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"Reine Selbstüberschätzung" Anästhesist muss nach Tod von Patientin lange in Haft

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Der 78-jährige Angeklagte wurde zudem mit einem lebenslangen Tätigkeitsverbot belegt.

Der 78-jährige Angeklagte wurde zudem mit einem lebenslangen Tätigkeitsverbot belegt.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Eine 59-Jährige mit Rückenschmerzen will vor einer Behandlung auf eigenen Wunsch sediert werden. Dann kommt es offenbar zu einer ganzen Reihe vermeidbarer Fehler. Die Frau fällt ins Koma und stirbt kurz darauf. Das Berliner Landgericht verurteilt nun den verantwortlichen Anästhesisten.

Wegen des Todes einer Patientin ist ein Berliner Anästhesist zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Berlin sprach den 78-Jährigen der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Außerdem wurde er mit einem lebenslangen Tätigkeitsverbot belegt.

Die 59-jährige Patientin war Ende Januar 2020 wegen eines Rückenleidens bei einem Orthopäden in Berlin-Kreuzberg in Behandlung. Der Anästhesist wurde hinzugezogen, weil die Patientin auf eigenen Wunsch sediert werden sollte. Allerdings bestanden laut Gericht besondere Risiken, weil die adipöse Frau auf dem Bauch behandelt wurde.

Es sei nach Überzeugung der Kammer erkennbar gewesen, dass es zu einem Atemstillstand kommen könnte, sagte die Gerichtssprecherin. Der Anästhesist habe die Frau nicht im Vorhinein über Risiken aufgeklärt und auch keine Einverständniserklärung eingeholt. Zudem habe der Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts die Körper- und Vitalfunktionen der Patientin nicht ausreichend kontrolliert.

Tochter guckte durch Schlüsselloch

Tatsächlich erlitt die 59-Jährige während der Vollnarkose einen Atemstillstand und einen dadurch verursachten Herzstillstand, was zu einem toxischen Hirnschaden führte. Erst nachdem die Tochter der Patientin, die das Geschehen durch ein Schlüsselloch beobachtete, um Hilfe rief, kamen weitere Ärzte dazu, die die Frau reanimierten und einen Notruf absetzten. Die Frau wurde ins Krankenhaus gebracht und fiel ins Koma. Drei Monate später starb sie an einer Lungenentzündung infolge einer Infektion unter anderem mit Covid-19.

Das Gericht habe betont, dass es sich nicht um einen Unglücksfall handelte, so die Sprecherin. Vielmehr habe der Angeklagte "aus reiner Selbstüberschätzung" medizinische Standards nicht eingehalten und erkennbar gegen bestehende fachärztliche Regelungen verstoßen.

Angeklagt war der Mann wegen Körperverletzung durch Todesfolge. Das Gericht zog aber auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes durch Unterlassen in Betracht. Grund war, dass der Angeklagte die alarmierten Notärzte nicht darüber informiert hatte, dass bereits ein Wiederbelebungsversuch stattgefunden habe, so die Sprecherin. Hier sei aus Sicht der Kammer aber kein Vorsatz nachgewiesen worden. Zudem habe der Hirnschaden vermutlich schon vorgelegen, als die Rettungskräfte eintrafen.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten plädiert. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt.

Quelle: ntv.de, mdi/AFP

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