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10-Sekunden-Regel bei Übergriff? Aufruhr in sozialen Medien nach Grapsch-Urteil

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Das Urteil empört die Menschen in Italien.

Das Urteil empört die Menschen in Italien.

(Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild)

Auf einer Schultreppe fasst ein Mann in Rom einer 17-Jährigen von hinten in die Hose. Sie zeigt ihn an. Im Prozess wird er freigesprochen, mit einer erstaunlichen Begründung. Nicht nur in den sozialen Medien ist die Empörung groß.

Ein Fall von sexueller Belästigung hat in Italien einen Proteststurm in den sozialen Medien ausgelöst. Grund ist eine Gerichtsentscheidung, in der über die Klage eines Teenagers entschieden wurde. Im April 2022 hatte der Hausmeister ihrer Schule der 17-Jährigen auf einer Treppe von hinten in die Hose gefasst. Sie war gerade zusammen mit einer Freundin auf dem Weg in die nächste Unterrichtsstunde.

Der 66-Jährige gab das auch zu, tat den Übergriff aber als Scherz ab. Das berichtet unter anderem die britische BBC. Auch das Gericht konnte keine zu bestrafende Tat erkennen und sprach den Mann frei. Schon allein diese Tatsache empört vor allem junge Italienerinnen und Italiener. Noch mehr aber bringt sie die Begründung des Gerichts für sein Urteil auf die Barrikaden.

Das Gericht lehnte eine Bestrafung des Hausmeisters ab, weil der Übergriff weniger als zehn Sekunden gedauert habe und ohne lüsterne Absichten geschehen sei. Daher sei "keine Straftat zu erkennen", hieß es in der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert.

"Doppelt betrogen"

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"Die Richter fassen das als Scherz auf? Für mich war das kein Scherz", sagte die Schülerin der Zeitung "Corriere della Sera". Der Hausmeister sei von hinten gekommen, ohne etwas zu sagen. "Er steckte seine Hände in meine Hose und in meine Unterwäsche." Sie habe die Hände des Mannes mehr als deutlich gespürt. "Für mich ist das kein Witz. So sollte ein alter Mann nicht mit einem Teenager 'scherzen'." Sie fühle sich doppelt betrogen - von ihrer Schule und von der Justiz. Sie befürchte, dass das Urteil Mädchen und Frauen davon abhalten wird, sich zu melden, wenn sie solchen Angriffen ausgesetzt sind.

Seit dem Urteil trenden in den sozialen Medien die Hashtags #10secondi und #palpatabreve, was sich mit "kurzes Betatschen" übersetzen lässt. Zahlreiche Italienerinnen, aber auch Italiener, veröffentlichten Videos von sich, in denen sie schweigend in die Kamera schauen und sich für zehn Sekunden an die Brust oder in den Intimbereich fassen oder fassen lassen. Der erste Beitrag wurde vom "White Lotus"-Schauspieler Paolo Camilli gepostet, seitdem sind Tausende Menschen diesem Beispiel gefolgt, unter ihnen ist Chiara Ferragni, Italiens berühmteste Influencerin mit 29,4 Millionen Followern auf Instagram.

Quelle: ntv.de, sba

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