
Schätzungen gehen von einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 35 Milliarden Dollar aus.
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Mit Pornografie lässt sich im Internet viel Geld verdienen. Doch die Branche hat ein Imageproblem. Das will ein junges Startup aus Berlin mit fair produzierten Pornos, Erotikhörspielen und Workshops ändern. Der Haken: Viele Geldgeber zieren sich noch.
Die Pornoindustrie hat nicht nur ein Imageproblem, viele Gründer von Erotik-Startups stehen auch vor einer weiteren Herausforderung: Die meisten institutionellen Wagniskapitalgeber schließen Geschäfte mit Pornografie in ihren Richtlinien aus.
Weder das eine noch das andere hat Denise Kratzenberg und Maximilian Horwitz vor zwei Jahren davon abgehalten, die Sexual-Wellness-Plattform Cheex zu gründen, einen Streamingdienst für fair produzierte Pornos, Audioinhalte und Aufklärung. Die Beiträge lässt das Berliner Startup teilweise exklusiv von externen Teams produzieren. Nach einem im April 2021 abgeschlossenen Seed-Investment im siebenstelligen Euro-Bereich, hat diese Woche auch die Unternehmerin und Moderatorin Tijen Onaran knapp 50.000 Euro in das Startup gesteckt.

Ein neues, befreites Bild von Sexualität schaffen – das ist sowohl die Gründungsidee als auch der Anspruch von Denise Kratzenberg und Cheex.
"Pornos und Sexualität dürfen nicht nur von Männern gedacht und gemacht werden – hier fehlt eindeutig der weibliche Blick", begründet Onaran ihr Investment ntv.de. Außerdem sei der Investorenzirkel bei Cheex bisher eher männlich als weiblich. "Hier möchte ich eben ein Zeichen setzen und das Thema nicht den Männern überlassen." Mit seinem Angebot richtet sich Cheex zwar nicht nur an Frauen. Mit 70 Prozent sind Nutzerinnen aber die Mehrheit der insgesamt 100.000 Abonnenten.
Cheex generiert einen siebenstelligen Umsatz
"Genau wie Männer, interessieren sich auch Frauen für ihre eigene Sexualität und Pornografie. Viele finden aber den Zugang dazu nicht, weil das Thema gesellschaftlich noch sehr schambehaftet ist", sagt Gründerin Kratzenberg ntv.de. Cheex stehe für Gleichberechtigung und die Plattform achte darauf, dass nicht nur der Mann im Fokus stehe, sondern auch die Lust der Frau anerkannt werde. Für authentische Pornofilme, Hörspiele und Workshops, in denen beispielsweise Analverkehr erklärt wird, zahlen Nutzer zwischen 9,90 und 14,90 Euro pro Monat.
Die Statuten, die Wagniskapitalgebern verbieten, in Pornografie zu investieren, findet Onaran nicht zeitgemäß. Schließlich müsse auch die Pornoindustrie ihre Perspektive ändern. "Ich fühle mich von anderen Plattformen überhaupt nicht angesprochen und möchte Filme und Hörbücher konsumieren, von denen ich weiß, dass sie inklusiv, divers und nachhaltig sind", sagt Onaran. Das Geschäftsmodell von Cheex könne durch ihr Investment in einer absolut männerdominierten Branche eine echte Veränderung bewirken.
Überzeugt haben Onaran nicht zuletzt die Zahlen der Firma: Pro Jahr generiert das Startup nach eigenen Angaben inzwischen einen siebenstelligen Umsatz. Dass sich mit Pornografie im Internet viel Geld verdienen lässt, ist kein Geheimnis. Schätzungen gehen von einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 35 Milliarden Dollar aus. Profitabel ist Cheex allerdings noch nicht. "Wir könnten ab morgen schwarze Zahlen schreiben, wenn wir wollten. Wir investieren aber gerade noch stark in Wachstum", sagt Kratzenberg. Das Startup werde aber in den nächsten Monaten die Gewinnschwelle erreichen.
"Sexualität betrifft jede*n. Deshalb verstehen Investor*innen die Nachfrage und das Produkt. Es ist nicht schwer, Leute von unserem Geschäftsmodell zu überzeugen", sagt Kratzenberg. Die Gründerin beobachtet einen Paradigmenwechsel in der Szene und geht davon aus, dass die strikten Richtlinien, die eine Investition von Wagniskapitalgeber bislang verbieten, schon bald aufbrechen.
Cheex kann nur schwer mit Pornhub mithalten
Dass Cheex bei der Suche nach Investoren ausschließlich auf Privatpersonen setzen kann, bremst das Startup allerdings nicht nur beim Wachstum, sondern es begrenzt auch die Höhe der Finanzierungsrunden. Denn im Gegensatz zu finanzkräftigen Fonds haben Business Angels oftmals weniger Geld zur Verfügung. In der Branche kämpfen alle mit den gleichen Schwierigkeiten. Anders als etwa bei den boomenden Blitz-Lieferdiensten, ist Kratzenberg allerdings davon überzeugt, dass viele Anbieter nebeneinander existieren können. "Cheex muss nicht zwangsläufig Marktführer werden, um erfolgreich zu sein."
Dieses Ziel dürfte ohnehin utopisch sein. Auf Pornhub, dem Marktführer für Erotikvideos, schauen Menschen im Jahr mehr als 100 Milliarden Videos. Ein Startup kann da nur schwer mithalten. Doch die Milliarden Aufrufe sind für Kratzenberg nicht unbedingt ein Erfolgsfaktor, ihr geht es nicht um die Masse.
Der große Unterschied zu anderen Anbietern sei, dass Cheex sein Angebot kuratiere. Das Startup achtet darauf, dass die Darsteller volljährig sind, fair bezahlt werden und alles einvernehmlich geschieht. Davon gebe es momentan derzeit noch nicht so viel. "Wir wollen gar nicht mit User-generated Plattformen wie Pornhub konkurrieren", sagt Kratzenberg. Das Produkt ziele darauf ab, dass die Nutzerinnen und Nutzer sich danach wohl mit ihrer eigenen Sexualität fühlen und sich Pornos ohne schlechtes Gewissen anschauen können.
Quelle: ntv.de