Wirtschaft

Investor Röhl zum Aktienmarkt Was sollen Anleger jetzt machen?

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So richtig viel Freude macht die Börse in lezter Zeit nicht.

(Foto: REUTERS)

Der Blick auf die Aktienmärkte ist derzeit sehr unerfreulich. "Wir erleben eine Kumulation verschiedener Krisenherde", sagt Christian Röhl im Interview mit ntv.de. Der Investor hält zwar weitere Rückschläge für möglich. Für Sparplan-Anleger hat er allerdings eine gute Nachricht.

ntv.de: Krieg in der Ukraine, Lockdowns in China, Rezessionssorgen, die Zinsen steigen - an den Börsen geht es seit Wochen steil abwärts. Ist der Boden in Sicht?

Christian Röhl: Das weiß niemand. Wir erleben nicht nur eine Krise, sondern eine Kumulation verschiedener Krisenherde, die miteinander zusammenhängen. Es fehlt ein positiver Katalysator. In der Corona-Krise war das anders. Da wusste man, dass an einem Impfstoff gearbeitet wird. Und man hoffte: Sobald dieser Impfstoff da ist, wird alles besser. Ein solcher Katalysator ist derzeit nicht da. Es reicht nicht, die Zinsen zu erhöhen, damit die Inflation schnell verschwindet. Ein Ende des Kriegs in der Ukraine ist nicht in Sicht. Wir sehen also keinen Boden, sondern eine Nebelwand.

Das klingt unerfreulich. Wie sind die Aussichten, dass sich dieser Nebel auflöst?

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Wir sind etwas schlauer, wenn die Unternehmen die Zahlen für das abgelaufene dritte Quartal vorgelegt haben. Die in Umfragen ermittelte Stimmung der Konsumenten ist ja seit Monaten rekordverdächtig schlecht. Dennoch haben viele Firmen für das erste Halbjahr ordentliche Zahlen präsentiert. In Kürze sehen wir, ob und wie sich die miese Stimmung in den Zahlen widerspiegelt. Eine eindeutige Antwort wird es aber nicht geben. Bei Industriekonzernen, die zunehmend mit hohen Energiekosten kämpfen, werden wir rückläufige Ergebnisse sehen. BASF hat ja schon einen Vorgeschmack gegeben. Anders sieht es bei Unternehmen aus, die bei den Konsumenten höhere Preise durchsetzen können - beispielsweise der Luxusgüterhersteller LVMH oder auch Pepsi.

Ein Hauptgrund für die Talfahrt an den Aktienmärkten ist die von den Notenbanken eingeleitete Zinswende. Sowohl US-Fed als auch EZB scheinen entschlossen, die Leitzinsen in diesem Jahr weiter nach oben zu schrauben. Wann hören sie damit auf?

Erst, wenn die Inflation deutlich und nachhaltig zurückgeht. Manche Beobachter argumentieren ja: Weil die Rezessionsrisiken weiter steigen, wird die Fed schon bald vor weiteren Zinserhöhungen zurückschrecken. Ich denke, man sollte aufpassen, dass man hier nicht zu optimistisch wird. Die Fed hat klargemacht, dass sie durchaus bereit ist, eine Rezession zu riskieren, wenn es der Geldwertstabilität dient.

Christian Röhl ist Investor. Zudem spricht er gemeinsam mit Horst von Buttlar im Podcast "Aktien fürs Leben" über alles, was an der Börse passiert.

Christian Röhl ist Investor. Zudem spricht er gemeinsam mit Horst von Buttlar im Podcast "Aktien fürs Leben" über alles, was an der Börse passiert.

Wie sollen Anleger reagieren? Augen zu und durch?

Es kommt darauf an, wie Anleger investiert sind und mit welchem Zeithorizont. Wer regelmäßig Geld zurücklegt - und derzeit muss man ja sagen: Wer Geld zurücklegen kann trotz steigender Energie und Lebenshaltungskosten - der sollte einfach seinen Stiefel durchziehen und weiter seinen hoffentlich günstigen und breit diversifizierten Fonds besparen, also etwa den klassischen Sparplan auf den MSCI Word. Das sollte unbedingt fortgeführt werden, gerade von jungen und mittelalten Menschen, die zum Erreichen ihrer Sparziele noch ein paar Jahrzehnte Zeit haben. Für die ist eine Phase, in der die Kurse durchhängen, gut. Sie bekommen für das gleiche Geld mehr Sparplan-Anteile und profitieren dann entsprechend, wenn es wieder aufwärts geht. Und irgendwann wird das passieren.

Und wenn man zu den älteren Menschen gehört?

Wer bereits ein Vermögen besitzt und auf die Rente zusteuert oder schon Rentner ist, sollte darauf achten, dass das Vermögen breit gestreut ist. Selbstverständlich gehören Aktieninvestments dazu und man kann da auch selektiv aufstocken. Aber jetzt ist nicht die Zeit, die kompletten Cash-Reserven zu mobilisieren, um damit am Aktienmarkt "All in" zu gehen. Dafür bräuchte es deutlich niedrigere Bewertungen oder klare technische Signale und beides sehe ich in der Breite nicht.

Wenn man jetzt zukaufen will: Bietet es sich an, auf einzelne Branchen zu setzen oder vielleicht auf Aktien von Unternehmen, die hohe Dividenden auszahlen?

Wir wissen doch alle nicht, was passiert. Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, möglichst breit gestreut zu investieren - nach verschiedenen Ländern, verschiedenen Branchen - und nicht einen Meinungsklumpen zu bilden und irgendeinem Trend hinterherzulaufen. Es gibt gute Argumente, in Energieträger zu investieren. Sowohl in Öl-, wenn man das mit seinen eigenen Nachhaltigkeitsmaßstäben vereinbaren kann, als auch in grüne Stromproduzenten. Das heißt aber nicht, sein ganzes Geld dort hinzuschieben. Streuung ist sehr wichtig. Vor allem in diesen Zeiten, in denen wir nicht wissen, welche weiteren Risiken plötzlich noch aufpoppen. Anleger mit einem breit investierten, aktiv gemanagten Fonds oder einem ETF sind gut bedient. Man kann auch bei sogenannten Neo-Brokern Sparpläne für einzelne Aktien abschließen. Wichtig ist dann allerdings, nicht nur wenige Aktien zu besparen. Auch hier gilt: Breit gestreut, nie bereut.

Sind Anleihen eine gute Ergänzung?

Bei Anleihen locken die Zinsen, insbesondere in den USA. Zweijährige Staatsanleihen rentieren im Bereich von vier Prozent. Klingt ja recht nett. Aber hier besteht ein Währungsrisiko. Derzeit ist der Dollar stark, und der Euro ist schwach. Aber Trends können sich auch umkehren. Man bekommt bei Anleihen eine feste Rendite. Aber mehr als dieser festgesetzte Ertrag wird es eben auch nicht. Ich habe damit keine Chance, mehr zu verdienen, um der Inflation zu entkommen.

Was halten Sie von Anleihen-Etfs?

Die sind ein strategisches Element für ein Depot. Aber man sollte sich klar darüber sein, auf was man mit diesem Element setzt, gerade bei langen Laufzeiten: darauf, dass die Zinsen nicht weiter in der gegenwärtigen Intensität steigen. Und wenn man Anleihen in Fremdwährung besitzt, wettet man darauf, dass der Euro nicht signifikant stärker wird.

Und Kryptowährungen?

Kryptowährungen - ich bevorzuge den Begriff "Digital Assets" - sind eine spannende Assetklasse, die gerade erst entsteht. Wer hier Potenzial sieht und seine Neugier auf technologische Entwicklungen mit Geld unterfüttern will, kann natürlich etwas beimischen. Aber Vorsicht vor allzu simplen Narrativen wie "Bitcoin schützt vor Inflation". Wir sehen ja gerade: Nur weil etwas limitiert ist, muss der Preis nicht automatisch stabil bleiben.

Mit Christian Röhl sprach Jan Gänger

Quelle: ntv.de

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