Hedgefonds verdienten Millionen Griffen Leerverkäufer die Deutsche Bank gezielt an?
28.03.2023, 15:49 Uhr
Das Kursgewitter ist vorübergezogen. Die Nervosität im gesamten Finanzmarkt bleibt.
(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)
War es wirklich nur die allgemeine Nervosität am Finanzmarkt infolge der Bank-Pleiten in der Schweiz und den USA oder eine gezielte Attacke von Spekulanten? Der spektakuläre Kursrutsch bei der Deutschen Bank in der vergangenen Woche wirft Fragen auf.
Die Deutsche Bank ist noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen: In der vergangenen Woche war der Aktienkurs des größten deutschen Geldhauses zeitweise so stark eingebrochen, dass Parallelen zur wenige Tage vorher zusammengebrochenen Konkurrentin Credit Suisse gezogen wurden. Inzwischen hat sich der Kurs weitgehend erholt. Noch am Freitag hatte sich allerdings selbst der Bundeskanzler genötigt gesehen, Stellung zu beziehen. "Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen", sagte Olaf Scholz, um die Lage zu beruhigen. Dass der Bundeskanzler und andere EU-Staats- und Regierungschefs es offenbar für notwendig hielten, dies öffentlich zu betonen, ließ bei manchen Beobachtern erst recht die Alarmglocken schrillen.
Dabei sind sich von Politikern über Zentralbanker und Bankenaufseher bis zu Finanzanalysten fast alle einig, dass es für den Kurssturz bei der Deutschen Bank keine nachvollziehbaren Gründe gab. Seit der Finanzkrise hat die Bank ihre Skandalgeschichte weitgehend aufgearbeitet und ihre Bilanz gestärkt. Probleme und Risiken etwa bei deren Engagement auf dem US-Immobilienmarkt sind bekannt und bei weitem nicht existenzgefährdend. Einen besorgniserregenden Abfluss von Kundengeldern, was der Credit Suisse zum Verhängnis geworden war, gibt es bei der Deutschen Bank auch nicht.
In Analysen war zunächst von einem "irrationalen Markt" die Rede. Nach dem Aus für die Credit Suisse und der Insolvenz mehrerer US-Banken herrscht Nervosität am Finanzmarkt. Die Panik um die Deutsche Bank war vom Markt für Kreditabsicherungen ausgegangen. Mit diesen Credit Default Swaps (CDS) können sich Investoren gegen den Zahlungsausfall von Staaten oder Unternehmen absichern oder genau darauf spekulieren. Steigt der Preis für CDS, gilt dies als Zeichen, dass Anleger Sorgen vor der Pleite eines Schuldners haben. Der Preis für Deutsche Bank CDS war vergangene Woche regelrecht in die Höhe gesprungen. Das wiederum wurde am Aktienmarkt als Alarmsignal interpretiert.
Daran, dass all dies nur Ausdruck von Nervosität und allgemeiner Sorge um die Bankenbranche war, gibt es allerdings Zweifel. Hinter dem Kurssturz könnte auch eine gezielte Attacke durch Leerverkäufer stecken, die an fallenden Aktienkursen verdienen. "Die Deutsche Bank hat eine durchaus belastete Vergangenheit. Die Hedgefonds wollen austesten, ob es nicht doch noch Schwachstellen in ihrem Geschäft gibt, ob man sie nicht doch mit Leerverkäufen in die Knie zwingen kann", zitiert Börse Online einen Fondsmanager.
Was Europas Bankenaufseher wirklich Sorgen macht
Laut dem Datenanbieter Ortex hatte sich die Zahl der leerverkauften Aktien der Deutschen Bank in der vergangenen Wochen verdreifacht. Leerverkäufer leihen sich Aktien aus, verkaufen diese und hoffen sie zu einem niedrigeren Kurs später wieder kaufen zu können, bevor sie sie an den Verleiher zurückgeben müssen. Der fallende Kurs der Deutsche-Bank-Papiere hatte den Leerverkäufern am vergangenen Freitag einen Gewinn von möglicherweise mehr als 100 Millionen Dollar eingebracht. Ob sie diesen Gewinn in dieser Höhe realisiert haben, ist allerdings nicht bekannt. Inwieweit es sich dabei um die gezielte Attacke eines oder mehrerer Hedgefonds handelt, ist kaum nachzuweisen. Bisher ist nur ein Shortseller bekannt, der bei seiner Wette gegen die Deutsche Bank die Meldeschwelle von 0,5 Prozent der frei handelbaren Aktien überschritten hat.
Unklar ist vor allem, wer hinter dem Kursanstieg bei den Kreditabsicherungen steckt. Der Markt dafür ist nicht transparent. Diese Papiere werden zu einem großen Teil außerhalb der Börsen gehandelt. Dass von diesem Teil des Finanzmarkts derartige Erschütterungen ausgehen wie bei der Deutschen Bank vergangenen Woche, hat jedenfalls EZB-Chefbankenaufseher Adrea Enria auf den Plan gerufen. Besser wäre es, wenn der Handel mit CDS über eine zentrale Stelle abgewickelt würde.
Ob gezielte Attacke oder nicht: Wichtige Zutat für den Kursrutsch der Deutsche-Bank-Aktie war eine grundlegende Furcht unter Investoren, bei denen derzeit jedes Verkaufssignal auf fruchtbaren Boden zu fallen scheint. "Was mir wirklich Sorgen machte, war das Ausmaß an Nervosität, dass ich im Markt gesehen habe und unter den Investoren," sagte Enria.
Quelle: ntv.de, mit rts