Mehr als 100 Vermisste in Indien 14 Tote nach verheerender Gletschersee-Überflutung
05.10.2023, 11:13 Uhr Artikel anhören
Bei der Sturzflut im Norden Indiens fluten Wassermassen die Straßen.
(Foto: picture alliance/dpa/Indian Army/AP)
Im Nordosten Indiens läuft ein Gletschersee nach heftigen Regenfällen über. Die ausgelöste Sturzflut trifft das nahegelegene Tal. Mindestens 14 Menschen sterben, rund 100 werden vermisst, teilten die Behörden mit. Die Rettungsarbeiten dauern an.
Bei der verheerenden Überflutung eines Himalaja-Gletschersees im Nordosten Indiens sind mindestens 14 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 100 Personen werden vermisst.
Nach heftigen Regenfällen war ein Gletschersee im Bundesstaat Sikkim im Himalaja über die Ufer getreten und hatte eine verheerende Sturzflut ausgelöst. Auch der Fluss Teesta schwoll durch den Regen stark an. Am Lhonak-See brach durch den Starkregen ein natürlicher Damm aus Geröll. Der Dammbruch setzte riesige Mengen Wasser frei, die auf dem Weg ins Tal Häuser und Brücken mitrissen und "schwere Zerstörungen" anrichteten, wie die Regionalregierung von Sikkim mitteilte.
Die Behörden erklärten, 14 Brücken wurden von den Wassermassen weggespült. Auch mehrere Dörfer seien überschwemmt worden. Eine Autobahn sei beschädigt, in Teilen des betroffenen nordöstlichen Bundesstaats Sikkim sei das Mobilnetz unterbrochen worden. Rund 3000 Reisende aus anderen Landesteilen seien durch das Naturereignis in der Region gestrandet. Unter den Vermissten befinden sich nach Angaben der Armee 22 Soldaten. Ein Soldat konnte demnach gerettet werden, teilte die Armee mit.
Behörden von Sikkim riefen Anwohner auf, nicht in die Nähe des Flusses zu gehen. Die Schulen in Teilen des Bundesstaats sollten bis Ende der Woche geschlossen bleiben, berichteten örtliche Medien. Unter anderem postete die indische Reporterin Pooja Mehta für den Online-Channel Zee News auf X ein Video der Verwüstungen im Tal. Auf Satellitenbildern der indischen Weltraumbehörde war zu sehen, dass der Lhonak-See über Nacht um fast zwei Drittel seiner Größe geschrumpft war - was der Fläche von etwa 150 Fußballfeldern entspricht.
"Die Suchmaßnahmen finden bei unablässigem Regen und schnell fließendem Wasser im Fluss Teesta statt. Vielerorts sind Straßen und Brücken weggespült", schrieb ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bei X. Sikkims Regierungschef Prem Singh Tamang sagte, Rettungskräfte seien im Einsatz, um die von den heftigen Überschwemmungen betroffenen Menschen zu unterstützen. Indiens Premierminister Narendra Modi sicherte den Betroffenen "jede mögliche Unterstützung" zu.
Gletscherseen überfluten immer häufiger
Der Lhonak-See liegt am Fuße eines Gletschers nahe des Kangchenjunga, des dritthöchsten Berges der Welt. Die betroffene Region liegt in der Nähe der Grenze zu Tibet und Nepal. Wegen des Klimawandels und des damit einhergehenden Temperaturanstiegs schmilzt das Eis vieler Gletscher schneller. Gletscherseen treten daher immer häufiger über die Ufer. Klimaforscher warnen vor einer zunehmenden Gefahr durch derartige Überschwemmungen im gesamten Himalaja-Gebirge.
Weil an den kommenden beiden Tagen mehr Regen in der Region erwartet wird, warnen Meteorologen vor Erdrutschen und Unterbrechungen im Flugverkehr. Bereits in den vergangenen Monaten sind in Bergregionen in Indien, Pakistan und Nepal zahlreiche Menschen durch sintflutartige Regenfälle, Überflutungen und Erdrutsche gestorben. "Das ist leider die jüngste einer Reihe von Sturzfluten mit Todesfolgen in dieser Monsun-Saison in der Hindukusch-Himalaja-Region. Das zeigt die extreme Anfälligkeit des Gebiets für den Klimawandel sehr deutlich", sagte Pema Gyamtsho vom International Centre for Integrated Mountain Development in Nepal.
In Indien kommt es während der Monsunzeit häufig zu heftigen Überschwemmungen. Sie beginnt für gewöhnlich im Juni - im Oktober sind die heftigsten Regenfälle in der Regel vorüber. Experten gehen davon aus, dass der Klimawandel die Häufigkeit und Schwere der Niederschläge verstärkt. Auch Sturzfluten aus Gletscherseen sind durch den Anstieg der globalen Temperaturen und das Schmelzen des Eises häufiger geworden.
Quelle: ntv.de, rwe/dpa/AFP/rts