"Gute Blase!" "Alarmstufe Rot!"Sam Altman ist das Barometer des KI-Hypes
Von Hannes Vogel
Kein Mann steht mehr für die KI-Rally in diesem Jahr als der OpenAI-Chef. Wenn er spricht, zucken die Börsen. An seinen Worten lassen sich Euphorie und Blasen-Gefahr zugleich ablesen. Und es wird klar: Altman setzt seine Macht ein, um den Hype zu verkaufen.
Seit dem Launch von ChatGPT vor drei Jahren kennen die Börsen nur noch eine Richtung. Um fast 30 Billionen Dollar hat der S&P 500 in dieser Zeit zugelegt. Doch kaum ein Jahr steht für den KI-Hype wie 2025: mit gigantischen Investments in KI-Infrastruktur schraubten die Tech-Giganten ihre Bewertungen in neue, astronomische Höhen. Und kaum ein Mensch ist so sehr ein Spiegelbild dieses globalen KI-Wettrennens wie Sam Altman - und zugleich seine wichtigste Triebfeder.
Wenn der OpenAI-Chef etwas sagt, bewegt es die Börsen. Seine Worte sind eine Art Barometer des KI-Hypes. An ihnen lässt sich nicht nur das Auf und Ab der Investorengefühle ablesen. Altman setzte sie im vergangenen Jahr auch gezielt ein, um der Welt die bahnbrechende Technologie - und die Erfolge seines Startups - zu verkaufen. Obwohl längst nicht alle Beobachter sicher sind, dass Sprachmodelle wie ChatGPT eines Tages das Wunder vollbringen werden, menschliche Intelligenz zu ersetzen, präsentierte Altman immer wieder genau diese Vision.
Schon bei seiner ersten Wortmeldung wird das deutlich. "Unser Verständnis von künstlicher allgemeiner Intelligenz ist jetzt so weit, dass wir sicher sind: Wir wissen, wie man sie baut", verkündete Altman Anfang Januar euphorisch auf seinem Blog. "Wir werden Zeugen einer glorreichen Zukunft. Superintelligente Werkzeuge könnten wissenschaftliche Durchbrüche und Innovationen so radikal beschleunigen, wie wir es uns heute kaum vorstellen können - und damit Überfluss und Wohlstand für alle massiv steigern."
Altmans Post lieferte einen Vorgeschmack auf die Bombe, die er zwei Wochen später platzen ließ. Gleich am Tag nach Donald Trumps Amtsantritt kündigte Altman mit Softbank-Chef Masayoshi Son und Oracle-Boss Larry Ellison im Weißen Haus an, 500 Milliarden Dollar in die "Stargate"-Rechenzentren von OpenAI zu stecken. Es war der Startschuss zum KI-Wettrüsten zwischen den Tech-Riesen in diesem Jahr. "Ich bin überzeugt: Mit dem Fortschritt dieser Technologie werden wir Krankheiten in einem nie dagewesenen Tempo besiegen. Wir werden sprachlos sein, wie schnell wir Krebs - egal welcher Art - oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen heilen können", machte Altman der Welt die gigantischen Ausgaben schmackhaft.
Altmans Billionen-Wette auf KI
Den Rest des Jahres verbrachte Altman damit, Partnerschaften in der Tech-Branche zu knüpfen, um Rechenpower und Geld für OpenAI an Land zu ziehen. Im März sicherte er sich über ein erstes Geschäft mit CoreWeave Cloud-Kapazität für inzwischen 22,4 Milliarden Dollar. Ab dem Spätsommer folgte dann eine regelrechte Deal-Orgie, mit neuen Mega-Verträgen nahezu im Wochentakt: mit AMD, Nvidia, Broadcom, Oracle, Microsoft und Amazon. Rechenleistung für insgesamt rund 1,4 Billionen Dollar hat Altman inzwischen bis 2032 eingekauft - ohne genau zu wissen, wie er diese gigantische Rechnung jemals bezahlen soll.
Denn bislang macht OpenAI nur Verluste und wird wohl noch mindestens bis 2029 rote Zahlen schreiben. Zweifel wischte Altman beiseite: "Wir haben den Ereignishorizont überschritten", schrieb er im Juni auf seinem Blog. "Wir wissen nicht, wie weit über menschliche Intelligenz hinaus wir gehen können. Aber wir werden es bald rausfinden."
Bis zum Sommer waren die Investoren wie gelähmt vom KI-Trommelfeuer aus Kalifornien. Doch dann kamen Zweifel auf, ob die riesige Wette aufgehen kann. Dass die Tech-Riesen zunehmend im Kreis investieren und den Boom künstlich aufblähen, sorgte zusätzlich für Nervosität. Ebenso wie die Tatsache, dass sie den KI-Ausbau mit immer mehr Schulden finanzieren und das Crash-Risiko so in der Wirtschaft verteilen.
Selbst Altman konnte die Augen vor der wachsenden Skepsis nicht mehr verschließen. "Sind die Investoren derzeit zu euphorisch, wenn es um KI geht? Ja, ganz klar", gab der OpenAI-Gründer im August zu. "Ist KI trotzdem das Wichtigste, was seit Langem passiert ist? Ebenfalls ja". Der KI-Hype ist also eine Blase, meint der wichtigste KI-Vordenker. Aber eine gute Blase.
Alarmstufe Rot - alle Mann an Deck
An den Börsen kamen derweil immer mehr Zweifel auf, ob sich die Billionen-Investments jemals rechnen. Deshalb erklärte Altman sie kurzerhand für alternativlos: "Vielleicht braucht es 10 Gigawatt Rechenleistung, damit KI den Schlüssel zur Heilung von Krebs findet. Oder um jedem Kind auf der Erde einen maßgeschneiderten Lernbegleiter zu geben", rechtfertigte er die gigantischen Ausgaben im September auf seinem Blog. "Wenn wir durch Rechenleistung begrenzt werden, müssen wir uns zwischen beidem entscheiden. Diese Wahl will niemand treffen. Also lasst uns anfangen zu bauen."
Doch im November und Dezember verdichteten sich die Zeichen, dass OpenAI in der Klemme steckt. "Wir befinden uns in einer kritischen Phase für ChatGPT", warnte Altman seine Mitarbeiter in einem internen Memo. Laut der Tech-Webseite "The Information" und dem "Wall Street Journal" rief Altman in seiner Nachricht die höchste Warnstufe aus, die sein Startup intern für die Dringlichkeit von Problemen verwendet: "Code Red", Alarmstufe Rot.
Altmans Weckruf war das deutlichste Zeichen dafür, wie groß der Druck auf die führende KI-Schmiede der Welt geworden war. Und wie sehr die Konkurrenz OpenAI im Nacken sitzt. Bereits im November hatte Altman seine Belegschaft beim Launch von Googles neuestem KI-Modell "Gemini 3" auf deutlich härtere Zeiten eingeschworen: Es sei mit "vorübergehendem wirtschaftlichem Gegenwind" zu rechnen. "Ich erwarte, dass es da draußen eine Zeit lang etwas ungemütlich wird." Mal sehen, welches Ass Altman im neuen Jahr aus dem Ärmel zaubert.