Concours d‘Elegance Amelia Island - wo dem Blech gehuldigt wird
17.03.2019, 12:49 Uhr
Ein Bugatti, egal aus welcher Zeit, ist immer noch eine gute Wertanlage.
(Foto: Fabian Hoberg)
Bei den Concours-d'Elegance-Veranstaltungen wird das Auto zum Kunstobjekt. Beim zweitgrößten Oldtimer-Schönheitswettbewerb in den USA auf Amelia Island in Florida geht es aber erstaunlich locker zu.
Auf dem akribisch getrimmten Rasen des Golfplatzes parken Autos. Hunderte, sauber nebeneinander nach Dekaden oder Kategorien geparkt. Besucher schlendern um sie herum, schauen sich alle Details genau an. Ohne Neid, nur mit Neugierde. In Deutschland undenkbar, auf Amelia Island in Florida nun schon zum 24. Mal Tradition.
Der Amelia Island Concours d'Elegance hat im Vergleich zu anderen Oldtimer-Schönheitswettbewerben wie in Pebble Beach (Kalifornien) und Villa d’Este (Italien) eine noch kurze Geschichte. 1996 schauten sich rund 2200 Besucher 163 Oldtimer an. Drei Jahre später waren es bereits 8500 Besucher. Dieses Jahr kamen an drei Tagen mehr als 20.000 Besucher zu den verschiedenen Oldtimer-Veranstaltungen, davon rund die Hälfte am Sonntag zum Concours am Ritz-Carlton Hotel, um sich über 300 edle Oldtimer anzuschauen – für mindestens 100 Dollar Eintrittsgeld.
Wichtigster Schönheitswettbewerb in den USA
"Amelia Island etabliert sich immer mehr als hochrangige Klassikveranstaltung. Das zeigt sich an den hochwertigen und selten ausgestellten Fahrzeugen sowie an Versteigerungen großer Auktionshäuser wie RM Sotheby`s, Gooding & Company, Bonhams und Russo and Steele, bei denen wertvolle Fahrzeuge ihre Besitzer wechseln", sagt Frank Wilke, Oldtimer-Experte und Geschäftsführer von Classic Analytics, einem Unternehmen zur Marktbeobachtung und Bewertung von Oldtimern. Nach Pebble Beach zählt Amelia Island deshalb zu den wichtigsten Schönheitswettbewerben für Autos in den USA – und es ist der größte an der Ostküste.
Hier parkt viel Geld. Das Höchstgebot für einen SS Voyeur von 1927 lag bei einer Auktion bei 2,75 Millionen US-Dollar, ein Packard Speedster von 1930 ging für 1,8 Millionen US-Dollar (ohne Aufpreis) weg, ein Ferrari 275 GTS von 1965 für 1,3 Millionen US-Dollar und ein VW Typ 181 "Kübelwagen" für 53.000 US-Dollar. Doch auch, wenn die gezahlten Preise hoch sind: Im Gegensatz zur größeren Monterey Car Week, zu der auch der Concours in Pebble Beach zählt, ist die Atmosphäre in Florida deutlich lockerer.
VW feiert 70 Jahre Käfer
Mitte März scheint in Florida kräftig die Sonne, die meist älteren Herren tragen Jeans oder Bermudashorts, die wenigen Frauen luftige Kleider. Das Ganze ist nicht so überkandidelt wie in Kalifornien, wo die Besucher passend zu den Fahrzeugen gekleidet sind. Es riecht nach schweren Zigarren, süßem Parfüm und frisch geschnittenem Gras. Über aufgestellte Lautsprecher läuft im Hintergrund leise Jazzmusik. Beim Concours am Sonntag parken Vorkriegswagen neben US-Musclecars, Dragstern, Limousinen und Rennwagen.
VW feiert hier 70 Jahre VW Käfer in den USA mit mehreren seltenen Modellen, wie einem viertürigen Taxi-Käfer, dem "Wedding", ein Käfer mit einer Hülle aus Drahtgestell und dem Hebmüller-Cabrio. "Jedes Automobil hat sein Spitzenmodell. Beim historischen Porsche 911 ist es der seltene RS (Carrera RS). Beim VW Käfer ganz klar das Hebmüller-Cabrio", sagt Frank Wilke. "Es war das erste erschwingliche Traumauto nach dem Zweiten Weltkrieg und machte vielen Deutschen Hoffnung, dass das Leben besser wird. Das Hebmüller-Cabrio gilt deshalb unter anderem als Symbol für den Aufstieg aus den Trümmern", sagt Frank Wilke.
Preise steigen weiter
Unter den Käfer-Freunden zählt das Hebmüller-Cabrio zu den ganz besonderen Modellen. "Auch, wenn der Markt an wirklich zahlungsbereiten Interessenten sehr klein ist", sagt Frank Wilke. Die Preise stiegen bei gepflegten Fahrzeugen mit der Zustandsnote 2 vor etwa fünf Jahren von rund 60.000 Euro auf etwa 110.000 Euro. Heute haben Hebmüller-Cabrios mit der Note 2 einen Wert von etwa 145.000 Euro, perfekt restaurierte Autos mit der Zustandsnote 1 einen Wert von etwa 210.000 Euro.
Dafür gibt es die Fahrzeuge nicht zu kaufen, die nur wenige Meter weiter parken. Als Sonderschau stehen Porsche 962 Rennwagen auf dem Rasen und eine Vielzahl von historischen Rennwagen von Jacky Ickx. Der Belgier gewann unter anderem sechsmal die 24 Stunden von Le Mans, war europäischer Formel-2-Meister, Can-Am-Champion und gewann acht F1-Rennen. Zu seiner Feier kamen alte Weggefährten wie Jochen Maaß, Derek Bell, Brian Redman und Hurley Haywood.
Eine Show für Cargyus
Es ist keine Show der Hersteller, sondern der Carguys. Autohersteller wie BMW, Mercedes, Porsche und Infiniti halten sich mit ihren Ständen dezent im Hintergrund – auch das ist in Pebble Beach anders. Während am Samstag beim Cars and Coffee gepflegte Alltagsautos auf dem Rasen parken, stehen am Sonntag die Concours-Fahrzeuge mit blankpoliertem Blech, meist bis auf die kleinste Schraube perfekt restauriert. Die Besitzer präsentieren auf Amelia Island stolz ihre Fahrzeuge, sitzen auf Klappstühlen hinter ihrem Auto und stehen für Fragen bereit.
Einen Cord L-29 Brougham von 1930 kaufte sein Besitzer als zerfallenen Scheunenfund, restaurierte ihn über Jahre bis zum vollendeten Ausstellungsstück. Jedes Teil des ersten amerikanischen Autos mit Frontantrieb sieht perfekt aus, Holz und Leder zeigen keine Risse. "Es war viel Arbeit. Es hat aber auch Spaß gemacht zu sehen, wie etwas Neues aus Schrott entsteht", sagt Besitzer Shawn Coady. Von den etwa 5000 gebauten Autos existieren heute schätzungsweise noch zehn, seiner zählt zu den perfekt restaurierten Modellen. Für einen ersten Platz reichte es dennoch nicht.
Zu den beiden schönsten Autos wählte eine Fachjury einen Mercedes 540 K Autobahn-Kurier von 1938 und einen Ferrari 335S, beide von hoher Ingenieurs- und Handwerkskunst sowie schier zeitloser Eleganz. Auch wenn der Verbrennungsmotor wahrscheinlich in ein paar Jahren nicht mehr primäre Antriebsquelle bei Autos sein wird – in Oldtimern wird er überleben. Wenn auch nur auf dem Rasen eines Golfplatzes statt auf Asphalt.
Quelle: ntv.de