Das Netzwerk der Tech-Riesen So pumpen Kreisgeschäfte die KI-Blase auf
08.11.2025, 18:26 Uhr
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Nvidia und OpenAI haben die Kreisfinanzierung auf eine neue Stufe gehoben: Die wertvollste Firma der Welt steckt bis zu 100 Milliarden Dollar in OpenAI. OpenAI kauft mit dem Geld umgekehrt Nividia-Chips.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Die Wall Street wird nervös. Der Hype um KI dreht sich nur noch im Kreis: Nur weil sich Unternehmen wie Nvidia und OpenAI quersubventionieren, geht die Börsenparty weiter. Wenn sie stoppt, könnten die Abhängigkeiten zur Abwärtsspirale werden.
"Manchmal ist es der klügste Spielzug, gar nicht mitzuspielen." Mit diesem Satz brachte Hedgefonds-Manager Michael Burry kürzlich auf X das wachsende Unbehagen vieler Investoren über die zunehmende KI-Blase in den USA zum Ausdruck. Burry ist unter Investoren eine Legende, seit er mit seiner Wette gegen den US-Immobilienmarkt vor der Finanzkrise Milliarden verdiente und in "The Big Short" zum Filmhelden wurde. Nun hat sich Burry mit Verkaufsoptionen eingedeckt, um auf fallende Kurse von Palantir und Nvidia zu setzen. Am Dienstag brach die Palantir-Aktie trotz "der besten Ergebnisse, die je eine Software-Firma geliefert hat", wie CEO Alex Karp prahlte, um annähernd acht Prozent ein.
Denn die Bewertungen von Palantir mit fast 500 Milliarden Dollar Börsenwert bei Umsätzen von gerade mal vier Milliarden Dollar und anderen Tech-Firmen wie Nvidia mit fast fünf Billionen Dollar haben sich inzwischen komplett von der Realität entkoppelt. Nicht nur Burry kommt deshalb ins Schwitzen. Der KI-Hype steht auf wackligen Füßen: Er wird genährt von Kreisgeschäften, durch die sich viele Tech-Firmen gegenseitig quersubventionieren.
Der KI-Boom wird so künstlich aufgebläht: Viele der Billionen von Investment-Dollars werden doppelt gezählt, reale Umsätze und Wachstum werden verschleiert. Die Tech-Riesen werden zu einem gigantischen Oligopol: Riesenkonzerne, die in einem Netz kreisförmiger finanzieller Abhängigkeiten miteinander verflochten sind, das zerreißen könnte, falls ihre gigantische Wette auf KI nicht aufgeht. Es entsteht ein Tech-Komplex, der zunehmend nur noch um sich selbst kreist. Sollte nur eine der beteiligten Firmen ins Schwanken geraten, kann aus den Abhängigkeiten schnell ein Teufelskreis werden.
Die KI-Wirtschaft ist ein riesiges In-Sich-Geschäft
Im Zentrum der Kreisgeschäfte steht OpenAI. Schon die Anschubfinanzierung des KI-Pioniers war ein In-Sich-Geschäft: Microsoft pumpte rund 13 Milliarden Dollar in Sam Altmans Startup. Dafür schickte OpenAI das Geld sofort wieder zurück an den Tech-Riesen und kaufte von ihm Cloud-Computing-Kapazität für 13 Milliarden Dollar.
Weil die Rechenleistung von Microsoft längst nicht mehr ausreicht, hat OpenAI mit einer Reihe anderer Firmen ähnliche Deals gemacht. Von CoreWeave, einem Startup das Datenzentren baut, hat OpenAI Rechenleistung für 22 Milliarden Dollar gekauft. Im Gegenzug erhielt OpenAI Coreweave-Aktien im Wert von 350 Millionen Dollar, aus deren Wertgewinnen der Auftrag mitbezahlt wird.
Das gleiche Muster beim Chiphersteller AMD: OpenAI kauft von ihm KI-Chips für bis zu 100 Milliarden Dollar. Dafür bekommt die KI-Schmiede eine Option auf rund zehn Prozent aller AMD-Aktien und wird damit einer der größten Anteilseigner ihres Lieferanten. Der Deal ist eine selbsterfüllende wirtschaftliche Prophezeiung: Die Nachricht ließ den AMD-Kurs - und damit OpenAI's Beteiligung - explodieren. Dadurch hat OpenAI erst einen Großteil des Geldes, um sich die AMD-Chips überhaupt leisten zu können. AMD zahlt faktisch dafür, dass OpenAI Kunde wird.
Mit Nvidia hat OpenAI die Kreisfinanzierung auf eine neue Stufe gehoben: Die wertvollste Firma der Welt will bis zu 100 Milliarden Dollar in das wertvollste Startup der Welt stecken. Mit dem Geld kauft OpenAI bei Nvidia dann Millionen seiner neusten KI-Chips. Man kann darin ein cleveres Investment sehen, mit dem Nvidia bei OpenAI einen Fuß in der Tür hat, bevor die Firma an die Börse geht. Oder einen Notkredit, ohne den sich sein größter Kunde nicht mehr lange über Wasser halten kann.
Auch mit Oracle ist die Abhängigkeit riesig: Der Datenbank-Konzern von Trump-Oligarch Larry Ellison hat zugesagt, für OpenAI Serverfarmen im Wert von 300 Milliarden Dollar zu bauen. Dafür soll OpenAI dann Oracle in den nächsten fünf Jahren 300 Milliarden Dollar für die Nutzung dieser Rechenleistung zahlen. Die Chips kauft Oracle bei Nvidia. Der Deal ist ein gigantisches Klumpenrisiko: Zwei Drittel aller kommenden Umsätze von Oracle hängen damit von nur einem einzigen Kunden ab: OpenAI.
Ein Teufelskreis der Abhängigkeiten
Die Tech-Giganten haben sich damit auf Gedeih und Verderb an Sam Altmans finanziellen Erfolg gekettet. Laut Berechnungen der "Financial Times" hat OpenAI über die Kreis-Deals 20 Gigawatt Rechenleistung im Wert von einer Billion Dollar eingekauft - in etwa so viel Strom, wie 20 Atomreaktoren liefern. Dabei macht die KI-Schmiede Milliardenverluste. "OpenAI ist keinesfalls in der Lage, auch nur eine dieser Verpflichtungen zu bedienen", warnt ein Analyst in der britischen Zeitung.
Und die Abhängigkeiten hören nicht dort auf. Auch bei xAI soll es bald so laufen: Nvidia will sich laut Medienberichten bei der neusten Finanzierungsrunde mit zwei Milliarden Dollar auch an Elon Musks Startup beteiligen. Mit dem frischen Geld des Chip-Giganten und anderer Investoren sollen dann für 20 Milliarden Dollar Chips bei Nvidia geordert werden. Nvidia hat sich zudem auch mit 7 Prozent an CoreWeave beteiligt, weil die Firma für ihre Rechenzentren ebenfalls beständig neue Nvidia-Chips braucht.
Nvidia kauft sogar bis 2032 sämtliche Überkapazitäten auf, die CoreWeave nicht selbst an den Markt bringen kann - faktisch ein Blankoscheck für seinen Kunden. Größter Kunde von CoreWeave ist wiederum der Microsoft-Konzern, der ebenfalls im großen Stil Nvidia-Chips kauft und eine Partnerschaft mit AMD unterhält. Zudem hat Nvidia 5 Milliarden Dollar in Intel investiert und entwickelt mit seinem größten Rivalen nun sogar gemeinsame Chips.
Die KI-Giganten finanzieren sich ihre eigene Nachfrage
Das Muster in all den kreisförmigen Deals erinnert gefährlich an den DotCom-Crash der 90er Jahre: Die Tech-Riesen finanzieren selbst ihre größten Kunden und damit faktisch ihre eigene Nachfrage. Das Paradebeispiel dafür war damals Lucent Technologies, ein Netzwerkausrüster, der Milliardenkredite an Telekomanbieter vergab, die damit bei ihm Technik für ihren Netzausbau einkauften. Die Kundenfinanzierung stellt das Wachstumsversprechen des KI-Ökosystems infrage: "Findet es niemand merkwürdig, dass alle erzählen, die Nachfrage nach Rechenleistung sei grenzenlos - aber die Verkäufer müssen ständig ihre Kunden quersubventionieren?", fragte kürzlich der Leerverkäufer Jim Chanos.
All das geht so lange gut, wie Investoren daran glauben, dass die Billionen-Investments in KI-Infrastruktur sich eines Tages rentieren werden, weil KI-Schmieden wie OpenAI irgendwann gigantische Umsätze aus ihren Modellen generieren. "Keine Frage: Eines Tages müssen wir sehr profitabel werden, und wir sind zuversichtlich und geduldig, dass wir das schaffen werden", bringt Sam Altman die Hoffnung auf den Punkt. "Aber in dieser Phase steht für uns Investieren und Wachsen im Vordergrund."
Die Gefahr liegt darin, dass die Musik auf der Billionen-Party irgendwann abrupt aufhört zu spielen: Kein Geldgeber hat Lust, auf ewig Unsummen in Firmen zu kübeln, die seit Jahren rote Zahlen schreiben und deren künftige Profitabilität bestenfalls wolkig ist. "Kreisläufe können im Aufschwung ein Segen und im Abschwung ein Fluch sein", warnt das "Wall Street Journal". "Diese Deals können lange gutgehen - bis sie plötzlich nicht mehr funktionieren."
Quelle: ntv.de