"Neuer Schlag mit der Zollkeule" Dow fällt unter 24.000 Punkte
06.04.2018, 22:45 Uhr
Störfeuer aus Washington: Unter Trump riskieren die USA einen handelspolitischen Konflikt mit China.
(Foto: AP)
An der Wall Street steht Börsianern kurz vor dem Wochenende eiskalter Schweiß auf der Stirn: Die Hoffnung auf gütliche Einigung im Handelsstreit mit China währt nur kurz. US-Präsident Trump facht die Sorgen neu an. Der US-Leitindex rauscht fast 600 Punkte in die Tiefe.
Nach drei Erholungstagen in Folge hat sich die Stimmung im New Yorker Aktienhandel erneut verdüstert: Kurz vor dem Wochenschluss weitete der US-Leitindex seine anfänglich moderaten Kursverluste immer weiter aus. Nervös verfolgten Händler, wie der Dow unter die psychologisch bedeutsame Marke von 24.000 Punkten fiel. Zeitweise notierte das Kursbarometer mehr als drei Protent im Minus.
Der Auslöser für den Stimmungsumschwung: Ermutigt von moderateren Töne zwischen den USA und China hatten US-Anleger zuletzt auf Verhandlungen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten gesetzt. Doch dann kündigte US-Präsident Donald Trump überraschend an, weitere Zölle auf chinesische Produkte zu prüfen. China erklärte daraufhin, man sei vorbereitet und werde ohne Zögern reagieren. "So wie wir Trump kennen, sollte man dies als Pokerspiel betrachten, bei dem er den Einsatz etwas erhöht hat", sagte Michael Arone vom Anlageberater State Street. Für die Kurse an der Wall Street ging es dennoch abwärts.
Der Dow-Jones-Index beendete den Freitagshandel mit einem Abschlag von 2,34 Prozent auf 23.932,76 Punkte, was auf Sicht der vergangenen fünf Handelstage ein Minus von 0,7 Prozent bedeutet. Von seinem Tagestief bei 23.738 Punkten, das der Dow rund eine Stunde vor Handelsschluss erreicht hatte, arbeitete der prominente Index, wieder etwas nach oben. Der sehr viel breiter gefasste S&P 500 gab am letzten Börsentag der Woche 2,19 Prozent nach auf 2604,47 Punkte. Auf Wochensicht ergibt sich daraus ein Minus von 1,4 Prozent. An der Nasdaq fiel der Composite-Index im Freitagsgeschäft um 2,28 Prozent auf 6915,11 Punkte. Der Nasdaq 100 verlor 2,45 Prozent auf 6433,21 Zähler. Er büßte damit im Wochenverlauf 2,2 Prozent ein.
Hinweis: Wie der Börsen-Tag in Europa lief, können Sie hier nachlesen.
Thema des Tages blieben - abgesehen vom Job Report und der Powell-Rede - die handelspolitischen Spannung mit der Volksrepublik China. Statt dass die USA Augenmaß walten ließen, habe Trump lieber "zum erneuten Schlag mit der Zollkeule ausgeholt", schrieb etwa Pia Ahrens von der BayernLB. Dabei verwies sie auf die Androhung zusätzlicher Strafzölle auf chinesische Warenimporte im Volumen von 100 Milliarden US-Dollar durch den US-Präsidenten.
China reagierte umgehend und kündigte "umfassende Gegenmaßnahmen" an. Am Arbeitsmarkt war der Beschäftigungszuwachs laut monatlichem Regierungsbericht ("Job Report") zwar hinter den Prognosen zurückgeblieben, doch zugleich entwickelte sich der Lohnanstieg wie erwartet. Thomas Altmann von QC Partners sprach daher von einer Entwicklung, die "den Geschmack vieler Anleger genau trifft". Denn "diese Kombination nimmt Druck von der Fed", sagte der Portfoliomanager mit Blick auf den Zinsanhebungskurs der US-Notenbank.
Angesichts der Sorgen um den freien Welthandel wurden konjunktursensible Aktien besonders stark belastet. Im Zuge der allgemeinen Marktschwäche konnte sich letztlich aber keine der 30 Aktien im Dow im Plus halten. Zu den Schlusslichtern zählten insbesondere die Anteile des Flugzeugbauers Boeing, die um 3,2 Prozent nachgaben. Für den Flugzeughersteller ist China ein wichtiger Markt. Auch die Kurse anderer Unternehmen, die ähnlich wie Boeing aufgestellt sind, gaben nach. So verloren der Baumaschinenhersteller Caterpillar 3,5 und der Landmaschinen-Hersteller Deere 3,9 Prozent.
Nachrichtlich standen vor allem die beiden Pharmaunternehmen Merck & Co und Incyte im Blickfeld. Sie erlitten mit einer Studie zur kombinierten Behandlung von Hauttumoren einen Rückschlag. Zu spüren bekamen dies aber vor allem die Aktien von Incyte. Während die Papiere des Riesenkonzerns Merck marktkonform um 2,2 Prozent nachgaben, brachen die der weitaus kleineren Incyte im Nasdaq-Auswahlindex um knapp 23 Prozent ein.
Für Amazon ging es im selben Index um 3,2 Prozent nach unten. Der weltgrößte Online-Handelskonzern war zuletzt erneut öffentlich von US-Präsident Trump attackiert worden. Investoren trennten sich unter anderem auch von Aktien der Zahlungsdienstleister. Dem "Wall Street Journal" zufolge denkt Amazon darüber nach, Direkt-Überweisungen mit Hilfe seiner digitalen Assistentin Alexa anzubieten. Die Titel von Square, PayPal, Visa, Mastercard und American Express gaben daraufhin zeitweise bis zu drei Prozent nach.
Unter den kleineren Werten machten die Papiere des Lebensmitteleinzelhändlers Supervalu ungeachtet der Gesamtmarktschwäche einen Sprung nach oben und legten um 9,3 Prozent zu. Wie "Bloomberg" aus informierten Kreisen berichtete, arbeitet Supervalu mit Beratern zusammen, um Verkaufsoptionen auszuloten.
Der Euro stieg im US-Handel weiter in Richtung 1,23 US-Dollar und wurde zum Börsenschluss an der Wall Street mit 1,2285 Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs auf 1,2234 (Donnerstag: 1,2260) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,8174 (0,8157) Euro. Am US-Rentenmarkt stiegen richtungsweisende zehnjährige Staatsanleihen um 16/32 Punkte auf 99 25/32 Punkte und rentierten mit 2,77 Prozent. Die 30-jährigen Bonds kletterten um 31/32 auf 99-18/32 und hatten eine Rendite von 3,021 Prozent.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts