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Daimlers Zukunftsvisionen "Die ganze Welt wird elektrisch fahren"

Markus Schäfer, Chef der Konzernforschung der Daimler AG, ist sich sicher, dass die ganze Welt in absehbarer Zeit rein elektrisch fahren wird.

Markus Schäfer, Chef der Konzernforschung der Daimler AG, ist sich sicher, dass die ganze Welt in absehbarer Zeit rein elektrisch fahren wird.

(Foto: Daimler AG)

Die Elektromobilität scheint nicht mehr aufzuhalten und so haben sich auch die deutschen Autobauer positioniert. Wie die Entwicklung fortschreiten wird, ob die E-Mobilität das Klima retten kann und ob es auch in Zukunft Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geben wird - darüber sprach ntv.de mit dem Chef für Konzernforschung der Daimler AG, Markus Schäfer.

ntv.de: Herr Schäfer, wir betrachten die Elektromobilität immer als Klimaretter. Wenn man sich das Klima aber ansieht, muss man zugeben, dass es sich hier um ein globales Phänomen handelt. In Europa, allen voran in Deutschland, macht man daraus zunehmend ein regionales Problem und glaubt, wenn man hier nur noch mit E-Autos fährt, wäre die Gefahr gebannt. Wie steht Mercedes dazu?

Markus Schäfer: Sehr eindeutig. Wir haben unsere Ambitionen verkündet, dass wir bis 2039 in der gesamten Lieferkette weltweit und über den Lebenszyklus des Fahrzeuges CO2-neutral sein wollen. Dazu gehören auch unsere Lieferanten, mit denen wir global entsprechende Verträge schließen. Hinzu kommt, dass die Fabriken auf eine CO2-neutrale Produktion umgestellt werden, was ehrlich gesagt noch der einfachste Teil ist, weil wir das selbst in der Hand haben.

Gehört dazu auch der grüne Strom? Das Problem dabei ist ja, dass die Leitungen nicht unterscheiden, ob der Strom von Windrädern, aus einem Kohlekraftwerk in Polen oder einem Atomkraftwerk in Frankreich kommt.

Das stimmt. Deshalb haben wir unsere neue Fabrik in Polen gleich so aufgesetzt, dass wir den Strom von einem Windpark beziehen, der extra für Mercedes erweitert wurde. Der Plan ist, dass jede neue Industrieansiedlung, die wir machen, in Zukunft CO2-neutral sein wird. Das Gleiche gilt für die Batteriefabriken, egal ob die in Kamenz, Stuttgart, China und Osteuropa angesiedelt sind. Zudem müssen wir weiter in die Rohstoffketten gehen und hier für alle Materialien eine ebenfalls CO2-freie Produktion garantieren. So hat Mercedes zum Beispiel vor Kurzem mit dem Stahlhersteller SSAB einen Vertrag für die Lieferung von "grünem Stahl" unterzeichnet. All das hat natürlich auch Signalwirkung in der Branche.

Laut Markus Schäfer will Mercedes bis 2039 in der gesamten Lieferkette weltweit und über den Lebenszyklus des Fahrzeugs CO2-neutral sein.

Laut Markus Schäfer will Mercedes bis 2039 in der gesamten Lieferkette weltweit und über den Lebenszyklus des Fahrzeugs CO2-neutral sein.

(Foto: Daimler AG)

Am Ende müssen Sie aber immer noch Autos verkaufen. Andernfalls ist auch die "grüne" Produktionswelt nicht zu finanzieren. Und bei allem guten Willen können Elektroautos ja nur dort verkauft werden, wo die Infrastruktur da ist und der Markt es hergibt. Es gibt Länder in Südamerika, Afrika oder auch in Osteuropa, wo das Verlangen nach Elektroautos, um es mal vorsichtig auszudrücken, eher gering ist.

Ja, das sind eher die kleineren Märkte. Aber Sie haben recht, man darf das nicht unterschätzen. Wir führen aber auch Gespräche mit den Staaten, in denen wir industriell unterwegs sind, und da merken wir schon, dass die Elektromobilität eine weltweite Bewegung ist. Auch diese Länder wollen nicht zurückbleiben. Auch sie wollen elektrischen Nahverkehr, elektrische Busse. Natürlich gibt es bei der Entwicklung und bei der Umsetzung unterschiedliche Geschwindigkeiten, aber ich denke, die Richtung ist auch dort klar. Es wird beim Pkw in eine batterieelektrische Richtung gehen, und zwar für die ganze Welt.

Mercedes hat im Sommer seine Ziele von "Electric first" zu "Electric only" geändert. Das heißt ja nichts anderes, als dass der Konzern bis zum Ende des Jahrzehnts bei neuen Fahrzeugen nur noch auf rein elektrische Antriebe setzen wird. Heißt das auch, dass mit dem Verbrenner Ende des Jahrzehnts definitiv Schluss ist? Oder halten Sie sich da noch ein Türchen offen, falls China dann doch noch Verbrenner haben will?

Die kommende Palette der E-Autos von Mercedes zeigten die Stuttgarter auf der IAA Mobility in München.

Die kommende Palette der E-Autos von Mercedes zeigten die Stuttgarter auf der IAA Mobility in München.

(Foto: Daimler AG)

Es ist schon unser Ziel, auch in China die Zukunft aktiv mitzubestimmen. Insofern warten wir nicht auf die Regularien, die da kommen könnten, sondern sind entschlossen, unseren Weg hier fortzusetzen. Momentan haben wir Verbrenner, Plug-in-Hybride und wir hatten auch ein Wasserstofffahrzeug. Jetzt müssen wir uns industriell und technologisch fokussieren. Auch, um am Ende technologisch vor anderen Herstellern zu sein. Dazu ist es zudem wichtig, die finanziellen Mittel zu bündeln und sie nicht in kleinteiligen Maßnahmen zu verschwenden. Das bedeutet dann eben auch, dass man aus anderen Technologien konsequent aussteigt. Insofern wird es in Zukunft auch keine Investitionen mehr in Verbrennungsmotoren geben.

Also ist Technologieoffenheit ein Phantasma?

Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Für uns ist der effizienteste Weg, wenn grüner Strom in einem batterieelektrischen Fahrzeug in Vortrieb umgewandelt wird.

Könnten Sie sich vorstellen, mit anderen Herstellern zusammenzugehen, um eine Plattform für Verbrenner zu entwickeln, die Sie gemeinsam nutzen, um die Märkte weiter zu bedienen, die doch noch nach Verbrennern verlangen?

Nein, wir haben eine hochmoderne Verbrennerplattform, die wir gerade erst in der neuen S-Klasse präsentiert haben und die uns über die nächsten Jahre tragen wird. Das ist die MRA2-Plattform, die jetzt auch bei der neuen C-Klasse zum Einsatz kommt und die neben Verbrennungsmotoren auch den Einsatz von Plug-in-Hybriden möglich macht. Es braucht hier also keine weiteren Investitionen und so gesehen natürlich auch keine Partnerschaften. Wir sind in diesem Bereich ausinvestiert. Entwicklungsseitig und industriell ist das Geld hier ausgegeben. Einzig, dass diese Plattform jetzt ihr Geld verdienen muss.

Geld müssen Sie aber auch mit den Elektroautos verdienen. Wo setzen Sie denn hier die Begehrlichkeiten an, die potenzielle Käufer bewegen, in einen Mercedes zu steigen? Ihre Philosophie muss doch sein, dass der Mercedes-Fahrer in der Jugend in eine A-Klasse einsteigt, um am Ende seines Lebens aus der S-Klasse auszusteigen.

Wie der pure Elektro-Luxus aussieht, zeigte Mercedes auf der IAA Mobility in München mit der Studie des Maybach EQS.

Wie der pure Elektro-Luxus aussieht, zeigte Mercedes auf der IAA Mobility in München mit der Studie des Maybach EQS.

(Foto: Daimler AG)

Natürlich wird es auch bei unseren Elektroautos Beigaben und Unterschiede wie zum Beispiel einen zusätzlichen Spurwechselassistenten geben oder zusätzliche Sensoren, die es eben in den kleineren Modellreihen nicht geben wird. Dazu kann auch ein zusätzliches Kühlsystem der Batterie gehören, das am Ende ein schnelleres Laden ermöglicht. Es werden also die Komfort-Features sein, die auch weiterhin den Unterschied ausmachen. Natürlich wird sich auch die softwareseitige Aufrüstung zwischen den einzelnen Segmenten am Ende unterscheiden.

Wird es denn überhaupt weiterhin Kompaktwagen in den elektrifizierten Baureihen bei Mercedes geben, wenn Sie immer tiefer in den Luxusmarkt eintauchen wollen?

Wir werden auch weiterhin Kompaktwagen bauen, die ab 2024 auf der MMA-Plattform stehen. Insofern bleiben wir definitiv auch in diesem Segment. Selbstverständlich müssen wir uns das Portfolio anschauen und unsere Strategie entsprechend darauf ausrichten. Am Ende soll der typische Mercedes-Luxus dann aber auch dort abgebildet werden. Und das müssen ja nicht immer teure Materialien sein. Das können dann eben auch die schon erwähnten Features sein, die einfach nur das Fahren erleichtern. Fakt ist, dass wir den Beweis erbringen werden, was wir meinen, wenn es um Luxus in einem Mercedes geht.

Mit Markus Schäfer sprach Holger Preiss

Quelle: ntv.de

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