Wirtschaft

Donald Trump vs Boris Johnson Wer gewinnt im Handelskrieg der Populisten?

Donald Trump und Boris Johnson sind politische Doppelgänger. Aber in Handelsfragen könnte es zwischen beiden krachen.

Donald Trump und Boris Johnson sind politische Doppelgänger. Aber in Handelsfragen könnte es zwischen beiden krachen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der US-Präsident und der britische Premier versprechen ihren Wählern dasselbe: Handelsdeals, bei denen sie nationale Interessen auf Kosten ihrer Partner durchsetzen. Doch beim Freihandelsabkommen zwischen London und Washington werden sie wohl einlenken müssen - sonst wird es für beide peinlich.

Donald Trump und Boris Johnson haben sich in eine vertrackte Lage manövriert. Sie werden einiges Geschick brauchen, um aus dieser Situation als Sieger hervorzugehen. Der US-Präsident und der britische Premierminister haben sich mit ihrer nationalistischen Wirtschaftsrhetorik auf ein- und dasselbe Ziel eingeschossen: internationale Organisationen wie die EU oder die Welthandelsorganisation WTO, die den USA und Großbritannien angeblich mit Knebelverträgen ihre Souveränität rauben.

Doch nun treten sie erstmals nicht gegen blutleere Institutionen an, sondern gegen jemand, der die gleiche Strategie fährt. Beide wollen dem jeweils anderen in einem Freihandelsabkommen neue Zugeständnisse abpressen und so beweisen, dass bilaterale Deals besser sind als die multilateralen Verträge, die sie so verabscheuen. Der Konflikt ist deshalb nicht nur ein Duell der Populisten diesseits und jenseits des Atlantiks. Er ist auch ein Testfall für die Erfolgsaussichten des weltweiten Wirtschaftspopulismus.

"America First" oder "Take Back Control"?

"America First" hat Trump seinen Anhängern versprochen und behauptet: Raus aus der WTO, raus aus bestehenden Verträgen wie der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta, dann wird alles besser. Die Bilanz dieses Handelskriegs ist bislang äußerst bescheiden. Das Nafta-Abkommen mit Mexiko und Kanada hat er im Wesentlichen nur umbenannt. Die Verhandlungen mit China stocken trotz des massiven Zollkriegs mit Peking. Auch auf Stahl aus der EU hat Trump Strafzölle erlassen und droht Europa mit Autozöllen, doch Brüssel denkt ebenfalls nicht daran, nachzugeben.

Boris Johnson hat es Trump nachgemacht. Mit den Slogans "Take back control" und "Get Brexit Done" hat er die Briten aus der EU geführt. Nicht umsonst hat ihn der US-Präsident bei seinem Amtsantritt im Sommer "Großbritanniens Trump" genannt. Beide haben dieselbe Botschaft: "Wir werden mit all unseren Handelspartnern harte Verhandlungen führen", hat Johnson vor seiner Wahl im Dezember versprochen. "Und sind entschlossen, sie platzen zu lassen, wenn es im nationalen Interesse liegt." Bessere Jobs, höhere Löhne und niedrigere Preise in ganz Großbritannien - das sind die offiziellen Verhandlungsziele, die Johnsons Regierung ausgerufen hat. Dumm nur, dass all das ausgerechnet von jemand kommen soll, der seinen Fans das Gleiche versprochen hat.

Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel. Die USA sind nach der EU der zweitgrößte Exportmarkt für Großbritannien, das Königreich wiederum viertgrößter Handelspartner Washingtons. Der Wirtschaftsfaktor allein ist aber nicht das Entscheidende bei dem Deal: Selbst Johnsons eigene Regierung schätzt, dass er das langfristige Wachstum in Großbritannien bestenfalls gerade mal um 0,16 Prozent erhöhen könnte. Es geht mindestens ebenso darum, das Gesicht zu wahren und sich vor den Wählern als Gewinner präsentieren zu können.

London fürchtet die Invasion der Chlorhühnchen

Johnson hat im Wahlkampf versprochen, nach dem Brexit mit Handelsdeals "Großbritanniens Potential freizusetzen". Er hat zugesagt, "unsere hohen Umwelt-, Tierschutz- und Lebensmittelstandards nicht zu gefährden". Doch es gibt eine Reihe von Themen, bei denen ihm Trump nur allzu gerne die Butter vom Brot nehmen würde.

Die US-Regierung will nicht nur vollen Marktzugang für ihre Pharma- und Medizinfirmen durchsetzen und der britischen Seite eine Digitalsteuer für US-Internetgiganten wie Amazon, Facebook und Google ausreden. Sie will erstmals Chlorhühnchen und Hormonfleisch von US-Herstellern, die bislang in der EU verboten sind, nach Großbritannien einführen. Johnson wiederum will möglichst erreichen, dass Washington seine bisherigen Strafzölle auf Stahlexporte und schottischen Whisky aufhebt und London von etwaigen Autozöllen ausnimmt.

Johnson ist in der schwächeren Position: Großbritanniens Wirtschaft ist verglichen mit den USA ein wirtschaftlicher Zwerg. Schon Trumps Vorgänger Barack Obama hatte die Briten gewarnt, nach einem EU-Austritt müssten sie sich "am Ende der Schlange" für einen neuen Handelsdeal anstellen. Zudem steht Johnson unter Zeitdruck. Die parallel zu den Verhandlungen mit Trump laufenden Gespräche mit Brüssel über einen neuen Handelsdeal nach dem Brexit stehen kurz vor dem Scheitern. Eine nochmalige Verlängerung der Verhandlungsfrist hat Londons Unterhändler abgelehnt: "Wir werden am 1. Januar 2021 die Kontrolle zurückholen", hat Michael Gove am Freitag getwittert. Entweder gibt es also bis Jahresende ein Abkommen. Oder auf Großbritanniens Exporte nach Europa werden schon Anfang nächsten Jahres horrende Zölle fällig. Das schwächt Johnsons Verhandlungsposition gegenüber Washington.

In punkto Lebensmittel scheint der britische Premier deshalb bereits einzuknicken. London hat Anfang Juni vorgeschlagen, künftig Chlorhühnchen und Hormonfleisch zu importieren, wenn auch mit hohen Zollaufschlägen. Selbst einige Tory-Abgeordnete werfen Johnson daher vor, britische Standards für einen Deal mit Trump zu opfern. Doch auch der US-Präsident wird wohl Zugeständnisse machen müssen. Schließlich stellt er sich im November zur Wiederwahl und braucht bis dahin dringend einen Erfolg für seine "America First"-Politik. "Ich denke wir werden einen fantastischen und großen Handelsdeal mit Großbritannien machen", hat Trump angekündigt. Es wäre ziemlich peinlich für beide, falls das Abkommen scheitern würde. Damit das nicht passiert, müssten Trump und Johnson allerdings verstehen, dass Handelsverträge mühsam austarierte Kompromisse sind, von denen beide Seiten profitieren - auch wenn sie in Einzelfragen nachgeben.

Quelle: ntv.de

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