mal ist die Verselbstständigung der Thyssenkrupp-Stahlsparte gescheitert.
(Foto: picture alliance / Rupert Oberhäuser)
Nach dem Abtritt der Stahl-Führungsriege bei Thyssenkrupp sowie der Aufsichtsratsspitze ist die Zukunft der Sparte weiter offen. Der zurückgetretene Chefaufseher Gabriel übt erneut scharfe Kritik am Management des Mutterkonzerns. Aus Berlin schaltet sich die Bundesregierung ein.
Nach seinem Rücktritt als Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp Stahlsparte kritisiert Sigmar Gabriel Management und Eigentümer der Muttergesellschaft. "Das Unternehmen verliert nur Zeit und Geld. Die Probleme bleiben", sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister dem Wirtschaftsmagazin "Capital". "Der ganze Konflikt ist vollständig unsinnig." Er bemängelte den denkbar schlechten Zeitpunkt für die Eskalation. "Der Wechsel findet in einer Phase statt, wo im Stahlkonzern gigantische Großprojekte laufen. Sie errichten dort neue Stahlanlagen, eine DRI-Anlage für die Produktion von grünem Stahl und sie bauen eine Gieß-Walzanlage im laufenden Betrieb um. Das hat noch keiner auf der Welt gemacht." Er warnte: "Geht das schief, steht die deutsche Autoindustrie still."
Als Gründe für seinen Rücktritt nannte er ein gestörtes Vertrauens-Verhältnis zum Vorstandschef von Thyssenkrupp, Miguel López. "Herr López hat in den vergangenen Wochen permanent direkt in die Stahlsparte eingegriffen, an uns vorbei, ohne uns zu informieren und den dortigen CEO von seiner Arbeit abgehalten. Er hat Zustände wie in einem Gulag herbeiführt", so Gabriel. Das sei nicht seine Formulierung, "sondern von Menschen aus dem Unternehmen". Dass López noch Unterstützer wie die Krupp-Stiftung hat, ärgere ihn nicht. "Ich bin nicht wütend. Aber die haben es einfach nicht verstanden."
Fehler über Jahre
Streit hatte es vor allem über die notwendige Finanzausstattung für die Stahltochter gegeben, damit diese eigenständig operieren könne. "Wenn sie die Tochter an die Börse bringen wollen, dann muss sie so ausgestattet sein von ihrer Eigentümerin, dass sie das kann." López aber "möchte nicht mehr Eigentümer sein, sondern sich gegenüber der Stahl AG verhalten wie eine Bank. Das heißt, er will ihr Darlehen geben - und das nicht mal ausreichend."
Mit diesem Versuch ist die Verselbstständigung der Stahlsparte bereits zum vierten Mal gescheitert - jedes Mal fehlten zwischen 1,5 Milliarden und 2,5 Milliarden Euro. Für die Krise der Sparte machte Gabriel jahrelange Management-Fehler verantwortlich. Dazu zählen für ihn der letztlich gescheiterte, milliardenschwere Versuch, ein Werk in Brasilien zu errichten, verpasste Chancen beim Zertifikate-Handel und aufgeschobene Struktur-Reformen.
Habeck mahnt Konzern-Spitze
Derweil hat auch die Bundesregierung die Konzernführung kritisiert. "Wir erwarten, dass die Verantwortlichen dort zu ihren eigentlichen Aufgaben zurückfinden", sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie müssten "Verantwortung übernehmen, für das Unternehmen, für die Beschäftigten" und auch für die Zukunft seiner Stahlsparte.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich zuvor bereits beunruhigt gezeigt. "Die Situation bei Thyssenkrupp hat sich auf allen Seiten sehr unversöhnlich zugespitzt", sagte er der "Rheinischen Post". Das sei "kein guter Zustand". Habeck forderte, trotz aktueller Schwierigkeiten den von Bund und Land mit rund zwei Milliarden Euro subventionierten ökologischen Umbau der Stahlsparte fortzuführen.
"Bund und Land haben konkrete Unterstützung zur Sicherung des Stahlstandortes Duisburg und Nordrhein-Westfalen geliefert. Die Unternehmensseite muss aber eben auch ihren Teil beitragen, damit die Transformation gelingt und eine zukunftsfähige Stahlproduktion am Wirtschaftsstandort Deutschland gesichert wird", sagte Habeck.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/DJ