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Lobbyisten und Politik sei Dank Der nächste Lockdown naht

Eine lange Schlange von Kunden steht vor dem Eingang zu einem Modegeschäft in Frankfurt.

Eine lange Schlange von Kunden steht vor dem Eingang zu einem Modegeschäft in Frankfurt.

(Foto: imago images/Ralph Peters)

Die Pandemie setzt vielen Deutschen zu. Die Politik reagiert mit Lockerungen, obwohl die dritte Welle anrollt. Das ist verständlich - allerdings brandgefährlich.

Es ist absurd. Während die Corona-Zahlen in Deutschland steigen und die Pandemie wieder an Fahrt gewinnt, wird fröhlich Urlaub gebucht. Lobbygruppen fordern weitergehende oder gar vollständige Öffnungen - und die "Notbremse" wird angepasst. Statt auf eine schlimmere Infektionslage mit Schließungen reagieren zu müssen, wird die Grenze mancherorts nach oben verschoben.

So verständlich die Sehnsucht nach Normalität ist: Sie lässt sich nicht erreichen, indem man die Pandemie so weit wie möglich ignoriert. Jeder Interessenverband verlangt Lockerungen für seine Branche - und behauptet, aufgrund seiner Schutzmaßnahmen bestimmt kein Pandemietreiber zu sein. Die Realität sieht leider anders aus.

Nur ein Beispiel: Schon bei den "Click and Meet" genannten Terminvereinbarungen hapert es im Handel immer wieder. Da warten häufig viele Kunden dicht beieinander vor Filialen, um einkaufen zu können. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was los sein wird, wenn schnell komplett geöffnet wird.

Es ist wie so häufig: Lobbygruppen geben alles, um ihre Partikularinteressen durchzusetzen. Sie denken nicht an das Gesamtinteresse, die Allgemeinheit. Dafür sind sie da, das ist ihr gutes Recht. Das ist allerdings noch lange kein Grund für die Politik, den Rufen nach Lockerungen zu folgen. Ja, die Einschränkungen sind hart. Sie kosten Existenzen.

Die Politik versagt

Doch die Lösung darf nicht sein, schon jetzt weitgehend zu lockern. Der bisherige Verlauf der Pandemie hat das doch eindrucksvoll gezeigt: Lockerungen sorgen nicht nur dafür, dass sich mehr Menschen mit dem Virus infizieren und zum Teil daran sterben. Sie können auch der Wirtschaft schaden. Die dritte Infektionswelle rollt auf uns zu - je härter sie wird, umso heftiger werden die neuen Einschränkungen sein. Das wird auch die Unternehmen treffen, die jetzt von den Lockerungen profitieren. Und diejenigen, die noch immer geschlossen sind, werden noch länger dicht bleiben müssen. Planungssicherheit? Fehlanzeige.

Mit anderen Worten: Eine dauerhafte Erholung der Wirtschaft ist erst dann möglich, wenn die Pandemie im Griff ist - das heißt: Wenn die Bevölkerung durchgeimpft ist und die Ansteckungen niedrig sind. Weitere Lockerungen sind vorher nur zu verantworten, wenn entsprechend getestet wird. So schwer es auch ist: Bis dahin dauert es noch.

Und das liegt selbstverständlich an den politisch Verantwortlichen in Brüssel, in Berlin und in den Bundesländern. Ihre vollmundigen Ankündigungen wurden viel zu oft nicht eingehalten. Es ist frustrierend. Andere Länder impfen viel schneller. Mehr verfügbarer Impfstoff? Breit verfügbare, kostenlose Tests? Schnelle Auszahlung versprochener Hilfen? Eine funktionierende Corona-App? Fehlanzeige.

Die unsägliche Kakofonie, dieses ständige Hin und Her, diese Inkompetenz machen die meisten Menschen hierzulande mürbe. Wenn die Wut auf das kollektive Versagen der politisch Verantwortlichen zu groß wird, beschließen sie, vorschnell zu lockern - und die Pandemie damit zu verlängern. Deutschlands Corona-Strategie? Fahren auf Sicht und das Prinzip Hoffnung, irgendwann werde es schon besser.

Bundesregierung und Landesregierungen müssen endlich einen Weg aus der Pandemie zeigen. Sie müssen endlich für ausreichende Tests sorgen und unbürokratisches Impfen etwa in Arztpraxen ermöglichen. Es reicht nicht aus, ständig Geduld zu fordern. Sie müssen schnell die Rahmenbedingungen schaffen, in denen gelockert werden kann. Sie müssen liefern. Das ist nicht einfach. Aber das ist ihr Job. Dafür wurden sie gewählt.

Quelle: ntv.de

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