Wirtschaft

Kommission uneins Mindestlohn steigt nächstes Jahr auf 12,41 Euro

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Zuletzt hatte die Ampel den Mindestlohn erhöht, nun schlägt die Kommission für 2024 einen weiteren Anstieg vor. Doch schon innerhalb des Gremiums gibt es Protest. Die Positionen hätten sehr weit auseinandergelegen, sagt der Vorsitzende. Die Gewerkschaften sind enttäuscht - ebenso wie einige Arbeitgeber.

Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro angehoben werden. Diesen Vorschlag legte die zuständige Mindestlohnkommission in Berlin vor. Die Empfehlung wurde dieses Mal allerdings nicht im Einvernehmen getroffen. Die Arbeitnehmervertreter in der Kommission sind gegen diese in ihren Augen zu geringe Anhebung und wurden nach eigenen Angaben in der Kommission überstimmt. Arbeitsminister Hubertus Heil kündigte an, dass die Bundesregierung die Empfehlung der Kommission per Rechtsverordnung umsetzen werde.

Er könne verstehen, "dass sich einige mehr gewünscht hätten". Das Gesetz sehe aber "diesen Weg" vor. Zudem bedaure er, dass die Entscheidung nicht im Konsens gefallen sei. Er begrüße es aber, dass sich die Kommissionsmitglieder dennoch einstimmig dazu bekannt hätten, "dass das Verfahren so bleiben soll". Die Bundesregierung sei "im Kampf um gerechte Löhne nicht am Ende", versicherte der SPD-Minister. "Noch in diesem Sommer" werde er gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Gesetz zur Tarifstärkung vorlegen. Öffentliche Aufträge des Bundes sollen demnach künftig nur an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen.

DGB: Absolut nicht zufriedenstellender Beschluss

"Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen", heißt es im Beschluss der Mindestlohnkommission. Die Mehrheit der Kommission halte es im Rahmen einer Gesamtabwägung für vertretbar, den Mindestlohn in diesem Umfang zu erhöhen. Die Positionen hätten sehr weit auseinander gelegen, sagte die Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Christiane Schönefeld.

Die Mindestlohnkommission habe gegen die Stimmen der Gewerkschaften einen absolut nicht zufriedenstellenden Beschluss gefasst, teilte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit. "Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen", sagte Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Mit dem Beschluss erlitten die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen enormen Reallohnverlust. "Um einen Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zu gewährleisten, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sprach dagegen von einer eine Schande, dass das Arbeitgeberlager in der Mindestlohnkommission gnadenlos die eigene Agenda durchgedrückt habe. "Diese fatale Entscheidung geht völlig an der Lebensrealität von Millionen von Menschen vorbei und passt nicht in die Zeit", sagte NGG-Chef Guido Zeitler. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, nannte das Ergebnis "zutiefst enttäuschend".

Grüne: "Vorschlag für die Tonne"

Der Wirtschaftsflügel der Union begrüßte den Vorschlag. Er halte die Waage zwischen staatspolitischer Verantwortung und tarifpolitischer Vernunft, sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Antonin Finkelnburg, sprach von einer Entscheidung mit Augenmaß. "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir derzeit vor einer wirtschaftlichen Rezession stehen und die Unternehmen immer noch stark belastet sind."

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch nannte die Empfehlung der Mindestlohnkommission enttäuschend. Sie sei ein Schlag ins Gesicht von Geringverdienern, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Grünen- Arbeitsmarktexperte und Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske nannte die Empfehlung einen "Vorschlag für die Tonne" und schlicht inakzeptabel.

Auch vom Deutschen Bauernverband kam Kritik - aber nicht weil der Mindestlohn zu niedrig, sondern weil er nach Ansicht des Verbands zu hoch angesetzt ist. Präsident Joachim Rukwied sprach von einer nicht tragbaren Belastung für die Betriebe. Der handelsverband HDE hatte bereits zuvor gewarnt, dass eine zu deutliche und zu schnelle Erhöhung des Mindestlohns für viele Handelsunternehmen nur sehr schwierig zu stemmen sei.

Patt innerhalb der Kommission

Die Verhandlungen dauerten ihren Angaben nach bis in den frühen Morgen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte den Mindestlohn zuletzt zum 1. Oktober 2022 ausnahmsweise per Gesetz von 10,45 Euro auf 12 Euro angehoben. Vor allem die SPD hatte sich im Bundestagswahlkampf 2021 dafür eingesetzt. Der aktuelle Erhöhungsschritt soll nun wieder wie üblich auf Vorschlag der Kommission zustande kommen.

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Den gesetzlichen Mindestlohn gibt es seit 2015 in Deutschland. Zum Start lag er bei 8,50 Euro die Stunde und ist seitdem mehrfach erhöht worden. Nach dem Mindestlohngesetz muss eine aus jeweils drei Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern, zwei Wissenschaftlern und einer oder einem Vorsitzenden besetzte Kommission alle zwei Jahre unter Berücksichtigung der Tarifentwicklung im Land einen Vorschlag für die künftige Höhe der Lohnuntergrenze machen. Stimmberechtigt sind die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. Kommt es zum Patt, kann der oder die Vorsitzende mit seiner Stimme eine Mehrheit herstellen. Das war dieses Mal der Fall.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes profitierten von der letzten Erhöhung im vergangenen Herbst rund 5,8 Millionen Beschäftigte, die vorher weniger als 12 Euro die Stunde verdienten. Arbeitgebern, die gegen die Lohnuntergrenze verstoßen, drohen Bußgelder bis zu 500.000 Euro.

Quelle: ntv.de, ses/jwu/rts/dpa

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