An den Finanzmärkten wird noch immer damit gerechnet, dass die Europäische Zentralbank im Frühjahr mit der geldpolitischen Wende beginnt. Doch laut Chefin Christine Lagarde ist ein späterer Zeitpunkt wahrscheinlich.
Die Europäische Zentralbank wird die Leitzinsen wohl im Sommer senken. Das sagte EZB-Chefin Christine Lagarde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Dort wurde sie gefragt, ob es im Rat der Notenbank eine Mehrheit für einen solchen Schritt geben könnte, da mehrere Mitglieder diesen Zeitpunkt angedeutet haben. "Ich würde sagen, es ist wahrscheinlich", antwortete Lagarde.
An den Finanzmärkten wird dagegen mit einer ersten Zinssenkung spätestens im April gerechnet. Mehrere Notenbanker hatten allerdings bereits angedeutet, dass die Geldpolitik wohl erst später gelockert werde. "Es hilft unserem Kampf gegen die Inflation nicht, wenn die Erwartungen im Vergleich zu dem, was wahrscheinlich passieren wird, viel zu hoch sind", sagte Lagarde.
Die EZB hatte sich im Sommer 2022 von ihrer jahrelangen Nullzinspolitik verabschiedet, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. In kurzer Zeit schraubte sie den wichtigsten Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, auf 4,5 Prozent in die Höhe. Der Wirkungsmechanismus: Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage tendenziell bremst und damit Preissteigerungen entgegenwirkt.
Die Notenbank sieht ihr Ziel der Preisstabilität bei 2 Prozent erreicht. Zuletzt war die Inflation im Dezember wieder leicht auf 2,9 Prozent gestiegen, nachdem sie noch im November bei 2,4 Prozent gelegen hatte. Von den im Herbst 2022 erreichten zweistelligen Rekordständen hat sich die Inflation deutlich entfernt.
"Muss zurückhaltend sein"
ntv jetzt auch bei Whatsapp
(Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
ntv auf Whatsapp - so geht's
Den Whatsapp Broadcast Kanal von ntv.de zu abonnieren ist ganz einfach: Den Einladungslink
antippen und den Hinweisen folgen. Glocke oben rechts anklicken, um den Kanal zu abonnieren.
Die EZB ist aus Sicht von Lagarde auf einem guten Weg, die Inflation im Euro-Raum auf zwei Prozent zurückzubringen. Sie sei zuversichtlich, dass die Zentralbank dieses mittelfristige Ziel erreichen werde. Sie werde aber noch nicht den Sieg gegen die Inflation verkünden. Die EZB werde im späten Frühling Daten aus den diesjährigen Tarifabschlüssen in den Ländern erhalten. "Wir werden wahrscheinlich viel mehr im April, Mai wissen", sagte sie. Diese Daten würden der EZB eine gute Vorstellung davon geben, wie sich die Inflation entwickeln werde.
Der Hintergrund: Hohe Lohnabschlüsse können die Inflation anheizen. Das ist der Fall, wenn Unternehmen auf breiter Front wegen höherer Personalkosten ihre Verkaufspreise weiter anheben. Dass die Zinsen im Sommer tatsächlich sinken, ist laut Lagarde keine ausgemachte Sache. "Ich muss zurückhaltend sein, weil wir datenabhängig sind, so die EZB-Chefin. "Es gibt noch immer ein gewisses Maß an Unsicherheit."