Kontrollierter LSD-Versuch "Ich habe mich eins mit dem Universum gefühlt"
13.12.2022, 18:48 Uhr
Ihr Bedürfnis nach weiteren Erfahrungen ist gedeckt, aber im Guten.
(Foto: Noe Flum)
Ein Trip für die Wissenschaft. Klingt erst mal gut, als Journalistin ist man ja per se neugierig und offen für vieles. Doch während andere ausprobieren, ob ein Faltenserum tatsächlich wirkt oder wie frau mit Extensions aussehen könnte, hat Anuschka Roshani sich auf eine wirklich abenteuerliche Reise begeben: Als sie erfährt, dass LSD auch als Mittel gegen Depressionen, Ängste und Süchte auf Wirksamkeit geprüft wird, begibt sie sich auf "den Trip". Was sie erlebt, schreibt sie genauestens auf. Sie bekommt eine Ahnung davon, wie die einstige Hippiedroge wirkt - nämlich durchaus befreiend -, sie erlebt aber auch Phasen der Unruhe. Am Ende jedoch steht die "euphorische Gelassenheit", die ihr ihre Trips beschert haben. Würde sie es wieder tun? Und empfiehlt sie anderen diese Erfahrung? Das erfahren Sie im Gespräch mit Anuschka Roshani und ntv.de.
ntv.de: Machen oder sein lassen?
Anuschka Roshani: Es kommt drauf an (lacht). Ich persönlich würde es niemandem empfehlen, der gesund ist, schon gar nicht in freier Wildbahn, also ohne Aufsicht. Wenn man allerdings eine psychische Vorerkrankung hat, dann sollte man darüber zumindest mal nachdenken, zusammen mit einer Gesprächstherapie. Man muss wissen, dass diese Erfahrung eine große, emotionale Wucht haben wird.
Worauf sollte man achten?
Dass das Setting stimmt. Sie müssen sich wohlfühlen und Vertrauen aufbauen. Die Bandbreite umfasst alles und geht von Traumidylle bis Horror. Ich hatte einfach sehr großes Vertrauen in das Spital in Basel, wo ich mich für diese Erfahrung hinbegeben habe.
Hatten Sie überhaupt keine Angst vor einem "Bad Trip"?
Ich hatte Respekt vor der ganzen Angelegenheit, aber wie gesagt, ich hatte Vertrauen gefasst und wusste, dass es auch eine Gegenspritze geben würde, wenn ich in Angst gerate. Ich war zu keinem Zeitpunkt panisch.
Neben der journalistischen Erfahrung - was haben Sie erwartet?
Ich hatte keinerlei Erwartung. Auch nicht, dass ich eine große Selbsterkenntnis erlangen würde, genauso wenig hatte ich als gesunder Mensch eine Heilserwartung. Ich habe nach dieser Erfahrung übrigens gar keine Lust, das zu wiederholen, mein Bedürfnis ist total gedeckt, aber im Guten.
Hatten Sie keine Angst, diese Art von Trip zu gut finden zu können?
Ich verstehe, was Sie meinen, aber ich bin überhaupt nicht drogenaffin, ich mag ja noch nicht einmal Alkohol (lacht). Ich verspüre keine Lust, einfach so für mich LSD zu nehmen, und ich rate davon auch eher ab. Im Therapiekontext: ja, einfach so: nein.
Wie sieht es mit anderen bewusstseinserweiternden Drogen aus?
In manchen psychologischen Zirkeln ist es durchaus noch chic, LSD oder Mushrooms zu konsumieren, um tiefere Einsichten über sich und sein Leben zu gewinnen. Ich hoffe, LSD und Psilocybin werden im medizinischen Kontext bald leichter zugänglich werden.
Wo sehen Sie, neben Depressionen und anderen Angsterkrankungen, weitere Einsatzmöglichkeiten?
Ganz klar in der Altersforschung. Ich glaube, dass begleitete LSD-Gaben die Angst vor dem Tod bei Sterbenskranken lindern könnten.
Zum Beispiel vor oder bei Alzheimer?
Ich denke, ja. Es ist für mich eine Horrorvorstellung, den Verstand zu verlieren. Der Mensch ist ja mehr als nur seine Gedanken, aber diese nicht artikulieren zu können, finde ich furchtbar. Sich davon frei machen zu können, stelle ich mir als Erleichterung vor.
Was ist bei Ihnen passiert, als Sie LSD genommen haben?
Ich bin tatsächlich ohne Erwartungen in die ganze Sache reingegangen, muss aber sagen, dass sich einige Knoten in meinem Kopf gelöst haben, fast wie auf Knopfdruck. Ich war aufgeregt vorher, nervös. Es geht um das eigene Bewusstsein, an das man sonst ja nie so richtig herankommt. Ich habe mich immer für einen Kopfmenschen gehalten und nun erfahren, was da alles noch in mir ist.
Hat die Erfahrung Sie verändert?
Ich weiß jetzt mehr über mich, ja, und ich weiß, was ich alles fühlen kann, aber ich bin deshalb nicht religiös oder mystisch geworden (lacht). Allerdings habe ich mich zum ersten Mal wirklich eins mit der Welt und dem Universum gefühlt, das war sehr schön. Klingt ein bisschen esoterisch, ich bin aber keine komplett andere Person geworden, nur vielleicht eine etwas entspanntere. Für mich hat die Neurobiologie gleichzeitig etwas Fantastisches und Gespenstisches, das geht mir bei der Wirkung von Schmerztabletten und Narkosen aufs Gehirn aber ähnlich.
Gibt es ein "Vorher-nachher-Gefühl" bei Ihnen?
Das schon, aber ich bin dadurch keine Lebensberaterin für andere Menschen geworden. Ich bin ganz klar ein Kind des Turbokapitalismus, alles musste immer noch schneller, höher, weiter gehen, ständig hatte ich die Uhr im Nacken. Nun habe ich eine andere, neue Leichtigkeit gewonnen. Das ist sehr schön. Ich habe für mich herausgefunden, dass ich nicht nur auf der Welt bin, um etwas zu leisten, sondern auch um zu genießen, zu staunen und mich zu freuen.
Eine Art Crash-Kurs in Achtsamkeit?
Na ja, man lernt, im Moment zu sein, die Welt mal wieder mit den Augen eines Kindes zu sehen, Momente der Selbstvergessenheit zu erleben. Auch, sich nicht so wichtig zu nehmen, auf der anderen Seite aber höre ich heute besser auf mich. Ich will ja weiterhin funktionieren, ich kann es mir aber trotzdem angenehmer dabei machen. Erinnern Sie sich daran, wann Sie das letzte Mal alles um sich vergessen haben?
Es sind auf jeden Fall nicht genug Momente, an die ich mich erinnern kann. Bitte noch mehr Beschreibungen der Gefühle, die Sie auf den Trips erlebt haben.
Klingt ein bisschen zu spinnert vielleicht, aber jeder Gedanke ist ein Gefühl, und jedes Gefühl ist ein Gedanke. Es hatte etwas Orientierungsloses, aber auf eine gute Art, ich war völlig frei von Parametern, ich flottierte durch mein Unbewusstes, ohne zu werten. Zum Glück hatte ich dabei keine Angst vor Nachwirkungen, im Sinne von Psychosen oder Schizophrenie.
Klingt jetzt doch sehr verlockend …
Ja, wenn man seine Gedanken und Gefühle nicht mehr festhält, sondern loslässt, ist das etwas sehr Befreiendes. Auch für Kontroll-Freaks (lacht). Aber man kann sich auch ohne diese Erfahrung seine Neugier zurückholen, andere Perspektiven einnehmen. LSD allerdings lässt dir keine Wahl: Wenn du es genommen hast, musst du mit dem Strom schwimmen, du kannst dich nicht wehren, guckst dir gleichzeitig beim Denken und aus der Ferne zu.
LSD war eine Weile weg vom Fenster und erlebt eine Art Renaissance …
Ja, das kommt aus der Nixon-Zeit, als sein "War On Drugs" alle Psychedelika-Forschung zunichtemachte, obwohl schon so vielversprechende Studienergebnisse vorlagen. Ich wünsche mir sehr, dass die Erforschung dieser Substanzen nun weitergeht und diese nicht länger öffentlich verteufelt werden. Denn wenn Kranke jetzt berechtigt hoffen können, dass ihre Schmerzen gelindert werden, ihre seelischen Nöte, dann muss an dieser "Droge" unbedingt weitergeforscht werden dürfen.
Mit Anuschka Roshani sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de