Interview mit dem DeepL-Gründer "Es sprechen viele Indizien für eine KI-Blase"
27.08.2024, 16:13 Uhr
DeepL ist Deutschlands wertvollstes KI-Startup. Die Bewertung liegt aktuell bei mehr als zwei Milliarden US-Dollar. Die Geschäftsidee ist so simpel wie komplex: DeepL übersetzt - momentan in 33 Sprachen und einer Qualität, die ihresgleichen sucht. Selbst große US-Konkurrenten wie Google Translate oder ChatGPT müssen sich strecken. "Die sind mit der Zeit immer besser geworden, wir aber auch", sagt Jaroslaw Kutylowski im ntv-Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich". Der DeepL-Gründer sieht auch Anzeichen für eine KI-Blase: "Ich habe in letzter Zeit immer wieder gehört, dass manche Hoffnungen nicht erfüllt worden sind."
ntv.de: Es hat viele Jahre gedauert, ein Interview mit Ihnen zu bekommen. Warum meiden Sie die Öffentlichkeit?
Jaroslaw Kutylowski: Wir haben uns sehr stark darauf konzentriert, das Produkt und die Technologie zu bauen. Zudem bin ich kein Mann der großen Bühne und finde: Wenn man sich auf etwas konzentriert, muss man sich auch stark darauf konzentrieren.

Der erste DeepL Translator wurde 2016 und 2017 von einem Team um Jaroslaw Kutylowski gebaut.
(Foto: DeepL)
Aber jetzt wollen Sie reden?
Jetzt, wo das Unternehmen eine gewisse Größe erreicht hat, ist man Bestandteil des Ökosystems, der Infrastruktur. Dann mache ich das gerne.
DeepL ist mittlerweile mehr als zwei Milliarden Euro wert und das wertvollste KI-Startup Deutschlands. Macht Sie das stolz?
Ein kleines bisschen schon. Ich schaue aber weniger auf diese finanziellen Kennzahlen, sondern mehr auf den Einfluss, den wir haben. Viele Menschen kommen zu uns und sagen: "Hey, unser Leben hat sich verändert! Wir können auf einmal auch ohne die besten Sprachkenntnisse erfolgreich in einer internationalen Firma arbeiten." Das motiviert mich mehr.
Das bedeutet aber auch eine große Verantwortung. Hunderte Millionen Menschen nutzen ihr Produkt. Auch Behörden und Journalisten. Ist Ihnen das bewusst?
Diesen Qualitätsanspruch haben wir seit dem Beginn von DeepL 2017. Wir waren immer darauf fokussiert, dass unsere Übersetzungen ein hohes Level erreichen und konstant halten. Es nützt ja nichts, wenn die Qualität in 80 Prozent der Fälle super ist, man sich in den restlichen 20 Prozent aber nicht darauf verlassen kann. Diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst.
Bei internen Tests mit Sprachexperten haben Ihre neuen Modelle besser abgeschnitten als die der Konkurrenz von Google oder ChatGPT.
Unsere Übersetzungsqualität war immer führend in dem Bereich. Das ist die Folge der Forschung, die wir vorantreiben, mit einem Fokus auf Qualität der Künstlichen Intelligenz.
Aber wie kann es sein, dass ein kleines Startup aus Köln das besser hinbekommt als Multimilliarden-Konzerne aus den USA?
So klein sind wir auch nicht mehr. Wir haben mehr als 1000 Mitarbeiter und sind sehr global. Man muss auch schauen, welchen Fokus die großen Konzerne und Tech-Unternehmen speziell auf diesen Bereich "Übersetzung" legen. Wir denken gerne, dass diese Konzerne allmächtig sind und unheimliche Ressourcen auf jedes Problem anwenden. Die müssen sich aber unterschiedlich vielen Problemen widmen. Ich glaube, es hilft uns sehr, dass wir aus Europa kommen. Wir haben eine Passion für Sprachen und tragen ein Verständnis für das Problem in unserer DNA.
Haben Sie keine Angst, dass Microsoft oder Google immer besser werden und Ihnen den Rang ablaufen?
Die sind mit der Zeit immer besser geworden, wir aber auch. Da bin ich mittlerweile recht zuversichtlich und selbstbewusst.
In einem Interview haben Sie zuletzt einen "Wendepunkt des KI-Booms" angekündigt. Unternehmen beginnen demnach allmählich, zwischen bloßen Hype-Produkten und sicheren, vertrauenswürdigen Lösungen mit echtem, unternehmerischem Mehrwert zu unterscheiden. Ist das eine Kampfansage an die Konkurrenz?
Das hören wir einfach von unseren Kunden und ist auch Teil eines Entwicklungsprozesses jeder Technologie: Am Anfang gibt es eine Hype-Phase, in der alle total begeistert sind. Am Ende muss man sich aber die Frage stellen: Welche reellen Probleme kann ich lösen? Wofür funktioniert es? Bei Übersetzungen sieht man konkret: In manchen Anwendungsfällen können Texte automatisch übersetzt werden. Andere Anwendungsfälle sind hochsensibel. Bei einem wichtigen Vertrag kommt also ein Mensch dazu und prüft oder verbessert die Übersetzung. Diese Abwägungen muss man bei jeglicher Art von KI machen. Wofür ist sie gut genug? Wofür reicht die Qualität? Wofür nicht? Tatsächlich habe ich in letzter Zeit immer wieder gehört, dass manche Hoffnungen nicht erfüllt worden sind.
Sehen wir gerade eine Blase bei der Künstlichen Intelligenz?
Ich würde mich zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich sage: Ich weiß es ganz genau. Viele Indizien sprechen für eine Blase. Die endgültige Antwort auf diese Frage überlasse ich Investoren und Marktanalytikern.
Welche Indizien zum Beispiel?
Eigentlich ist das ein natürlicher Zyklus bei der Entwicklung jeder Technologie. Man sieht immer wieder, dass nach dem anfänglichen Aufschwung doch irgendwann eine Phase der Ernüchterung kommt.
Mit Jaroslaw Kutylowski sprach Janna Linke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" anhören.
Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade der Startup-Szene? Janna Linke weiß es. Im Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" wirft sie jede Woche einen Blick hinter die Kulissen der Gründerszene und spricht über Themen, die gerade Schlagzeilen machen. Sie ordnet ein, hakt nach. Persönlich, ehrlich und mit einem echten Mehrwert. Dafür spricht sie mit Persönlichkeiten der Szene, Expertinnen und Experten und gibt euch den absoluten Rundumblick. Gemeinsam taucht ihr tief ein in die Startup-Welt.
"Startup - jetzt ganz ehrlich" - der Podcast mit Janna Linke. Auf RTL+ und überall, wo es Podcasts gibt: Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed
Quelle: ntv.de