Wirtschaft

"Er kann sie töten" Oligarchen rücken vorsichtig von Putin ab

Oleg Deripaska gilt als wichtige Stütze des Systems Putins. Nun wünscht er sich "so schnell wie möglich" Frieden.

Oleg Deripaska gilt als wichtige Stütze des Systems Putins. Nun wünscht er sich "so schnell wie möglich" Frieden.

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Westliche Sanktionen im Zuge des Überfalls auf die Ukraine sollen vor allem Russlands Wirtschaftselite, die Oligarchen, treffen. Erstmals seit Kriegsbeginn äußern sich zwei der prominentesten Vertreter dieses Zirkels kritisch. Putins Macht können die Milliardäre allerdings kaum gefährden.

Russlands Oligarchen, Geschäftsleute, die einen Großteil der Wirtschaft und des Vermögens des Landes kontrollieren, stehen im Zentrum westlicher Sanktionen in Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine. Mehrere Dutzend Eigner wichtiger Unternehmen demonstrierten erst vergangene Woche in einem Treffen ihre einhellige Unterstützung für Präsident Putin und seinen Kurs. Doch nun werden auch kritische Stimmen von langjährigen Profiteuren des Putin-Regimes laut.

Zwei der reichsten Russen, Mikhail Fridman und Oleg Deripaska, riefen zu einem Stopp des Krieges in der Ukraine auf. Fridman, ein im Westen der Ukraine geborener russischer Staatsbürger, schrieb an seine Mitarbeiter, der Krieg spalte die Völker Russlands und der Ukraine, die seit Jahrhunderten Brüder seien. "Meine Eltern sind ukrainische Staatsbürger und leben in Lemberg, meiner Lieblingsstadt", schrieb Fridman in einem Brief, aus dem Reuters zitiert. Aber er sei auch ein russischer Bürger und Geschäftsmann und sehe "den gegenwärtigen Konflikt als eine Tragödie für beide Völker".

Fridman, der laut den Reuters vorliegenden Auszügen, nicht auf Präsident Putin direkt einging, ist Gründer und zusammen mit seinem Geschäftspartner Piotr Aven Inhaber des Konglomerats Alpha, eines der größten russischen Industrie- und Finanzunternehmen. Sein Vermögen ist laut Bloomberg in den vergangenen Tagen um umgerechnet fast zwei Milliarden Dollar geschrumpft. Eine Lösung des Konflikts scheine "beängstigend weit weg", schrieb Fridman weiter und er könne sich "nur denen anschließen, deren dringender Wunsch es sei, das Blutvergießen zu beenden". Er sei sich zudem sicher, dass seine Partner seine Ansicht teilten. Fridmans Geschäftspartner Aven war einer der Teilnehmer von Putins jüngster Oligarchenrunde.

Deripaska, Gründer des Aluminiumgiganten Rusal, rief in einem Telegram-Post unter anderem zu Friedensgesprächen "so schnell wie möglich" auf. Deripaska ist einer der in den vergangenen Tagen von westlichen Ländern mit Sanktionen belegten Oligarchen. Er gilt als wichtige Stütze des Systems Putin.

"Törichte Vorstellung" vom Einfluss der Oligarchen

Laut einer Bloomberg-Berechnung verloren die 23 russischen Superreichen, die der Finanzdienst in seinem Milliardärsindex listet, allein am ersten Kriegstag 32 Milliarden Dollar. Entscheidend dafür waren allerdings weniger westliche Sanktionen gegen sie persönlich, sondern der Kriegsausbruch und die Erwartung harter Strafmaßnahmen, die Russlands Wirtschaft treffen würden. Infolgedessen brach die Moskauer Börse dramatisch ein.

Wesentlich deutlicher als die Generation Deripaskas und Fridmans äußerten sich mehrere Kinder von Mitgliedern engster Vertrauter und Unterstützer Putins. So schrieb die Tochter des ehemaligen Provinzgouverneurs, Multimilliardärs und Eigners des Londoner Fußballclubs Chelsea, Roman Abramowitsch, Sophia auf Instagram: "Putin will einen Krieg mit der Ukraine", und weiter: "Die größte und erfolgreichste Lüge der Kreml-Propaganda ist, dass die meisten Russen Putin unterstützen würden."

Für Aufsehen sorgte vor allem der Instagram-Post von Elisabeta Peskowa. Sie schrieb nur die Worte "Nein zum Krieg". Brisant ist allerdings, dass ihr Vater, Dimitri Peskow, Putins Sprecher ist, und gerade den Überfall auf die Ukraine und auch das harte Vorgehen gegen Friedensdemonstrationen in Russland vor der Presse rechtfertigte. Peskowas Post wurde schon nach kurzer Zeit gelöscht.

Es geschieht allerdings nicht zum ersten Mal, dass Mitglieder der russischen Elite sich von Putin abwenden. Bisher ging der Machthaber aus Auseinandersetzungen wie etwa der mit dem ehemaligen Eigner des Ölgiganten Yukos, Michail Chodorkowski, als Sieger hervor. Trotz ihres Reichtums und Einflusses auf die Wirtschaft dürfe man die Macht der Oligarchen nicht überschätzen, zitiert die Nachrichtenagentur AP den Experten und ehemaligen US-Regierungsmitarbeiter Daniel Fried, der selbst an der Ausarbeitung von Sanktionen gegen Russland in der Vergangenheit beteiligt war.

Die Meinung von Eliten sei nicht unwichtig für Putin, so Fried. Allerdings könnten die Oligarchen ihn weder abwählen, noch sonst stoppen. Putin habe die Geschäftsleute dagegen voll in der Hand. "Er kann sie einsperren oder töten. Aber die Idee, dass die Oligarchen Einfluss auf Putin ausüben können, ist töricht." Bei den Sanktionen gehe es lediglich darum, den Preis für die Unterstützung Putins in die Höhe zu treiben.

Quelle: ntv.de, mbo

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