Wirtschaft

Vor der Urteilsverkündung des BGHHaben getäuschte Aktionäre der Wirecard-Pleite Recht auf Entschädigung?

12.11.2025, 19:30 Uhr
Prozess-um-wirecard-Skandal-beginnt-am-8-12-2022-in-Muenchen-ARCHIVFOTO-Sitz-der-wirecard-AG-in-Aschheim-Dornach-am-Abend-am-02-12-2020-wirecard-Logo-Firmenemblem-Schriftzug-Gebaeude-Fassade-Sitz-in-Aschheim-Dornach-WIRECARD-AG
Bei den Schadenersatzansprüchen geht es um rund 15 Milliarden Euro. (Foto: picture alliance / SvenSimon)

Wirecard soll über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht haben. Ende Juni 2020 meldete das Münchner Unternehmen Insolvenz an, Tausende Anleger verlieren viel Geld. Nun steht eine richtungsweisende Entscheidung des BGH an.

Fünf Jahre nach der spektakulären Pleite von Wirecard befasst sich das höchste deutsche Zivilgericht mit den Folgen. Am Donnerstag spricht der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Urteil zu der Frage, ob getäuschte Aktionäre des früheren Dax-Konzerns genauso behandelt werden wie klassische Gläubiger - ob ihnen also ebenso Schadenersatz aus der Insolvenzmasse zusteht. Die Entscheidung wird als richtungsweisend angesehen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fall.

Was ist der Fall Wirecard?

Der Finanzdienstleister wurde einst als deutscher Hoffnungsträger gesehen und seine Aktie als gute Investition. Doch die Chefetage des Münchner Unternehmens soll über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht und den Umsatz so immer weiter künstlich aufgebläht haben. Ende Juni 2020 meldete Wirecard dann Insolvenz an, tausende Anleger verloren viel Geld.

Wer bekommt nach einer Insolvenz zuerst Geld?

Die Insolvenzordnung sieht vor, dass erst Gläubiger wie Lieferanten oder Kreditgeber bedient werden. Erst wenn deren Ansprüche befriedigt sind, können Aktionäre als Miteigentümer Geld bekommen. Oft bleibt aber für sie gar nichts übrig.

Warum dann die Klage?

Der Kläger, der Vermögensverwalter Union Investment, argumentiert, dass die Anleger von Wirecard getäuscht worden seien. Das Unternehmen habe ein Geschäftsmodell vorgetäuscht und falsche Angaben zu Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gemacht. Union Investment hielt nach Gerichtsangaben zum Schluss mehr als 70.000 Wirecard-Aktien und meldete Ansprüche von knapp zehn Millionen Euro an. Die Klage richtet sich gegen den Insolvenzverwalter Michael Jaffé und den Vertreter eines Zusammenschlusses von Gläubigern.

Um wie viel Geld geht es?

Gemeldet haben sich 50.000 Aktionäre mit Schadenersatzansprüchen von insgesamt achteinhalb Milliarden Euro. Hinzu kommen die Forderungen der Gläubiger, etwa Banken, in Höhe von 6,9 Milliarden Euro - also alles in allem 15,4 Milliarden Euro. Die derzeit vorhandene Insolvenzmasse beträgt aber nur rund 650 Millionen Euro.

Was muss der BGH entscheiden?

Es geht um die Frage, wer nach einer Insolvenz in einem solchen Fall als erstes Geld bekommt - ob getäuschte Aktionäre wie Gläubiger behandelt werden und ihnen also aus der Insolvenzmasse Schadenersatz zusteht.

Was haben die Vorinstanzen entschieden?

In erster Instanz entschied das Landgericht München gegen die Anleger. Aktionäre sollten nur dann Geld bekommen, wenn welches übrig bleibt. Das Oberlandesgericht München revidierte dies aber im September 2024 und erlaubte den Aktionären, ihre Schadenersatzforderungen als Insolvenzforderungen geltend zu machen. Es begründete das damit, dass die Anleger getäuscht worden seien. Nun ist es am BGH, die Frage höchstrichterlich zu klären.

Was bedeutet das BGH-Urteil?

Sollte der BGH zugunsten der Aktionäre entscheiden, würde das bedeuten, dass den Gläubigern weniger Geld bleibt, da den Anlegern gleichrangig etwas zusteht. Allerdings ist ohnehin insgesamt viel weniger Geld da, als eingefordert wird. Die weitergehende Folge wäre, dass sich Aktionäre in anderen, ähnlichen Insolvenzfällen auf das Urteil berufen könnten. Sollte der BGH die Klage endgültig abweisen, bliebe alles wie bisher.

Ist das das Ende der Wirecard-Prozesse?

Nein. Vor dem Landgericht München I läuft derzeit noch ein Strafprozess gegen den früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere Manager. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem bandenmäßiger Betrug. Das ehemalige Wirecard-Vorstandsmitglied Jan Marsalek ist auf der Flucht, er wird international gesucht. Gegen Marsalek ermittelt die Staatsanwaltschaft München I wegen mehrerer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte. Laut einer im September veröffentlichten internationalen Medienrecherche lebt er derzeit unter falscher Identität in Moskau und soll für den russischen Geheimdienst arbeiten.

Quelle: ntv.de, Sarah Maria Brech, AFP

WirecardBundesgerichtshofProzesseUrteile