Starbucks erobert Italien In Mailand gibt's jetzt US-presso
23.09.2018, 08:02 Uhr
Seine luxuriöse "Reserve Roastery" hat Starbucks in einer alten Postfiliale eröffnet.
(Foto: Andrea Affaticati)
Lange hielt Starbucks Abstand von Italien: Zu groß war der Respekt vor der Espressokultur. Nun hat die Kette ihr erstes Lokal eröffnet. Der Kaffeetempel ist eine Touristenattraktion. Doch viele Einwohner können nicht viel mit ihm anfangen.
Lange hatte sich Starbucks gescheut, nach Italien zu kommen. Zu groß war der Gegenwind, zu riskant schien der Versuch, es mit der italienischen Espressokultur aufzunehmen. Doch irgendwann fiel der Entschluss, es doch zu versuchen. Und zwar in Mailand, der europäischsten Metropole Italiens. Als die Nachricht durchsickerte, munkelten viele: Würden die US-Amerikaner also in Zukunft auch hierzulande verwässerten Kaffee in Bechern servieren oder gar den ungenießbaren Frappuccino? Trotz aller Vorbehalte warteten die Mailänder gespannt auf die Eröffnung.
Vor knapp zwei Wochen war es so weit. Die Schleier, hinter denen monatelang gearbeitet worden war, wurden gelüftet. Zum Vorschein kam keine herkömmliche Starbucks-Filiale, also mit modern-minimalistischer Einrichtung wie in den anderen 28.000 weltweit verstreuten Lokalen. In Mailand hat Starbucks groß ausgeholt und der Stadt eine Reserve Roastery beschert. Von diesen Röstereien gibt es weltweit nur noch zwei: in Seattle und Shanghai. Und da Mailand nicht nur als Mode-, sondern auch als Designmetropole weltweiten Ruhm genießt, ist die US-amerikanische Kaffeehauskette das Projekt "pharaonisch" angegangen, wie mancher Kritiker meint.
Ein bombastischer Kaffeetempel

Der klassische Espresso kostet bei Starbucks mit 1,80 Euro laut Verbraucherverband Unione Nazionale Consumatori 80 Prozent mehr als der durchschnittliche "caffè".
(Foto: Andrea Affaticati)
Auf 2300 Quadratmetern erstreckt sich das Lokal im ehemaligen Palazzo delle Poste, dem einstigen Sitz der italienischen Post, am Piazza Cordusio, keine 100 Meter vom Dom entfernt. Ein wunderschöner Bau, Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, den Starbucks auf eigene Kosten saniert hat. Das Innere erinnert an Tim Burtons Film "Charlie und die Schokoladenfabrik". Wie viel investiert wurde, bleibt Starbucks' Geheimnis.
Es wird erzählt, dass ein Besuch der Mailänder Messe vor 35 Jahren Starbucks-Gründer Howard Schultz überhaupt auf die Idee brachte, eine Kaffeebarkette im Italian Style auf die Beine zu stellen. "Mag sein, nur das hier hat mit unserer Tradition überhaupt nichts zu tun, auch wenn der Espresso in der Tasse und nicht im Becher serviert wird", meint Eugenio, von Beruf Motorradmechaniker. "Was soll dieser bombastische Tempel? Nicht einmal im Ritz in Paris gibt es so viele Türsteher."
Ähnlich sieht es auch Patrizia, eine Managerin, die gleich um die Ecke ihr Büro hat: "Man hätte es auch eine Nummer kleiner bringen können." Freilich, die Einrichtung sei beeindruckend, die Röstmaschine und die Glasröhren mit den unterschiedlichen Kaffeebohnen. Mit den Gadgets, den Tassen, den Untertellern, Bechern, die hier auch verkauft werden, kann sie jedoch wenig anfangen. "Ich bin sowieso nur aus Neugierde hier, das ist was für Touristen. Ab morgen gehe ich wieder in mein Stammcafe. Nicht nur, weil der Espresso hier 1,80 Euro kostet und der Cappuccino 4,50 Euro. Ich fühle mich dort zu Hause."
Keine wirkliche Konkurrenz
Zu den Preisen hat sich auch der Verbraucherschutzverband kritisch geäußert. Und Noemi, eine Musikstudentin, die nebenbei selber in einer Kaffeebar arbeitet, fragt aufgebracht: "Ist das gewollt, um nur ein bestimmtes Publikum anzuziehen?"
Nein, sagt Domenico, der bei Starbucks arbeitet und aus Neapel kommt, wie man auf seinem Namenschild lesen kann. Die Preise haben mit den Plantagen zu tun, von denen die Bohnen kommen. Allein das erklärt den teuren Cappuccino aber trotzdem nicht. Freilich, bei Cova, einem der ältesten Kaffeehäuser der Stadt auf der Luxusmeile Via Montenapoleone, bezahlt man noch mehr, doch da sitzt man gemütlich in roten Samtpolsterstühlen und wird nobel bedient.
Absolut gelassen und positiv steht stattdessen Herr Ciro Starbucks gegenüber, auch wenn er selber eine Rösterei in der Nähe vom Zentrum führt. Er ist 68 Jahre alt und seit 60 Jahren in der Branche. Mit 8 Jahren hat er als Laufbursche angefangen. "Ich finde es immer gut, wenn sich in der Stadt etwas tut. Und in diesem Fall geht es ja auch um hochwertigen Kaffee. Um meine Kundschaft brauche ich mich deswegen wirklich nicht zu sorgen." Wenn schon, dann würde sie vielleicht ein, zwei Mal fremdgehen, meint Herr Ciro, aber dann doch wieder zurückkommen. Jeder Italiener liebt es schließlich, die Kaffeebar vor der Haus- oder Bürotür zu haben.
Quelle: ntv.de