Wirtschaft

Milliarden Dollar vernichtet Warum Peking die Börsenparty verdirbt

Didi hat Ärger mit Chinas Behörden.

Didi hat Ärger mit Chinas Behörden.

(Foto: REUTERS)

Chinas Führung geht gegen heimische Firmen vor, die in den USA an der Börse sind. Milliarden Dollar Börsenwert lösen sich deshalb in Luft auf. Doch es sieht danach aus, als werde Peking die Maßnahmen noch verschärfen.

Cheng Wei hatte allen Grund, kräftig zu feiern. Der Chef und Gründer des chinesischen Fahrdienst-Vermittlers Didi Chuxing hatte den Börsengang des Unternehmens Ende Juni in New York erfolgreich durchgezogen, Didi hatte dabei 4,4 Milliarden Dollar eingenommen und wurde zeitweise mit rund 80 Milliarden Dollar bewertet. Doch kurz darauf erschien ein schlecht gelaunter Überraschungsbesuch, der die Party abrupt beendete - Chinas nationale Cyberspace-Aufsicht CAC.

Sie verbot App-Stores in China, die Didi-App weiterhin zum Download anzubieten. Der Aktienkurs brach daraufhin um rund ein Viertel ein. Die offizielle Begründung der CAC: Datenschutz. Didi habe persönliche Nutzerdaten illegal gesammelt.

So heftig die Konsequenzen sind, völlig überraschend kam der Schritt nicht. Die Cyber-Aufsicht hatte Didi eine Verschiebung des Börsengangs nahegelegt. Die CAC hatte im April 30 Tech-Unternehmen, darunter Didi, um Auskünfte gebeten - eine deutliche Warnung. "Wir können nicht garantieren, dass unsere Angaben die Regulierungsbehörden zufriedenstellen", hieß es in Didis Börsenprospekt. Das Unternehmen ging trotzdem an die Börse - und wurde dafür von Peking abgestraft.

Die Führung des Landes geht seit längerer Zeit gegen große chinesische Technologiefirmen vor. Im November vergangenen Jahres hatte das Fintech Ant nach Druck der Behörden den Börsengang in Shanghai und Hongkong in letzter Minute abgesagt - es hätte der größte Börsengang bisher werden sollen. Ant, zu dem die in China im Alltag stark genutzte App Alipay gehört, war den Regulierern mit ihrem gigantischen Kreditgeschäft offenbar zu groß und zu unkontrolliert geworden. Ant ist das finanzielle Ökosystem des chinesischen Online-Giganten Alibaba, gegen den die Behörden ebenfalls vorgehen. Im Herbst 2020 war Alibaba-Gründer und Multi-Milliardär Jack Ma zeitweise aus der Öffentlichkeit verschwunden, nachdem er die chinesische Finanz-Regulierung öffentlich kritisiert hatte. Im Januar tauchte er wieder auf und kündigte an, sich noch mehr als bislang für wohltätige Zwecke einsetzen zu wollen.

Peking erzielt Wirkungstreffer

Hintergrund des Vorgehens etwa gegen Alibaba und Ant sind Bestrebungen der Führung der Kommunistischen Partei, den stark gewachsenen Einfluss privater chinesischer Tech-Firmen und ihrer Gründer auf die Wirtschaft der Volksrepublik einzudämmen - Präsident Xi Jinping sieht durch sie sowohl die finanzielle als auch die politische Stabilität gefährdet.

Die Bestrafung von Wei und Didi ist eine weitere Eskalationsstufe. Dabei geht es mittlerweile auch darum, Chinas Tech-Firmen vom US-Kapitalmarkt fernzuhalten - und der Schlag gegen Didi hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die ersten chinesischen Tech-Firmen haben ihre US-Börsenpläne auf Eis gelegt, darunter die Tiktok-Mutter Bytedance und der Medizin-Datendienstleister LinkDoc.

Derweil geht Peking gegen Unternehmen vor, die bereits in New York gelistet sind. Betroffen sind die Lastwagen-Vermittler Yunmanman und Huochebang sowie die Personalvermittlung Boss Zhipin. Die drei Unternehmen dürfen wie Didi keine neuen Kunden mehr annehmen.

Dabei geht es Chinas Führung nicht nur um Kontrolle. Sie fürchtet außerdem, dass im Ausland gehandelte chinesische Unternehmen von den dortigen Behörden gezwungen werden könnten, ihre wachsenden Datenmengen zur Verfügung zu stellen. Das will Peking unbedingt verhindern. Deshalb müssen sich chinesische Firmen mit Daten von mehr als einer Million Nutzern künftig einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen, bevor sie an einem Aktienmarkt im Ausland gelistet werden dürfen.

Zu der Angst vor dem, was mit den wachsenden Datenmengen chinesischer Technologie-Unternehmen im Ausland passiert, äußerte sich auch Wang Wenbin. Der Sprecher des Pekinger Außenministeriums hatte die USA Anfang Juli als "größte Gefahr für die globale Cybersicherheit" bezeichnet. Er warf den dortigen Behörden Datendiebstahl und Verletzung der Privatsphäre vor. "Es sind die USA, die Unternehmen gezwungen haben, Hintertüren zu installieren, und sich Nutzerdaten beschafft haben."

China verschärft Kontrolle

Deshalb beschränkt China auch das lukrative und von chinesischen Firmen gern genutzte Konstrukt, in den USA an die Börse zu gehen, die sogenannten VIE (Variable Interest Entities). Sie wurden vor rund zwei Jahrzehnten ins Leben gerufen, um die Beschränkungen ausländischer Investitionen bei chinesischen Firmen in sensiblen Branchen wie Medien oder Telekommunikation zu umgehen. Hierfür gründen Unternehmen einen Ableger in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands oder den Virgin Islands. Diese neue Firma wird zum alleinigen wirtschaftlich Begünstigten des Ursprungsunternehmens gemacht, welches das operative Geschäft weiterführt. Dieses Konstrukt erlaubt es Investoren, sich in chinesische Firmen einzukaufen, ohne auf eventuelle Beschränkungen ausländischer Beteiligungen Rücksicht nehmen zu müssen.

Bisher hatte die chinesische Regierung das stillschweigend akzeptiert, da Unternehmen der Volksrepublik damit Zugang zu ausländischem Kapital hatten. In den vergangenen zehn Jahren waren die USA für chinesische Unternehmen eine wichtige Finanzierungsquelle. Dem Daten-Anbieter Refinitiv zufolge wurde seit Beginn dieses Jahres bei insgesamt 34 Emissionen die Rekordsumme von 12,5 Milliarden Dollar eingesammelt. Im vergangenen Jahr waren es lediglich vierzehn Debüts mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Milliarden Dollar.

Künftig müssen chinesische Firmen eine staatliche Genehmigung haben, bevor sie mit einem solchen Konstrukt an die Börse gehen. Es sieht ganz danach aus, dass eine solche Erlaubnis eher die Ausnahme als die Regel sein wird.

Die Kursverschärfung Pekings hinterlässt bereits Spuren: Dem "Economist" zufolge schrumpfte nach dem Didi-Bann der Börsenwert der vier größten in Hongkong gelisteten Tech-Firmen - Tencent, Alibaba, Meituan und Kuaishou - an einem Tag um satte 60 Milliarden Dollar.

Quelle: ntv.de, mit rts

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