Prozess um Tod von George Floyd Angeklagte beschuldigen sich gegenseitig
12.09.2020, 00:40 Uhr
George Floyd starb im Mai im Rahmen eines Polizeieinsatzes.
(Foto: REUTERS)
Die ersten Anhörungen vor dem Prozess gegen vier Polizisten, die für den Tod des Afroamerikaners George Floyd verantwortlich sein sollen, machen deutlich: Das Verfahren wird kompliziert. Die Anwälte der Angeklagten fordern erst eine Verlegung des Verfahrens, dann soll alles ganz anders gewesen sein.
Im Verfahren um den Tod des Afroamerikaners George Floyd in Polizeigewalt zeichnet sich ein schwieriger Prozess nach der großen Aufmerksamkeit für den Fall und der weltweiten Protestwelle an. Verteidiger der vier angeklagten Polizeibeamten beantragten bei einer Anhörung in Minnesota, den Prozess in eine andere Stadt zu verlegen, wie US-Journalisten aus dem Gerichtssaal berichteten. Das solle die Suche nach unvoreingenommenen Geschworenen erleichtern, argumentierten die Anwälte. Diskutiert wurde auch darüber, ob die Identität der Geschworenen geheim gehalten werden soll - etwa zumindest bis zum Protestende.
Der auf mehreren Videoaufnahmen festgehaltene Tod des 46-jährigen Floyd in Minnesota hatte heftige Proteste in den USA und anderen Ländern ausgelöst. Ein Verkäufer hatte die Polizei wegen des Verdachts gerufen, dass Floyd mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt habe. Auf den Videos ist zu sehen, wie Floyd bei der Festnahme verwirrt agiert, von Platzangst spricht und sich nicht in ein Polizeiauto setzen lässt.
Der weiße Polizist Derek Chauvin hatte ihm mehr als acht Minuten lang sein Knie in den Nacken gedrückt, obwohl der 46-jährige Familienvater mehr als 20 Mal klagte, er bekomme keine Luft. Chauvin wird des "Mordes zweiten und dritten Grades" sowie des Totschlags beschuldigt. Chauvins ehemaligen Kollegen Alexander Kueng, Thomas Lane und Tou Thao wird Beihilfe zur Last gelegt.
Schon vor der Anhörung hatten die Verteidiger getrennte Prozesse gegen die Polizisten beantragt, unter anderem, damit diese sich dabei nicht gegenseitig belasten. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist das ausgeschlossen: "Alle vier Angeklagten arbeiteten zusammen, um Floyd umzubringen: Chauvin, Kueng und Lane fixierten Floyd mit dem Gesicht nach unten. Indem Thao die Menge davon abhielt, einzugreifen, ermöglichte er den anderen Angeklagten, ihre Positionen zu halten. Die Angeklagten diskutierten und koordinierten ihre Handlungen während des gesamten Zwischenfalls."
"Überdosis exzessiver Gewalt"
Doch die Verteidiger sehen das ganz anders. Die von Kueng und Lane sagen, ihre Mandanten seien Anfänger unter Chauvins Kommando gewesen. Der von Thao erklärte, die Rolle seines Mandanten sei "absolut verschieden" von der der anderen gewesen, weil er die Örtlichkeit abgeschirmt habe. Der Anwalt Chauvins, Eric Nelson, erklärte schriftlich, die Staatsanwaltschaft müsse beweisen, dass sein Mandant die Absicht gehabt habe, Floyd tätlich anzugreifen, und sie müssten auch beweisen, dass die anderen Beamten von Chauvins Absichten wussten, bevor Floyd starb. Im Ergebnis müsse sich Chauvin anders verteidigen als seine ehemaligen Kollegen. "Die anderen Angeklagten werden klar sagen, dass, wenn ein Verbrechen begangen wurde, sie weder davon wussten noch dabei geholfen haben", schrieb Nelson. "Sie beschuldigen Chauvin".
Chauvin forderte grundsätzlich eine Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, dass Floyds Tod durch die Einwirkung von Medikamenten und Drogen ausgelöst worden sei. Nach der Anhörung warf der Anwalt von Floyds Familie, Ben Crump, der Gegenseite vor, das Image des Gestorbenen aus taktischen Gründen zu beschmutzen. "Die einzige Überdosis, die George Floyd tötete, war eine Überdosis exzessiver Gewalt und Rassismus durch die Polizei von Minneapolis", sagte er.
Über die Anträge muss nun der Richter Peter Cahill entscheiden. Nach bisherigen Planungen soll der Prozess Anfang März beginnen. Cahill rechnet mit einer Prozessdauer von etwa sechs Wochen.
Quelle: ntv.de, ter/AFP