Gas strömt weiter in die EU Unbekannter Abnehmer hält Gazprom-Lieferung am Laufen
06.12.2024, 12:42 Uhr Artikel anhören
OMV, einer der letzten großen Käufer von russischem Erdgas in Europa, dürfte seit dem 16. November kein Erdgas mehr von Gazprom geliefert bekommen.
(Foto: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com)
Trotz offizieller Lieferstopps fließt weiterhin russisches Erdgas über die Slowakei nach Österreich. Experten vermuten, dass ein Teil davon für westeuropäische Unternehmen bestimmt ist. An der Börse steigt der Gaspreis derweil Richtung Jahreshoch.
Eigentlich erhält der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV seit dem 16. November um 6.00 Uhr kein Erdgas mehr vom russischen Energiekonzern Gazprom. Hintergrund ist ein Rechtsstreit über ausgefallene Gaslieferungen in Deutschland im Jahr 2022. Ein Schiedsgericht hatte der OMV im November Schadenersatz von 230 Millionen Euro zugesprochen. Daraufhin kündigte die OMV an, diesen Betrag von der monatlichen Gasrechnung abzurechnen – worauf Gazprom die Lieferungen einstellte.
Laut einem "Handelsblatt"-Bericht legen Daten des europäischen Ferngasleitungsverbands ENTSOG allerdings nahe: Auch 20 Tage nach dem Lieferstopp kommt in Österreich noch Pipelinegas aus dem Osten an. Da es sich inzwischen nicht mehr um bereits losgeschickte Restmengen handeln könne, müsse irgendjemand noch russisches Gas von Gazprom kaufen und somit die Gaslieferungen aufrechterhalten. Ansonsten hätte der Staatskonzern die Lieferung schließlich eingestellt.
Um wen es sich bei dem Abnehmer handele, ließe sich zwar nicht lückenlos nachweisen. Da an jeder Grenze, die das Gazprom-Gas durchquere, allerdings die Gasflüsse sichtbar werden, ließen sich zumindest Rückschlüsse ziehen. Die Haupttransportroute für russisches Erdgas verläuft über Pipelines durch die Ukraine und weiter über die Slowakei bis zum Gasknotenpunkt Baumgarten, der nahe der slowakischen Grenze im Osten Österreichs liegt. Während Deutschland schon seit September 2022 kein Gas mehr aus Russland erhält, bezog Österreich bis einschließlich Oktober dieses Jahres noch mehr als 80 Prozent seiner Erdgasimporte aus Russland.
Recherchen des "Handelsblatts" legen nahe: Zeitweise bleiben deutlich höhere Gasmengen in der Slowakei als zuvor. So lag die Gaslieferung aus der Ukraine an die Slowakei beispielsweise am 20. November nur ein halbes Prozent unter der Lieferung vom 15. November - vor dem Lieferstopp an OMV.
Experten gehen davon aus, dieses Gas fließe einerseits in Gasspeicher. Andererseits direkt an slowakische Haushalte. Gegenüber der Zeitung bestätigt der slowakische Energieversorger SPP zwar nicht, Gasmengen gekauft zu haben, die eigentlich für OMV bestimmt gewesen sind. Ein Unternehmenssprecher teilt allerdings mit: "Die Lieferungen für SPP erfolgen in Übereinstimmung mit unserem Vertrag und den bestellten Mengen." Eine kurzfristige Anpassung der Liefermenge schließe das laut "Handelsblatt" nicht aus. Dass noch immer die gleiche Menge durch die Ukraine fließe, obwohl ein großer Verbraucher die Abnahme von Gas eingestellt habe, zeige, dass in Europa nach wie vor ein großes Interesse an diesem Gas bestehe, teilt das Unternehmen mit.
In Österreich kamen laut dem Bericht am 20. November 22 Prozent weniger Gas an als am 15. November. Gasmarktkenner vermuten, ein westeuropäisches Unternehmen kaufe das Gas, das an der österreichischen Grenze ankommt. Bestätigen ließe sich das aber nicht. Kenner vermuten hinter dem Unternehmen einen Schweizer Rohstoffhändler wie Vitol oder Gunvor oder aber ein Gazprom-Tochterunternehmen wie Gazprom Italia oder Centrex.
Gaspreis steigt an der Börse Richtung Jahreshoch
Die Gasmengen, die Österreich in Richtung Italien, Deutschland oder Slowenien verlassen, haben sich laut dem Bericht im Vergleich zu der Zeit vor dem Lieferstopp an OMV nicht grundlegend verändert. Es sei also davon auszugehen, dass das Russland-Gas, das nicht in der Slowakei abgezweigt werde, in Österreich bleibe. Mit Jahresende läuft der Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine aus, spätestens dann wird das Pipelingas versiegen. Auch Gazprom geht in seiner internen Planung davon aus, dass ab 2025 kein Gas mehr über die Ukraine nach Europa fließen wird.
Der Markt bereitet sich derweil bereits auf ein mögliches Ende der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine vor. Zuletzt ist der Preis für Erdgas diese Woche in die Nähe des Jahreshochs gestiegen. Der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat wurde an der Börse in Amsterdam zeitweise mit 48,65 Euro je Megawattstunde (MWh) gehandelt. Damit fehlte nicht mehr viel zum höchsten Preis seit Ende des vergangenen Jahres, der im November bei 49,55 Euro erreicht worden war. Am Markt wurde das erhöhte Preisniveau zudem mit einem ungewöhnlich schnellen Abbau der Gasvorräte erklärt. Dies habe mit einer vergleichsweise kalten Witterung zu tun. Außerdem sei in den vergangenen Tagen nur wenig Windenergie erzeugt worden, was den Gasverbrauch zur Stromgewinnung erhöht habe.
Quelle: ntv.de, jki