Mini-Gebühren sind Geschichte "Verbot gefährdet Geschäftsmodell von Neobrokern"
08.07.2023, 12:29 Uhr Artikel anhören
Länder, in denen PFOF weit verbreitet sind, sollen das Verbot bis Juni 2026 umsetzen müssen.
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Eine Order bei Neobrokern wie Trade Republic oder Scalable hat bislang mit 0,99 Euro nur ein Bruchteil dessen gekostet, was bei der Konkurrenz fällig wird. Möglich wird das durch das Gebührenmodell Payment for Order Flow (PFOF). Dabei erhalten Broker Geld von Börsenbetreibern dafür, dass sie ihre Kundenorders an bestimmte Börsenplätze zur Ausführung weiterleiten. Doch damit könnte bald Schluss sein.
Die attraktiven Konditionen der Neobroker könnten bald Geschichte sein. Die EU will das sogenannte Gebührenmodell Payment for Order Flow (PFOF) verbieten. Wieso?
Margarethe Honisch: Die EU begründet ihr Verbot damit, dass das Modell intransparent ist. Bei einem klassischen Broker stehen Kunden, die eine Aktie kaufen wollen, verschiedene Handelsplätze zur Auswahl. Sie können den Kaufs- und Verkaufskurs einsehen und sich für den Handelsplatz mit dem besten Kurs entscheiden. Das ist bei Trade Republic und Scalable nicht möglich. Die Aktionärinnen und Aktionäre sind an einen Handelsplatz gebunden. Außerdem bemängelt Brüssel: Neobroker verleiten dazu, unbedacht zu traden.
Sind die Vorwürfe gerechtfertigt?

Margarethe Honisch ist Gründerin, Anlegerin und Finanzkolumnistin. 2017 startete sie die Finanzplattform Fortunalista, mit der sie Frauen dabei hilft, ihre finanziellen Ziele zu erreichen.
(Foto: picture alliance/dpa/Margarethe Honisch)
Es ist zumindest nicht komplett von der Hand zu weisen. Gerade bei Gamestop haben wir gesehen: Die Leute haben ohne Sinn und Verstand diese Hype-Aktien gekauft. Die Frage ist jetzt allerdings: Kann man das auf die Neobroker schieben? Vor 23 Jahren, bevor die Dotcom-Blase geplatzt ist, haben die Leute auch in alle möglichen Aktien investiert, bei denen ".com" dahinterstand. Das Verbot der EU halte ich trotzdem für fadenscheinig. Es ist auch deswegen wenig plausibel, weil ein Großteil der jungen Anleger in Aktienfonds und nicht in Einzelaktien investiert. Außerdem stützen Studien der Finanzaufsicht Bafin zur Auswirkung von PFOF die Vorwürfe der EU nicht.
Was hat die Bafin denn herausgefunden?
Die Bafin hat vor kurzem 30 Prozent der Transaktionen in Deutschland untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen: Für Kundenaufträge mit kleineren Volumen war die Ausführung mit PFOF überwiegend vorteilhaft. Erst bei hohen Transaktionsvolumen und niedriger Liquidität gab es Nachteile. Und bei Letzterem weiß man nicht einmal, ob die Ursache dafür überhaupt beim PFOF liegt.
Wer hat denn bislang von dem Modell profitiert?
Sowohl die Neobroker als auch die Anleger selbst. Das Geschäftsmodell von Trade Republic, Scalable und Co. basiert auf dem PFOF, sie haben sich dadurch finanziert und es geschafft, sich hochzuskalieren. Die meisten jungen Menschen nutzen heutzutage Neobroker, wenn sie ihr Geld anlegen wollen. Sie haben auch ganz klar von dem niedrigschwelligen Angebot profitiert.
Und was bedeutet jetzt ein Verbot für das Geschäftsmodell der Anbieter?
Grundsätzlich muss man feststellen: Das PFOF-Verbot gefährdet das Geschäftsmodell von Neobrokern. Wenn man sich allerdings anschaut, wie die Anbieter inzwischen aufgestellt sind, wird klar: Sowohl Trade Republic als auch Scalable haben in der Vergangenheit die hohen Zinsen intensiv genutzt und an ihre Kunden weitergegeben. Scalable Capital hat beispielsweise mittlerweile ein Abomodell und beide Broker verdienen auch durch die gestiegenen Zinsen Geld.
Welche Anleger trifft das Verbot am härtesten?
Mit dem Verbot nimmt die EU jungen Leuten, deren Rente nicht sicher ist, und Frauen, die vermehrt von Altersarmut betroffen sind, die Möglichkeit, sich abzusichern. Bei den unter 29-Jährigen hat sich die Zahl der Aktionäre von 2021 auf 2022 um 40 Prozent gesteigert. Im vergangenen Jahr sind außerdem mehr Frauen als Männer an die Börse gegangen. Wenn wir lieber diejenigen schützen, die mit fünfstelligen Summen jonglieren, verlieren wir die Kleinanleger aus dem Blick.
Marktbeobachter gehen davon aus, dass die großen Börsenplätze Stimmung gegen PFOF gemacht haben, weil die Neobroker für sie eine ernsthafte Konkurrenz geworden sein.
Ich kann mir schon vorstellen, dass Lobby-Arbeit dahintersteckt. Die Datenlage allein rechtfertigt ein Verbot nicht.
Können Neobroker denn nach dem Verbot noch mit klassischen Händlern konkurrieren?
Der Unterschied zwischen einem klassischen Broker und einem Neobroker ist gar nicht mehr so groß, wenn man die Auswahl des Handelsplatzes außen vor lässt. Die Kunden von Trade Republic, Scalable und Co. werden trotz des PFOF-Verbots den Neobrokern nicht den Rücken kehren. Sie haben ein Angebot und eine Struktur geschaffen, die es ermöglicht, schon mit einem kleinen Budget in den Aktienmarkt zu investieren. Das ist so bei vielen klassischen Brokern noch nicht möglich. Abgeschreckt durch das Verbot werden vor allem Leute, die jetzt neu in den Aktienmarkt einsteigen wollen. Diejenigen, die schon investieren, wird das nicht dazu veranlassen, den Broker zu wechseln. Die haben idealerweise nämlich schon bemerkt, dass diese Gebühren sich irgendwann auch relativieren.
Was wäre eine geeignetere Maßnahme gewesen?
Statt pauschal das Gebührenmodell zu verbieten, wäre es sinnvoller gewesen, sich im Detail anzugucken: Wen benachteiligt das Verbot überhaupt?
Mit Margarethe Honisch sprach Juliane Kipper
Quelle: ntv.de