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Der Aufstieg von 1Komma5Grad "Big Oil hat an unserem Tisch keinen Platz"

Für Philipp Schröder ist die Anschaffung einer Solaranlage ein absoluter No-Brainer.

Für Philipp Schröder ist die Anschaffung einer Solaranlage ein absoluter No-Brainer.

(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

So schnell wie 1Komma5Grad von Philipp Schröder hat zuvor kein Klima-Unternehmen den Einhorn-Status erreicht. Im Interview erzählt der Gründer, wie sein Cleantech-Startup die Energiewende beschleunigt, was er von den Klimaklebern hält und warum Shell keine Chance als Investor hatte.

ntv.de: Schon 23 Monate nach Gründung hat 1Komma5Grad kürzlich den Einhorn-Status erlangt. Geht das nicht ein bisschen zu schnell?

Philipp Schröder: Wir sind sehr schnell unterwegs, das stimmt. Kein anderes Cleantech-Startup ist in so kurzer Zeit zum Einhorn aufgestiegen wie wir. Die hohe Bewertung überfordert auch uns selbst von Zeit zu Zeit. Was uns von der Konkurrenz unterscheidet: Hinter unserem Geschäftsmodell steckt bereits ein profitables Handwerksgeschäft. Wir vereinen Handwerk und Hightech. Wir holen internationale Handwerksbetriebe in die Gruppe und implementieren unsere Software. Das macht die Betriebe noch effizienter und kostengünstiger.

Wäre Ihr Startup auch ohne die Energiekrise so schnell so erfolgreich geworden?

Klimafreundliche Technologie hat es Philipp Schröder angetan. Mit 28 Jahren hat er den Batteriespeicher-Spezialisten Sonnen gegründet. Zwei Jahre später hat Elon Musk ihn zum Deutschlandchef von Tesla gemacht. Jetzt will er mit 1Komma5Grad die Energiewende beschleunigen.

Klimafreundliche Technologie hat es Philipp Schröder angetan. Mit 28 Jahren hat er den Batteriespeicher-Spezialisten Sonnen gegründet. Zwei Jahre später hat Elon Musk ihn zum Deutschlandchef von Tesla gemacht. Jetzt will er mit 1Komma5Grad die Energiewende beschleunigen.

(Foto: Christoph Neumann)

Einerseits haben der Ukrainekrieg und die damit gestiegene Nachfrage der Kunden die Entwicklung auf dem Markt definitiv um fünf Jahre beschleunigt. Andererseits haben die Eingriffe auf dem Energiemarkt nicht nur viele Menschen verunsichert, sondern auch einen soliden und privatwirtschaftlich lebensfähigen Sektor unter Druck gesetzt. Durch die Regulierung und die politischen Eingriffe hat der Markt gelitten. Inzwischen haben sich die Strompreise zum Glück wieder normalisiert. Denn wir wollen ganz unaufgeregt wirtschaftliche Lösungen entwickeln, die nachhaltig besser sind als Öl- und Gasheizungen.

Die letzte Finanzierungsrunde soll stark überzeichnet gewesen sein. Etliche Investoren erhielten eine Absage. Unter ihnen auch Shell. Warum kam Shell als Investor nicht infrage?

Unsere Vision ist, dass jeder CO2-neutral leben kann. Big Oil hat an unserem Tisch keinen Platz. Für mich ist das Interesse von fossilen Unternehmen an Cleantech-Startups unglaubwürdig und sogar schädlich. Sollten wir irgendwann mal Öl-Geld nehmen, dann nur aus einer echten Notlage heraus und weil es sich gar nicht vermeiden lässt.

Was passiert mit dem Geld der Investoren?

Mit unserem Hauptinvestor der Finanzierungsrunde, G2VP, haben wir einen der renommiertesten US-amerikanischen Technologie-Investoren gewonnen. Die Runde ermöglicht es uns, einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in unser neues Entwicklungslabor für Klimatechnologie in Berlin und unser Team zu investieren und so unsere Softwarekapazitäten rund um unser Energie-IoT-System Heartbeat in den Bereichen Energiemanagement, Geräteanbindung und Vernetzung zu einem virtuellen Kraftwerk weiter auszubauen.

Ihr Startup bietet eine Rundum-Lösung aus einer Hand. Die kostet allerdings rund 50.000 Euro. Das kann sich doch nur ein Bruchteil leisten?

Ich kann verstehen, dass für etliche Menschen 50.000 Euro viel Geld ist. Wir haben allerdings den Anspruch, dass die laufenden Kosten inklusive Finanzierung immer günstiger sind als der Status quo. Das gilt sowohl für die Fotovoltaik, als auch für die Wärmepumpe. Mit der Vernetzung in den Strommarkt senken wir die Betriebskosten nachhaltig. Falls die All-in-one-Lösung die finanziellen Möglichkeiten unserer Kunden übersteigt, empfehlen wir immer alternative Lösungen und schauen uns an: Womit können wir beginnen?

Wie könnte ein Anfang aussehen?

Viele Kunden fangen mit einer Solaranlage an. Die produziert mit unserem Energiemanager Heartbeat zu sieben Cent pro Kilowatt Stunde Strom. Das zu finanzieren ist in jedem Fall günstiger als einfach weiter Strom aus der Steckdose zu ziehen. Wer will nicht über die nächsten 25 Jahre zu einem so günstigen Festbetrag CO2-freien Strom beziehen? Die Garantie geben wir. Für mich ist die Anschaffung einer Solaranlage ein absoluter No-Brainer.

Wie teuer ist eine Wärmepumpe?

Eine Wärmepumpe kostet in der Anschaffung zwischen 20.000 und 30.000 Euro. Der Clou ist aber: Mit unserem Energiemanager Heartbeat steuern wir unsere Wärmepumpen so, dass sie sich anschalten, wenn der Strompreis negativ ist. Erst vergangenen Sonntag lag der Strompreis bei minus 0,50 Cent. Das heißt, Kunden hätten ihre Wärmepumpe oder sogar die Klimaanlage laufen lassen können und dabei sogar Geld verdient.

Um Beratung und Service gerecht zu werden, kauft sich 1Komma5Grad bei Handwerksunternehmen ein. Warum opfern die Betriebe ihre Eigenständigkeit? Ihr Geschäft brummt doch ohnehin?

Die Unternehmen fasziniert unsere Strategie nicht nur, sie sind auch davon überzeugt. Uns eint die Annahme: Es macht keinen Sinn, Komponenten einzeln zu verkaufen. Die Betriebe, die sich uns anschließen, werden Miteigentümer. Das heißt, diese Betriebe tauschen die Probleme, die ein mittelständisches Unternehmen mit sich bringt, gegen eine Rückbeteiligung an unserem Unternehmen ein, das die Chance hat, einen echten europäischen Champion zu bauen, der auch nachhaltig die Energiewelt verändert.

Wie viele Handwerksbetriebe hat 1Komma5Grad inzwischen übernommen und wie viel wurde bislang in die Übernahmen investiert?

Wir haben bislang knapp 30 Betriebe weltweit übernommen. Einige davon haben Hunderte von Mitarbeitern. Wie viel Geld wir in diese Unternehmen investiert haben, dazu äußern wir uns nicht. Was ich allerdings sagen kann: Die Hälfte des Kaufpreises ist gebunden an Rückbeteiligungen. Und die Rückbeteiligung ist wiederum daran gebunden, dass die Betreibe drei Jahre in der Gruppe bleiben. Wir haben kein Interesse an Unternehmern, die ihre Firmen loswerden wollen. Wir sind vielmehr auf der Suche nach unternehmerischem Talent, das mit uns unsere Mission umsetzt.

Das erste grüne Einhorn Enpal bietet Solaranlagen zur Miete an – für einen schmaleren Taler. Wieso sollen sich Kunden trotzdem für Sie entscheiden?

Enpal fungiert in erster Linie als Finanzierungsdienstleister. Das Startup ist am Ende eher eine Bank und ein Proptech. Für sie ist die handwerkliche Leistung nur ein notwendiges Übel. Das ist nicht unser Ansatz. Unser Fokus liegt auf der handwerklichen Leistung, dem Fulfillment und der Logistik bis in die letzte Meile inklusive digitaler Vernetzung der Systeme zu einem virtuellen Kraftwerk und dem Service. Insofern sind sich Enpal und 1Komma5Grad erstaunlich unähnlich. Wir werden aber verglichen, weil wir die einzigen beiden Unicorns im Cleantech-Bereich sind. Wir glauben, dass für Kunden Qualität immer wichtiger wird und sie deswegen auf einen Partner setzen wollen, der glaubwürdig ist. Wir installieren, wir machen den Service und dann helfen wir Ihnen, mit unserer Software Ihre Kosten zu senken. Für CO2-Neutralität zu Hause. Und ob Sie das mit einer Bank finanzieren, ob Sie das Cash bezahlen, das ist für uns sekundär.

Wie realistisch ist das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch?

Unsere Philosophie ist: Ändere das, was du ändern kannst und labere nicht lange herum über Dinge. Wir helfen Menschen und Eigentümern dabei, Verantwortung zu übernehmen. Das heißt, das 1,5-Grad-Ziel steht ja für einen Kipppunkt, der so gefährlich ist, dass mir übel wird. Die Häme, die mit dem Gedanken ‚Das schaffen wir ja eh nicht‘ kommt, ist einfach nur traurig. Mit unserem Namen 1Komma5Grad wollen wir raus aus dieser politischen Diskussion und unseren Kunden helfen, ihr 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Nicht festkleben, einfach machen.

Apropos festkleben. Was halten Sie von den Klimaklebern?

Es ist immer schwer, pauschal über eine Gruppe von Menschen zu urteilen. Für mich persönlich kann ich aber sagen, dass sie der Sache nicht dienen. Als CDUler und Mitglied der Klimaunion bin ich der Meinung: Man kann Sinnvolleres machen, als sich auf der Straße festzukleben. Zum Beispiel kann man im Handwerk mithelfen oder sich bei Firmen einbringen, die an Technologie arbeiten. Klimakleber tun nur eins: Sie helfen der Polarisierung. Wir müssen daran arbeiten, dass jeder versteht, dass ein klimaneutrales Leben einfach besser ist. Und dafür muss es günstiger und besser und bequemer sein.

Bislang ist ein Börsengang für 2024 oder 2025 anvisiert. Wie steht’s um die Pläne?

Wir streben einen Börsengang an, weil wir gerne möchten, dass unsere Kunden auch Eigentümer werden. Wann der richtige Zeitpunkt ist, können wir noch nicht genau sagen. Wir glauben, es könnte vielleicht früher sein, als das manche annehmen. Es kommt natürlich auch aufs Kapitalmarktumfeld an.

Mit Philipp Schröder sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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