Bewaffnete schießen um sich Mindestens 60 Tote bei Anschlag in Moskauer Konzerthalle
22.03.2024, 18:57 Uhr Artikel anhörenIn einer Konzerthalle bei Moskau schießen mehrere Bewaffnete um sich. Mindestens 60 Menschen kommen dabei ums Leben, mehr als 145 werden verletzt. Das Gebäude gerät in Brand, das Dach droht einzustürzen. Zahlreiche Menschen sollen im brennenden Gebäude eingeschlossen sein.
Bei dem bewaffneten Angriff in einer Konzerthalle in Moskau sind nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB 40 Menschen getötet worden. Mehr als 100 weitere seien verletzt worden, hieß es in einer Erklärung. In der Nacht stieg die Zahl der Toten auf 62. Das Gesundheitsministerium der Moskauer Region sprach in der Nacht von 145 Menschen, die in Krankenhäuser gebracht worden seien. Weil die Rettungs- und Polizeieinsätze vor Ort noch liefen und das Gebäude in Flammen stand, könnten die Zahlen aber noch deutlich ansteigen. Unter den Verletzten seien auch mindestens acht Kinder, heißt es.
Mehrere Bewaffnete in Tarnkleidung schossen in der Konzerthalle Crocus City Hall in der Region Moskau um sich. Nach Behördenangaben wurden nach Schüssen und einem Brand weitere Explosionen gemeldet. Das russische Zivilschutzministerium teilte mit, dass das Gebäude, in dem auch die Konzerthalle mit Tausenden Sitzplätzen ist, auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern in Flammen stehe. Bisher gelinge es nicht, das Feuer zu löschen. Auch Löschhubschrauber sind im Einsatz.
Russlands zentrales Ermittlungskomitee nahm ein Verfahren wegen eines mutmaßlichen Terrorakts auf. Laut dem unabhängigen russischen Medium "Important Stories" schließen die Ermittler die Beteiligung der Ukraine oder des Islamischen Staats aus. Das berichtete die Online-Zeitung unter Berufung auf eine den Ermittlern nahestehende Quelle.
Bei den Opfern soll es sich sowohl um Mitarbeiter als auch um Besucher der Crocus City Hall in Krasnogorsk unweit der Moskauer Stadtgrenze handeln. Sondereinheiten der russischen Nationalgarde sind vor Ort. Laut der Agentur Interfax handelt es sich um zwei bis fünf Angreifer. Nach Medienberichten sollen vier der Täter geflohen sein.
Auf Videos in sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie die Angreifer Menschen massenweise erschießen. Es sind auch zahlreiche Leichen zu sehen, die im und vor dem Gebäude liegen. Auf Fotos und Videos sind an dem berühmten Gebäude lodernde Flammen zu sehen und eine riesige Rauchwolke. Das Dach soll eingestürzt sein. Die Lage ist unübersichtlich.
Kiew: Haben "absolut nichts mit diesen Ereignissen zu tun"
Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich nach Kremlangaben "seit der ersten Minute" über die Geschehnisse informieren lassen. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Maßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow Interfax zufolge. Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. "Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten", schrieb sie auf Telegram.
Das russische Außenministerium nannte den Angriff ein "blutiges terroristisches Attentat". "Die gesamte Weltgemeinschaft muss dieses verabscheuungswürdige Verbrechen verurteilen", schrieb Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa bei Telegram.
Die US-Regierung sprach von furchtbaren Bildern aus Moskau. Man sei in Gedanken bei den Opfern. Washington zufolge gibt es gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ukraine in den Angriff verwickelt sei. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sagte in einem auf Video auf Telegram, die Ukraine sei nicht an dem Anschlag beteiligt gewesen. "Lassen Sie uns klarstellen, dass die Ukraine absolut nichts mit diesen Ereignissen zu tun hat", sagte Podoljak. Für die Ukraine sei es "wichtig, effektive Kampfhandlungen, offensive Aktionen vorzunehmen, um die reguläre russische Armee zu zerstören" und die vor rund zwei Jahren begonnene Invasion zu beenden.
Die "Legion Freiheit Russlands", eine in der Ukraine ansässige Gruppe kremlfeindlicher russischer Kämpfer, die regelmäßig bewaffnete Vorstöße in russische Grenzregionen unternimmt, bestritt ebenfalls jegliche Beteiligung an dem Angriff. "Wir betonen, dass die Legion nicht gegen russische Zivilisten kämpft", erklärte die Gruppe auf Telegram und beschuldigte das "Terrorregime" von Kreml-Chef Wladimir Putin, diese "blutige Provokation" sowie die "Berichterstattung in den Medien" darüber "vorbereitet" zu haben.
US-Botschaft warnte vor Anschlägen
Die US-Botschaft in Russland hatte vor zwei Wochen vor möglicherweise bevorstehenden Anschlägen von Extremisten in Moskau gewarnt. Die Botschaft überprüfe Berichte, wonach Extremisten planten, demnächst große Menschenmengen, auch Konzerte in Moskau, ins Visier zu nehmen, hatte die diplomatische Vertretung am 8. März auf ihrer Internetseite geschrieben.
Zahlreiche westliche Botschaften warnten daraufhin ihre Bürger vor möglichen Angriffen und forderten sie auf, nicht nach Russland zu reisen. Kurz zuvor hatten russische Sicherheitsdienste erklärt, sie hätten eine geplante Attacke auf eine Synagoge durch eine Zelle des afghanischen Arms des Islamischen Staats vereitelt. Der Kreml hatte die Warnungen als Provokation des Westens bezeichnet.
Dutzende Menschen sollen sich im brennenden Gebäude befinden
Ein Korrespondent von RIA Nowosti berichtete, dass das Feuer in dem Gebäude ausbrach, nachdem die Angreifer eine Granate oder Brandbombe geworfen hatten. Nach Angaben des Telegram-Kanals Baza befanden sich zwischenzeitlich bis zu 100 Personen in dem in Flammen stehenden Gebäude. Einige Menschen konnten sich demnach im Untergeschoss in Sicherheit bringen, andere wurden durch das Feuer im vierten Stock abgeschnitten. Die Agentur RIA meldete, dass etwa 100 Personen aus dem Keller in Sicherheit gebracht worden seien.
"Im Konzertsaaal Krokus hat sich heute eine schreckliche Tragödie ereignet", schrieb Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin auf Telegram. "Mein Beileid gilt den Angehörigen der Opfer. Ich habe Anweisung gegeben, all jenen, die bei dem Vorfall zu Schaden gekommen sind, jede erforderliche Hilfe zukommen zu lassen." Der Bürgermeister ordnete an, alle Sport-, Kultur- und sonstige Massenveranstaltungen in Moskau an diesem Wochenende abzusagen.
Der Angriff ereignete sich vor dem Konzert der russischen Rockgruppe Piknik. Die Bandmitglieder waren Berichten zufolge noch nicht auf der Bühne und wurden nicht verletzt.
Quelle: ntv.de, jpe/uzh/AP/dpa