Geteiltes Echo bei Politikern Gewerkschaften beharren auf Vier-Tage-Woche
01.05.2023, 07:33 Uhr Artikel anhören
Als erstes will die IG Metall die Viertagewoche in Branchen durchsetzen, in denen - wie etwa auf dem Bau - kein Homeoffice möglich ist.
(Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Symbol)
Nur vier Tage arbeiten ohne Lohneinbußen: Die IG Metall will das bei der nächsten Tarifrunde durchfechten. Dabei stößt die Gewerkschaft nicht nur bei den Arbeitgebern auf Kritik und Skepsis.
Zum Tag der Arbeit am 1. Mai ist die Debatte über die Vier-Tage-Woche wieder voll entbrannt. Die Arbeitgeber warnten nach einem Vorstoß von SPD-Chefin Saskia Esken für eine Einführung samt Lohnausgleich vor Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Wirtschaft. Union und FDP befürchteten ihrerseits eine Verschärfung des Fachkräftemangels. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sagte, er könne sich eine Vier-Tage-Woche nicht für alle Branchen vorstellen.
"Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich - wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, der "Bild am Sonntag". "Nur mit mehr Bock auf Arbeit und Innovationen werden wir unseren Sozialstaat und den Klimaschutz auf Dauer finanzieren können." Offen zeigte sich Kampeter hingegen für Vier-Tage-Wochen bei gleichbleibender Stundenzahl.
SPD-Chefin Saskia Esken hatte gesagt, sie könne sich eine Vier-Tage-Woche mit Lohnausgleich "gut vorstellen". Sie verwies dabei insbesondere auch auf die Bedürfnisse von Eltern und Studien, nach denen Menschen bei einer Vier-Tage-Woche effektiver arbeiteten. Arbeitsminister Heil sagte im ZDF, er kenne Bereiche oder Unternehmen, in denen es eine Vier-Tage-Woche schon gebe. Er könne sich aber "nicht vorstellen, dass das für alle Bereiche der Wirtschaft und Arbeitswelt gelten wird". Er wolle "kein starres System", wichtiger sei aus seiner Sicht, "dass wir mehr Arbeitszeitflexibilität im Lebensverlauf haben, dass die Arbeit besser zum Leben passt, wenn Kindererziehung angesagt ist oder wenn man sich um pflegebedürftige Angehörige kümmert".
Unverständnis bei CDU und FDP
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe, warnte, eine Vier-Tage-Woche werde Deutschlands Wirtschaft schaden. "In Zeiten von Fachkräftemangel die Arbeitszeit zu verkürzen und die Arbeit zu verteuern, würde der Wettbewerbsfähigkeit einen Bärendienst erweisen", sagte er dem "Tagesspiegel" vom Samstag. "Auf dem Weg wirtschaftlicher Vernunft zeigt sich die SPD-Chefin einmal mehr als Geisterfahrerin."
Ähnlich äußerte sich die FDP. "In Hinblick auf den eklatanten Fachkräftemangel ist der Vorschlag einer Vier-Tage-Woche unverständlich", sagte Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Verkürzte Arbeitszeiten würden Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nicht stärken, sondern schaden."
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Yasmin Fahimi, unterstützte im Deutschlandfunk Vorschläge für eine Vier-Tage-Woche grundsätzlich. Sie sah darin aber keine allgemeine Lösung, sondern eine Entscheidung, die in den jeweiligen Branchen getroffen werden müsse.
Mehr Arbeitsvolumen mit weniger Arbeitstagen?
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bekräftigte, dass seine Gewerkschaft bei den im November beginnenden Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie für eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einstehen will. Er rechne damit, dass mit der Vier-Tage-Woche das Arbeitsvolumen insgesamt gesteigert werde, sagte der Gewerkschaftschef der "Bild am Sonntag". "Zuallererst brauchen wir die Vier-Tage-Woche für Berufe, in denen kein Homeoffice möglich ist", sagte Hofmann. Dies gelte beispielsweise auf Baustellen, bei Schichtarbeit und in der Stahlindustrie: "Ein Hochofen muss durchlaufen. Wer mal früh, mal spät, mal nachts arbeiten muss, für den sind drei Tage Wochenende sehr entlastend."
Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius lehnte die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche samt Lohnausgleich strikt ab. "Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr", sagte Källenius der "Bild am Sonntag". "Unsere Industrie befindet sich in einer Jahrhundert-Transformation. Da müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Sonst verlieren die deutschen Autohersteller ihren Spitzenplatz auf der Welt."
Quelle: ntv.de, mbo/AFP