Wirtschaft

Fundament wird immer dünnerTrotz Riesen-Dax-Plus war es ein schlechtes Jahr für den deutschen Aktienmarkt

13.12.2025, 11:10 Uhr
imageVon Max Borowski
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Die Glocke läutet seit Jahren schon zu selten bei Neuemissionen. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Traumrendite des Dax in diesem Jahr kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der deutsche Aktienmarkt ein Problem hat: Es gehen zu wenige Unternehmen neu an die Börse. Deutschlands veraltete und verkrustete Unternehmenslandschaft schlägt sich auch am Aktienmarkt nieder.

Mit Blick auf das Kursplus im Dax scheint der deutsche Aktienmarkt glänzend dazustehen in diesem Jahr. Eine Steigerung von rund 22 Prozent kann der deutsche Leitindex bisher verbuchen. Das ist nicht nur eine Traumrendite, sondern sogar etwas mehr, als der führende US-Index, der S&P 500, bieten kann. Der deutsche Dax kann sogar mit dem vom KI-Boom in die Höhe getriebenen Technologieindex Nasdaq mithalten, der ebenfalls seit Jahresbeginn gut 22 Prozent im Plus liegt. Selbst der Dax-Kursindex, der wie die meisten internationalen Indizes Dividendenausschüttungen nicht berücksichtigt, weist für 2025 mit 19 Prozent ein außerordentliches Plus auf.

Ein anderer Indikator zeigt jedoch ein ganz anderes Bild vom Zustand des deutschen Aktienmarktes. Die entscheidenden Zahlen lauten 3 und 1,2 Milliarden. Nur drei Unternehmen gingen in diesem Jahr in Frankfurt mit Neuemissionen an die Börse. Sie gaben dabei Aktien im Wert von 1,2 Milliarden Euro aus. Das ist jeweils noch weniger als im ebenfalls schon schwachen Jahr 2024. Das geht aus der aktuellen IPO-Studie 2025 der Beratungsfirma Kirchhoff Consult hervor. Damit war 2025 das zweitschwächste Jahr für Börsengänge in Deutschland seit der Weltfinanzkrise 2008/2009.

Dabei boomen Börsengänge global. Laut Zahlen des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY stieg die Zahl der IPOs (englisch: Initial Public Offering) weltweit leicht von 1240 in 2024 auf 1259 in diesem Jahr. Das Emissionsvolumen legte noch deutlich stärker zu, um fast ein Drittel auf mehr als 160 Milliarden Dollar (knapp 140 Milliarden Euro).

Die deutschen Zahlen sind ein erneuter Tiefpunkt. Die Entwicklung der Börsengänge in Deutschland ist aber schon lange besorgniserregend schwach. Deshalb ist die Zahl der Unternehmen im Segment Prime Standard, aus dem sich auch die Indizes der Dax-Familie speisen, über die Jahre zurückgegangen. Es verlassen mehr Unternehmen die Börse, etwa durch Insolvenzen, Übernahmen oder den Wechsel zu anderen Handelsplätzen, als durch Börsengänge neu hinzukommen. So sind derzeit 262 Firmen im Frankfurter Prime Standard gelistet. 2007 vor der Weltfinanzkrise waren es über 400.

Während in die Aktien der Dax-, MDax-, und TecDax-Unternehmen immer mehr Geld fließt, wird das Fundament des deutschen Aktienmarktes somit immer dünner. Gründe dafür gibt es viele. Experten verweisen unter anderem auf eine vergleichsweise lockere Regulierung am US-Finanzmarkt und höhere bürokratische Hürden in Deutschland. Große Konzerne, aber auch Startups machen oft einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland und speziell in den USA, wo auch viele ihrer Investoren sitzen. Zahlen von EY zufolge ist nur noch etwa ein Drittel des Kapitals der Dax-Unternehmen in deutscher Hand.

Ein entscheidender und zugleich alarmierender Grund für die deutsche IPO-Misere liegt darin, dass es in Deutschland einfach zu wenige junge Unternehmen in den wichtigen Wachstumssegmenten der Wirtschaft gibt. Mehr als die Hälfte aller Dax-Konzerne ist älter als 100 Jahre und in klassisch deutschen Industriezweigen oder der Finanzbranche tätig. Bis auf wenige Ausnahmen wie SAP spielen deutsche Unternehmen im boomenden Tech-Segment kaum eine Rolle.

Das dürfte sich auf absehbare Zeit kaum ändern. Bei der Zahl von Unternehmensgründungen liegt Deutschland nicht nur hinter den USA, sondern auch hinter vergleichbaren europäischen Ländern weit zurück. Während sich die globale Wirtschaft rasant wandelt, "verkrustet und veraltet" hierzulande die Unternehmenslandschaft, stellte etwa Claus Michelsen, der Chefökonom beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller und ehemalige Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in einer Studie zum Rückgang der Gründungen fest. Diese Verkrustung schlägt sich auch am Aktienmarkt wieder.

Quelle: ntv.de

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