Panorama

Haftstrafen für VersandhändlerBetrüger zockten mit Behinderten-Masche ab

29.03.2017, 20:18 Uhr
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Große Mengen Toilettenpapier sollen die Betrüger für das Vierfache des üblichen Ladenpreises verkauft haben. (Foto: imago stock&people)

Betrüger schwatzen gutgläubigen Kunden absurd teures Klopapier oder Büroartikel mit der Lüge auf, sie unterstützten damit Projekte für Behinderte. Obwohl sie bald unter Verdacht geraten, machen sie jahrelang weiter - nun müssen sie teils jahrelang ins Gefängnis.

Klopapier, Kaffeepulver und Büroartikel soll ein Versandhandel aus Hamburg unter dem Deckmäntelchen von angeblichen Sozialprojekten zu Wucherpreisen verkauft haben. Das Hamburger Landgericht verurteilte die Inhaber, Geschäftsführer und leitenden Mitarbeiter - alles in allem sieben Männer und eine Frau - zu Haftstrafen bis zu zwei Jahren und zehn Monaten.

Über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren hinweg sollen sie Kunden im gesamten deutschsprachigen Raum betrogen haben. Die Angeklagten im Alter zwischen 30 und 48 Jahren verkauften nach Überzeugung der Strafkammer über ein eigens eingerichtetes Call-Center Toilettenpapier, Geschirrhandtücher, Gummihandschuhe, Kaffeepulver und andere Dinge zu überhöhten Preisen.

Nach ihrer damaligen Behauptung sollte mit den Einnahmen die Ausbildung und Integration von Behinderten gefördert werden. In dem Prozess ging es um annähernd 100 Fälle zwischen 2011 und 2015 mit einer Schadenssumme von rund 32.000 Euro. "Nach unseren Erkenntnissen handelt es sich lediglich um die Spitze eines Eisberges", sagte die Vorsitzende Richterin.

Die Angeklagten hätten die Waren in einem Großmarkt eingekauft, anschließend verpackt und versandt, teilweise ohne vorherige Bestellung. Sie stellten Call-Center-Agenten ein, die neue Kunden werben und Bestandskunden zu weiteren Bestellungen überreden sollten.

Angeklagte machten trotz Ermittlungen weiter

Nach einem eigens erstellten Gesprächsleitfaden sollten sie mit unterdrückter Rufnummern-Anzeige und unter falschem Namen anrufen. Der Name der Firma, die Anschrift und die Kontoverbindungen wurden mehrfach gewechselt, wie die Richterin weiter erklärte.

Die Kunden, darunter viele Privatleute, aber auch Pflegeeinrichtungen, ein Pfarramt und eine Steuerberatung, erhielten zum Teil Rechnungen für Waren, die gar nicht geliefert worden waren. Spendenquittungen gab es nicht. Einige der betrogenen Kunden wandten sich an die "Hamburger Morgenpost". Die Zeitung schickte im Juni 2013 eine Mitarbeiterin als vermeintliche Bewerberin für die Arbeit im Call-Center und brachte durch ihren Bericht die Ermittlungen in Gang.

Vor Gericht legten mehrere Angeklagte Geständnisse ab. Der 48 Jahre alte Geschäftsführer hatte demnach einst bei einem anerkannten Behindertenwaren-Versand gearbeitet. Er soll wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges für zwei Jahre und zehn Monate in Haft. Drei seiner führenden Mitarbeiter erhielten jeweils eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten. Strafverschärfend wertete das Gericht, dass sie auch nach negativen Presseberichten, polizeilichen Durchsuchungen und der Anklageerhebung mit ihren Betrügereien weitergemacht hatten.

Die übrigen vier Angeklagten wurden wegen Beihilfe zu Bewährungsstrafen zwischen einem und zwei Jahren verurteilt. Mehrere Verteidiger kündigten an, gegen das Urteil in Revision zu gehen.

Quelle: mbo/dpa

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