Kunstkonservierung in Florenz Eine Schönheitskur für Michelangelos David


Eleonora Pucci putzt den David regelmäßig.
(Foto: Andrea Affaticati)
Alle zwei Monate wird Michelangelos Jüngling einer Reinigung unterzogen. Eine Arbeit, die stundenlange, liebevolle Zuwendung fordert. Für die Restauratorin aber ist es jedes Mal ein neues faszinierendes Abenteuer.
Auf sechs Meter Höhe umgarnt Eleonora Pucci gerade den David von Michelangelo. Danach sieht es zumindest aus, wenn man die Szene beim Eintreten in die Galleria dell'Accademia sieht. Links und rechts vom Korridor stehen die Prigioni Spalier. Michelangelo hatte die Gefangenen für das Grab von Papst Julius II. gemeißelt, sie geleiten den Besucher zu Michelangelos Meisterwerk.
Es ist Montag, da sind die Museen in Italien geschlossen, und so ist es auch bei der Galleria dell'Accademia in Florenz. An diesem Tag werden all die Arbeiten durchgeführt, die unter der Woche, wegen der Besucher nicht gemacht werden können. Und zu diesen gehört auch die "Spolveratura" des Davids. Das Wort kommt von Polvere, Staub. Die Reinigung des Davids erfolgt alle paar Monate, und diesmal wurde die Auslandspresse eingeladen, der Reinigung beizuwohnen.
Die Locken und die kleinen Spinnen
Obwohl sich die Statue in einem geschlossenen Raum befindet, legt sich immer wieder Staub ab. "Und nicht nur der", sagt Pucci. "Besonders im Winter sind es auch Kleiderfasern. Kein Wunder bei den Hunderttausenden von Besuchern alljährlich." Und dann sind da noch die winzigen Spinnen, die sich "in seinem Lockenkopf besonders wohlfühlen", fügt sie lächelnd hinzu.
Pucci ist gebürtige Florentinerin und sehr zierlich. Bei der Arbeit trägt die Enddreißigerin einen weißen Overall, einen Helm und schultert einen kleinen Rucksack. Beim Näherkommen bemerkt man, dass der Rucksack ein Staubsauger ist. Insgesamt benötigt sie für diese Arbeit nur drei Instrumente. Neben dem Staubsauger ein paar Pinsel unterschiedlicher Größe und mit synthetischen Borsten und einen Fotoapparat.
"Die Kamera ist aus mehreren Gründen wichtig", fährt Pucci fort. "Mit den Bildern erstellen wir eine Art Patientenakte, die im Computer gespeichert wird. So können wir auch den Gesundheitszustand der Statue immer wieder mit den vorhergehenden vergleichen. Und außerdem können wir beim Ansehen der am Computer vergrößerten Fotos besser kontrollieren, ob wir nichts übersehen haben."
Am 8. August 1873 wurde der David von Piazza della Signoria hierher gebracht. Ein Unterfangen, das eine Mordsanstrengung für jene Zeiten darstellte. Der Großteil des Umzugs musste in der Nacht und den frühen Morgenstunden erfolgen, weil es sonst zu warm gewesen wäre.
Die Schätze der Accademia
"Die frühen Morgenstunden mussten auch jetzt bei der Reinigung der Glaskuppel über dem David genutzt werden. Sie besteht nämlich aus zwei Glasschichten, was die Reinigung sehr erschwert", erklärt Cecilie Hollberg. Die Deutsche Museumsdirektorin leitet seit 2015 die Galleria und es ist ihr zu verdanken, dass aus einem verstaubten Museum des 19. Jahrhunderts, das es bis vor kurzem noch war, ein modernes, helles, zum Verweilen einladendes geworden ist.
Ein Museum, in das man nicht nur geht, um den David zu bewundern, sondern auch die anderen Kunstschätze. Da sind, neben dem "Raub der Sabinerinnen" von Giambologna, die einzigartigen Altartafeln aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die Gemälde von Andrea del Sarto und dem Pontormo, und die neu eingerichtete Gypsothek Bartolini.
Dem Bildhauer Bartolini ist es zu verdanken, dass der David vor 150 Jahren in die Accademia gebracht und somit der Menschheit erhalten wurde. Die Qualität des Marmors, aus dem der Jüngling befreit wurde - um Michelangelos Vorstellung wiederzugeben, die Figuren seien im Stein gefesselt - war eher dürftig und hätte über die Jahrhunderte Witterung und Luftverschmutzung nicht widerstanden.
Die anstrengende Pediküre
An die fünf bis sechs Stunden arbeitet Pucci jedes Mal am David. Das Gerüst hat drei Arbeitsetagen. Die Arbeit beginnt auf Augenhöhe. Auf der mittleren Etage werden Rumpf und Becken gereinigt, und auf der niedrigsten, die muskulösen Beine bis hinunter zu den Zehen, wobei die Pediküre wieder besonders viel Zuwendung erfordert. Ist das nicht irgendwann auch sehr mühsam, immer an derselben Figur zu arbeiten, auch wenn's der David ist? "Nein" antwortet Pucci, für sie ist es jedes Mal aufs Neue ein Abenteuer.
Restauratorin wollte sie schon immer werden. Wie ein Blitz habe sie ein Besuch in den Ateliers der berühmten Florentiner Restaurierungsschule Opificio delle Pietre Dure getroffen. "Seitdem hatte ich nichts anderes mehr im Sinn." Nach der Matura besuchte sie also die Opificio Schule und die Kunstakademie. Seit vier Jahren ist sie jetzt staatliche Beamtin und zuständig für das Restaurierungsressort in der Accademia.
Dass sie sich eines Tages so intensiv mit dem David beschäftigen würde, hätte sie sich nicht träumen lassen. "Während ich ihn putze, spreche ich auch mit ihm. Ich möchte wissen, ob er sich von den Menschen verstanden fühlt." Schön wäre es natürlich auch zu wissen, was er von seinem erhobenen Blickwinkel aus, über die Welt heute denkt. Ist es besser, schlechter oder eigentlich genauso wie zur Zeit der verfeindeten politischen Lager der Guelfen und Ghibellinen?
Natürlich wird nicht nur der David so gepflegt und gehätschelt. "Das geschieht mit allen Werken", hebt die Direktorin Hollberg hervor. "Es ist nämlich wichtig, vorbeugend zu agieren, anstatt später einen Holzwurm in einem Gemälde zu entdecken."
Pucci klettert wieder hinauf aufs Gerüst. Wolken ziehen über die Glaskuppel. Und man möchte meinen auch der Gesichtsausdruck vom David verfinstert sich, aber nur einen Augenblick, gleich danach erhellt er sich und er zeigt sich in seiner überwältigenden Schönheit wieder.
Quelle: ntv.de