Medwedew verspottet Scholz Kreml will Gas erst nach Ende der Sanktionen liefern
05.09.2022, 18:24 UhrDurch Nord Stream 1 fließt kein Gas mehr. Dem Kreml zufolge wird sich daran nichts ändern. Es sei denn, der Westen beendet die Sanktionen.
Die Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 werden nach Angaben des Kremls erst wieder aufgenommen, wenn "der kollektive Westen" gegen Russland verhängte Sanktionen aufhebt. Schuld an dem Lieferstopp seien die EU, Kanada und Großbritannien, sagte der Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, und ergänzte: "Wir sehen endlose Versuche, die Verantwortung für das Geschehen irgendwie auf uns abzuwälzen, wir weisen diese Versuche kategorisch zurück". Das sei keine "haltlose" Behauptung.
Die Äußerungen Peskows sind das offene Eingeständnis des Kreml, dass die Gas-Lieferkürzungen das Ziel haben, den Westen zur Aufgabe der wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verhängten Sanktionen zu zwingen.
Seit Juni fährt der staatlich kontrollierte Gazprom-Konzern die Gaslieferungen nach Deutschland durch Nord Stream 1 schrittweise runter und hat sie mittlerweile komplett eingestellt. Zunächst wurden die Lieferungen auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt. Begründung: Eine nach Kanada zur Wartung geschickte Turbine von Siemens Energy fehle.
Die kanadische Regierung hatte die Lieferung der Turbine aufgrund eigener gegen Russland verhängter Sanktionen verboten. Das deutsche Außenministerium hatte die Kanadier deshalb mit einer drastischen Warnung unter Druck gesetzt. Sollte Putin das Ausbleiben der Turbine als Vorwand nehmen und Deutschland das Gas komplett sperren, könne es in Deutschland zu Volksaufständen kommen. Die kanadische Regierung erlaubte daraufhin die Ausfuhr der Turbine nach Deutschland. Von Mülheim an der Ruhr sollte die über Finnland nach Russland transportiert werden. Dort steht sie allerdings noch immer. Die russische Seite verweigert die Einfuhr wegen "sanktionsrechtlicher Bedenken".
"Gibt nicht nur eine Gaspipeline"
Später floss während einer Routinewartung gar kein Gas durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland. Nach zehn Tagen wurden die Lieferungen via Nord Stream 1 wieder aufgenommen, allerdings wieder auf 40 Prozent der Kapazität gedrosselt. Danach wurde die Menge auf 20 Prozent gesenkt. Begründung: Eine weitere Turbine müsse im Westen repariert werden. Vergangene Woche wurden die Lieferungen für drei Tage wieder gestoppt. Auch diesmal hieß es von Gazprom, es handele sich um Wartungsarbeiten.
Danach kündigte der staatlich kontrollierte Konzern zunächst an, wieder Gas durch Nord Stream 1 zu pumpen. Dann hieß es überraschend, der Gasdurchfluss durch Nord Stream 1 bleibe bis auf Weiteres gestoppt. Grund sei, das Öl aus der letzten noch funktionsfähigen Turbine austrete. Peskow sagte, er hoffe, diese Turbine ließe sich irgendwie reparieren.
Der Darstellung widerspricht Siemens Energy: In der Verdichterstation Portowaja stünden genug Turbinen für einen Betrieb der Pipeline zur Verfügung, so das Unternehmen. Auch die Europäische Union weist die Version des Kreml zurück. Die Versorgungsunterbrechungen zeigten, dass Russland Energielieferungen als Waffe einsetze, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. "Es gibt nicht nur eine Gaspipeline von Russland nach Europa." Gazprom könne im Fall eines technischen Problems bei Nord Stream 1 Gas über andere Pipelines nach Europa liefern. Aus Russland fließt Gas weiterhin durch Pipelines über die Ukraine und die Türkei in die EU.
Peskow: Situation wird im Winter noch schlimmer
Der Kreml macht keinen Hehl daraus, dass er auf eine Energiekrise in der EU hofft. "Wenn die Europäer eine absolut absurde Entscheidung treffen und sich weigern, Anlagen zu warten, die Gazprom gehören, dann ist das (…) die Schuld der Politiker, die Entscheidungen über Sanktionen getroffen haben", so Peskow. Politiker sorgten im Westen nun dafür, "dass ihre Bürger Schlaganfälle erleiden, wenn sie ihre Stromrechnungen sehen". Jetzt, wo es kälter werde, werde die Situation noch schlimmer.
Ex-Präsident Dmitri Medwedew wirft Deutschland derweil "hybride Kriegsführung" gegen Russland vor und begründete den Gas-Lieferstopp mit "unfreundlichem" Verhalten der Bundesregierung im Ukraine-Krieg. Deutschland verhalte sich wie ein Feind Russlands, weil es Sanktionen "gegen die gesamte russische Wirtschaft" verhängt habe und "tödliche Waffen" an die Ukraine liefere. Mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb der stellvertretende Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrats: "Und dieser alte Onkel wundert sich, dass die Deutschen auf kleine Probleme mit dem Gas stoßen."
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP