Startup

Maschmeyer im Interview "Es wird zum großen Gründer-Gau kommen"

Carsten Maschmeyer dreht momentan für die neue Staffel "Die Höhle der Löwen".

Carsten Maschmeyer dreht momentan für die neue Staffel "Die Höhle der Löwen".

Die Corona-Pandemie trifft Startups besonders stark, weil sie oft kaum Rücklagen haben und selbst in guten Zeiten keine Gewinne machen. Im Interview mit ntv.de erklärt Star-Investor Carsten Maschmeyer, wie schlimm es um die Szene bestellt ist und warum viele Unternehmen trotz Rettungspaketen abstürzen werden.

ntv.de: Momentan wird die neue Staffel von "Die Höhle der Löwen" aufgezeichnet. Wie froh sind Sie darüber, mal dem Homeoffice zu entkommen?

Carsten Maschmeyer: Bisher war es mein Bestreben, so oft wie möglich nach Hause zu kommen. Ich habe mich immer gefragt: Wann bin ich endlich bei der Familie und nicht im Büro oder auf Geschäftsreisen? Inzwischen muss ich zugeben: So sehr ich meine Familie liebe und die gemeinsame Zeit genieße, ich habe mich auf die Aufzeichnungen gefreut und darauf, wieder Gründer und Investoren persönlich zu treffen.

Die Corona-Krise ist für junge Unternehmen eine existenzielle Herausforderung. Wie ist es um die Startup-Branche bestellt?

Mehr als zehn Jahre ging es für Startups nur nach oben: mehr Gründungen, mehr Umsatz, höhere Bewertungen, mehr Exits. Dieses Ökosystem droht jetzt zu kollabieren. Startups sind auf dem besten Weg, die größten Corona-Verlierer zu werden. Bei den jungen Unternehmen wird es massenhaft zu Insolvenzen kommen. Ich schätze, dass jedes zweite Startup pleitegehen wird. Es wird zum großen Gründer-Gau kommen.

Wie sieht es mit der Kapitalbeschaffung für Startups aus?

Investoren gehen mit der Krise ganz unterschiedlich um. Einige Venture-Fonds sind jetzt "Nicht-Könner", wenn es ihnen bislang nicht gelungen ist, das notwendige Geld für den Fonds einzusammeln. Somit können sie ihren Fonds nicht schließen und auch nicht investieren. Dann gibt es die momentan "Mittellosen". Das sind oftmals kleine Family Offices, die bisher einen Teil ihres Vermögens in die Startup-Szene investieren. Die leiden aber gerade an den Kursrückgängen an den Börsen, sie haben teilweise dort sehr viel Geld verloren. Dann gibt es einerseits noch die "Angsthasen", die sich entschließen, abzuwarten, bis alle Unklarheiten beseitigt sind, und andererseits die "Chancennutzer", die jetzt auf die Krisengewinner und potenziellen Post-Corona-Erfolgreichen setzen. Schlussendlich treiben die "Ausnutzer" den Gründern die Tränen in die Augen, weil sie die Finanznot der jungen Unternehmer ausnutzen und auf niedrige Bewertungen und unfaire Konditionen pochen.

Und wie halten Sie es? Investieren Sie zurzeit in neue Geschäftsmodelle?

Im April haben wir sowohl mit unserem Frühphasenvehikel seed & speed als auch mit unserem Wachstumsfinanzierer Alstin II jeweils einen Deal gemacht. Auch im Mai sieht es momentan so aus, dass wir mindestens in zwei weitere Startups investieren.

Eine Krise birgt auch rasante Aufstiegschancen. Inwiefern ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um ein Startup zu gründen?

In der letzten Krise, der Bankenkrise, sind Airbnb und Uber entstanden. Damals haben Menschen neue Einnahmequellen gesucht, und es ist die sogenannte "sharing industry" entstanden. Auch jetzt entwickeln viele Verbraucher und Konzerne eine Bereitschaft für Veränderungen. Damit werden sie offener für innovative Lösungen von Startups. Gründer können sich die Krise mit einer guten Idee auch jetzt wieder tatsächlich zunutze machen. Eine "Nice to have"-Idee wird allerdings nicht mehr zum Erfolg führen. In der Krise braucht es jetzt echte "Must have"-Ideen. Wir werden in Zukunft "digital total" sein. Gerade für ältere Menschen, die bisher noch große Berührungsängste mit dem Internet hatten, wird Amazon gerade zur neuen besten Freundin. Wir werden sehr viel mehr Online-Handel sehen. Alles, was im Moment ohne Berührung funktioniert, hat großes Potenzial, genauso wie Lieferdienste. Leider verlieren auch viele hochqualifizierte Menschen gerade ihre Jobs. Dieser Umstand und eine einhergehende Abfindung könnten ein zusätzlicher Gründungsimpuls sein.

Wie kommen junge Unternehmen ohne Rücklagen und ohne Gewinne halbwegs glimpflich durch die Krise?

Stark zurückgehende Umsätze und ausbleibende Geldgeber machen es vielen Startups nicht leicht. Gründer sollten sich jetzt nicht davor scheuen, ihre Angestellten in Kurzarbeit zu schicken. Das ist ein legitimes Mittel, und dafür muss sich niemand schämen. Startups können ihre Sozialversicherungsbeiträge stunden, wenn sie tatsächlich unter den Corona-Effekten leiden. Auch die Mehrwertsteuer kann gestundet oder sogar zurückgeholt werden. Gründer sollten auch ganz offen mit ihren Vermietern sprechen und nachfragen, ob die Miete für einen gewissen Zeitraum ausgesetzt werden kann. Auf der einen Seite müssen also Kosten gesenkt werden, um dann auf der anderen Seite zu überlegen: Womit kann in der Krise anderer oder zusätzlicher Umsatz gemacht werden?

Die Hoffnung vieler Jungunternehmer ruht auf dem Zwei-Milliarden-Euro-Schutzschirm der Bundesregierung. Zu Recht?

Die Regierung macht teilweise gute und teilweise katastrophale Arbeit. Die vollmundige Versprechung von zwei Milliarden Euro für Gründer ist bisher noch ein Flop. Denn ich kenne traurigerweise kein einziges Startup, das bislang Geld gesehen hat. Ich weiß aber um einige Jungunternehmen mit beeindruckenden Innovationen, die eindeutig nachvollziehbar brutalste Opfer der Corona-Krise sind, denen aber trotzdem ein Kreditantrag nach dem anderen von der KfW abgelehnt wird. Jetzt kam die Ankündigung, dass das Programm steht, aber keiner kennt noch die Kriterien. Der theoretische Rettungsschirm geht bisher immer noch nicht auf. Viele Startups werden deswegen abstürzen, obwohl sie die Innovationstreiber unserer Wirtschaft sind. Andererseits sollen gerade die Großkonzerne jetzt gerettet werden. Dabei haben die oftmals einen großen Innovationsstau entstehen lassen, weil sie nicht genug in Digitalisierung investiert haben. Dadurch haben sie mehr Gewinne gemacht und an die Eigentümer ausgeschüttet. Ich meine: Das ist verkehrte Welt!

Sie prognostizieren ein Startup-Sterben?

Wir haben überall in Deutschland tolle innovative Tech-Unternehmen mit deutschen Investoren, die auch eine Menge Arbeitsplätze schaffen, die aktuell einfach keine Hilfe bekommen. Deren Zukunft wird gerade aufs Spiel gesetzt. Ich bin im Moment sehr enttäuscht darüber, dass der x-te Blumenladen in einer Kleinstadt - bei aller Sympathie dafür - finanzielle Hilfe vom Staat bekommt, aber Startups mit tollen Technologieerfindungen, künstlicher Intelligenz, Data Analytics oder Robotics leer ausgehen. Schon jetzt hinken wir Amerika in diesen Bereichen um Lichtjahre hinterher. Und China wird uns auch noch abhängen. Es ist eine Schande, wie die Politiker im Moment noch mit der Zukunft der deutschen Gründer umgehen. Schon jetzt kommen neun der zehn größten Tech-Unternehmen aus Amerika, und die holen sich jetzt auch noch die vielen Top-Talente, die hier entlassen werden. Nutznießer in der Krise sind die großen internationalen Konzerne, Verlierer die deutschen Startups.

Was würden Sie sich für die deutsche Gründerlandschaft wünschen?

Behörden, die keine Mitarbeiter haben, die sich in der Startup-Szene fundiert auskennen, sollten nicht über die Vergabe von Geldern und damit über Fortbestehen oder Pleite eines jungen Unternehmens entscheiden dürfen. Es wäre mehr als fair, dass sich der Staat auch an Finanzierungen beteiligt, wenn sich Investoren dazu entscheiden, zusätzliches Geld in Startups zu stecken. Das sollen keine Geschenke sein, sondern spezielle Darlehen, die später zurückgeführt werden. Diese Unternehmensrettung ist auch Bankenstärkung. Denn statt Minuszinsen an die EZB zu zahlen, sind attraktive Darlehenszinsen für die Banken allemal besser.

Mit Carsten Maschmeyer sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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