"Mini-Immunsystem"Startup entwickelt Antibiotika-Alternative aus Kuhmilch
Janna Linke
Schon in der Antike wurde Milch als Schönheitselixier angesehen. Cleopatra badete regelmäßig darin. Und heute, mehr als 2000 Jahre später, erlebt Milch als Pflege für die Haut ihr Revival. Ein Startup nutzt die überschüssige Erstmilch von Kühen, um Pflegeprodukte für Mensch und Tier herzustellen.
Pferdepflegerin Renate cremt das Vorderbein eines Pferdes ein. Es hat Mauke, eine entzündliche Hauterkrankung. Vor einiger Zeit hätte sie vielleicht aus Mangel an Alternativen zu einer Creme mit Antibiotika gegriffen, mögliche Nebenwirkungen wie Darmprobleme oder die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen beim Pferd inklusive. Heute setzt Renate auf eine Creme, die auf die Heilungskraft von Kolostrum, der Erstmilch von Kühen, setzt.
Dafür werden in einem aufwendigen Verfahren die Antikörper aus der Erstmilch isoliert. "Das Besondere an diesem Antikörper ist, dass er bakterielle Toxine binden kann. Der ist eigentlich als Immunschutz von der Kuh fürs Kalb gemacht", beschreibt Beatrix Förster, Gründerin des Startups Doderm. "Das ist wie ein Mini-Immunsystem, das man sich transplantieren kann."
Die Milch wird den Kälbern nicht weggenommen. Das Startup benutzt nur die späteren überschüssigen Mengen, die das Kalb nicht mehr braucht.
Auf die Idee für ihr Startup ist die Gründerin während ihrer Arbeit in einer Biotechfirma gekommen. Damals hatten viele Patienten mit Antibiotika-Resistenzen zu kämpfen. "Ich habe mich gefragt: Gibt es nicht eine andere, natürliche Form von Antikörpern, die man nutzen kann?", blickt Förster zurück. "Wenn wir eine Alternative haben, dann gehen die Antibiotika-Resistenzen zurück."
Aber hilft das auch wirklich? In den sozialen Medien wird Kolostrum oft als Wundermittel angepriesen, das gegen alle Krankheiten helfen soll. Vor allem als Nahrungsergänzungsmittel bei Menschen. Vieles davon ist wissenschaftlich nicht belegbar.
Deshalb ist Beatrix Förster die Wissenschaftlichkeit ihres konkreten Produkts auch so wichtig. "Die Produkte sind als Hautpflege zugelassen. Das heißt, sie sind dermatologisch getestet und für sicher befunden. Darüber hinaus haben wir mit den Produkten klinische Studien durchgeführt. Das Ergebnis: ein positiver Effekt auf das Hautmikrobiom. Weniger Staphylokokken auf der Haut, höhere Diversität der Hautbakterien und signifikant weniger Juckreiz."
Christian Gabrielse hat die Startup-Creme an seinen Patienten getestet. "Die Creme wirkt langsamer als eine Antibiotika-Creme, aber sie wirkt nachhaltig", sagt der Tierarzt. "Wenn man Pferden Antibiotika gibt, kann das auch die Darmflora negativ beeinflussen oder Resistenzen fördern. Deshalb nutze ich lieber dieses bioaktive Produkt."
Mit Beatrix Förster sprach Janna Linke. Das vollständige Gespräch können Sie sich im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.