Agnes Karrasch ist "She Chef" Von der Praktikantin zur Spitzenköchin
01.06.2023, 18:03 Uhr Artikel anhören
In Agnes Karraschs Küche herrscht Gleichberechtigung und Respekt.
(Foto: Laura Ettel)
Zwei Jahre lang haben die Dokumentarfilmer Melanie Liebheit und Gereon Wetzel Agnes Karrasch auf ihrem Weg zur Spitzenköchin begleitet. "She Chef" zeigt, wie der Name vermuten lässt, nicht einen der unendlich vielen Protagonisten am Herd, wie wir sie in TV-Shows und in den Fresstempeln dieser Welt üblicherweise kennen, "She Chef" begleitet eine junge Frau auf ihrem Weg nach oben. Dabei ist den Filmemachern wichtig, dass die mittlerweile 30-jährige Karrasch aus ihrer Perspektive erzählt. So sehen wir eine junge Frau, die von der Praktikantin zur Sous-Chefin wird. Der Ton in der Küche scheint übrigens nicht mehr ganz so heftig zu sein: Für heutige Köche und Köchinnen ist Gleichberechtigung in der Küche so selbstverständlich wie gut geschliffene Messer, Respekt geht über Ausbeutung und 16-Stunden-Tage, Sexismus und Machtmissbrauch gehören der Vergangenheit an. Wenn Agnes Karrasch uns mitnimmt ins abgeschiedenste Zwei-Sterne-Restaurant der Welt auf den Färöer Inseln, dann wächst unsere Reiselust. Und der Appetit auf Fermentiertes. Oder Omas beste Suppe, für die Agnes Karrasch uns ihr Rezept gegeben hat.
ntv.de: Wie kam es zu dem Projekt, Sie bei der Arbeit zu begleiten und dann diesen wunderbaren Dokumentarfilm daraus zu machen?
Agnes Karrasch: Einer der beiden Produzenten, mein früherer Mitbewohner Thomas Herberth, wollte das schon sehr lange machen. Ich wollte das aber nicht (lacht). Er ist ein guter Freund, der meinen Werdegang schon im Restaurant "Steirereck" mitbekommen hatte, und er war ganz vernarrt in die Idee "Food and Feminism". Erst nach dem Abschluss der Lehre aber hatte ich das Gefühl, dass ich mit einem Team, das mich ständig begleitet, umgehen kann.
Weil?
Weil ich da wusste, wo ich als Köchin stehe und mich sehr viel sicherer gefühlt habe. Ich habe mich also überzeugen und begeistern lassen und es keine Sekunde bereut.
Im Film wird auch die "Pause", die Corona verursacht hat, thematisiert. Hatten Sie als junger Mensch in der Ausbildung, in der Lernphase, das Gefühl, dass Ihnen Zeit gestohlen wird?
Ja und nein. Damals war ich natürlich frustriert, weil ich das Gefühl hatte, das steht nun meiner Karriere im Weg. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass das nun mal mein Weg war, so wie er verlaufen ist, und ich bin immens dankbar für alles. Natürlich nicht für Corona an sich, aber aufgrund der Tatsache, dass ich nach einer Möglichkeit zum Arbeiten gesucht habe – und da das auf den Färöer-Inseln möglich war, bin ich zum Restaurant "Koks" gekommen. Das hätte ich sonst vielleicht nie entdeckt. Insofern war das für mich letztendlich ein glücklicher Umstand.
Und dort sind Sie auch noch …
Ja, ich bin vor einigen Wochen Sous-Chefin geworden und plane, erstmal im "Koks" zu bleiben.
Was gibt Ihnen das heimische Gefühl, das im Film so gut rüberkommt?
Es ist einfach eine kleine Insel, auf der ich da jetzt bin, mit einer Community, in der sich alle Nachbarn helfen. Man spürt, dass es eine Gesellschaft ist, die stark zusammenhält. Es gibt keine Kriminalität, alle lassen ihre Türen offen, und wenn einer mit dem Auto im See steckenbleibt (lacht), wie im Film gut zu sehen ist, dann helfen andere sofort. Man spürt einen Zusammenhalt von Tag eins: Sobald man angekommen ist, ist man ein Teil dieser Gemeinschaft. Alle sind freundlich und hilfsbereit, den letzten Mord gab es vor über 60 Jahren, und wenn man länger dort lebt, merkt man diesen Spirit.
Auch im Restaurant?
Ja, ich habe noch nie ein Team erlebt, das so respektvoll miteinander umgeht. Wir entdecken auch immer etwas Neues: Auf der einen Seite die färöischen Traditionsprodukte, fermentiertes Fleisch und Fisch. Auf der anderen Seite ist unsere Küche durch unsere Fermentationstechnik so speziell und spannend, dass es für uns Köche einfach sehr abwechslungsreich ist. Und zu guter Letzt ist es die Natur, die einen wahnsinnig entschleunigt.
Keine Clubs?
Doch, aber nur einen (lacht). Man verbringt seine Freizeit einfach anders, viele mehr in der Natur. Wir sind da ja alle so ein bisschen reingestupst worden. Rückblickend, ich bin jetzt im dritten Jahr dort, verschieben sich die Werte so ein bisschen.
Wie standen Sie am Anfang Ihrer Karriere der Sterneküche gegenüber?
Meine Kochkarriere habe ich ja in der Sterneküche begonnen, daher war das mein absolutes Ziel. Die nordische Küche kommt einem da entgegen, sie ist sehr reduziert und wir verwenden vieles, was um uns herum wächst oder was wir im und am Meer finden. Wir verwenden regionale und saisonale Produkte und achten sehr auf die Qualität. Und dann bringen wir all unsere Erfahrung da rein aus allen möglichen Restaurants auf der Welt, in denen wir gelernt und gearbeitet haben. Dann wird etwas Neues draus. Wir verwenden vor allem oft Dinge, die die Färöer nicht so häufig essen, wie Oktopus oder Seeschnecken.
Man bekommt das Gefühl, dass die Geschichte der Gastronomie auf den Färöern noch sehr jung ist.
Ja, das stimmt. Man geht auch nicht oft aus dort oder essen, das ist alles noch neu.
Wie weit sind Sie ausgebucht?
Momentan betreiben wir ja ein Pop-up-Restaurant in Grönland, da kriegt man noch einen Tisch (lacht). Auf den Färöer-Inseln bauen wir um, aber das wird wieder eröffnet.
Mich beeindruckt, wie viele Leute in einer Küche arbeiten und trotzdem alles Hand in Hand geht. Und dann ist mir aufgefallen, dass der Ton – egal, in welcher Station Sie gerade gefilmt wurden, also auch im "Vendôme" oder im "Disfrutar" – gar nicht so rau war, wie es immer heißt. Haben sich die Dinge zum Besseren gewendet, auch in Sachen Männer und Frauen am Edel-Herd?
Ja, auf jeden Fall. Wir befinden uns in einer Phase des Umdenkens. Da wächst eine Generation von Köchinnen und Köchen heran, völlig unabhängig vom Geschlecht, die nach anderen Bedingungen fragen und anders arbeiten wollen. Keiner hat mehr Bock auf diesen Hardcore-Style, das spürst du von allen Seiten. Wir haben das Glück, inzwischen selbst in Führungspositionen zu sein, und da machen wir Dinge anders als früher. Es gibt nicht nur "den einen Koch", wir arbeiten im Team und teilen unser Wissen, nur so werden wir besser. Die Gäste im "Koks" haben uns tatsächlich darauf angesprochen, dass man einen anderen Vibe spüren kann. Ich denke, das ist die Zukunft.
Mit Agnes Karrasch sprach Sabine Oelmann
Ein Rezept von Agnes Karrasch, das sie an ihre Kindheit erinnert: die bodenständige, preußische Bohnensuppe ihrer Großmutter.
Zubereitung
1. Das Tafelspitz in Rindsfond aufkochen und 2 bis 3 Stunden simmern lassen, bis es beim Anstechen von der Fleischgabel rutscht.
2. In der Zwischenzeit das Gemüse putzen. Sobald das Fleisch fertig ist, geht es weiter.
600 g Tafelspitz
200 g grüne Bohnen (in 1 bis 2 cm lange Stifte schneiden)
50 g Zwiebel in feine Würfel
200 g Wurzelgemüse (Karotten, Sellerie) in 1 × 1 Zentimeter großen Würfeln
200 g Kartoffeln in 1 × 1 Zentimeter großen Würfeln
15 g frisches Bohnenkraut, gezupft (5 g getrocknet)
2–3 TL mittelscharfer Senf
2–3 TL Balsamico
250 ml Sahne
5 l Rindsfond
3. Das Fleisch abkühlen lassen.
3. In einer Bratpfanne das Wurzelgemüse und die Kartoffeln leicht anrösten, die Zwiebeln hinzugeben und mit anschwitzen.
4. Nun den Rindsfond mit Sahne aufkochen, 30 Minuten köcheln lassen, mit dem Stabmixer aufmischen.
5. In der Zwischenzeit das Fleisch ebenfalls in Würfel schneiden.
6. Alles Gemüse und das Fleisch sowie Bohnenkraut zur Suppe geben und für 45 bis 60 Minuten simmern lassen.
7. Mit Senf und Balsamico abschmecken.
Quelle: ntv.de