Noch viele Fragen ungeklärt Bleiben die "Titan"-Insassen für immer auf dem Meeresgrund?
23.06.2023, 11:45 Uhr Artikel anhören
Am Ende sind alle Hoffnungen vergebens, fünf Tage, nachdem der Kontakt zum Tauchboot "Titan" und seinen Passagieren abgebrochen ist, steht fest: Die "Titan" liegt komplett zerstört auf dem Meeresgrund, die sogenannten Titan Five sind tot. Noch bleiben die Rettungs- und Suchschiffe vor Ort, denn es sind längst nicht alle Fragen beantwortet.
Was ist nach derzeitigem Erkenntnisstand passiert?
Die US-Küstenwache geht davon aus, dass die "Titan" bereits am Sonntag durch eine Implosion komplett zerstört wurde. Vermutlich kam es dazu bereits in unmittelbarer Nähe zu dem Zeitpunkt, als die Kommunikation zur "Titan" abriss. US-Medien zufolge hatte die US-Marine die mutmaßliche Implosion des Mini-U-Boots bereits am Sonntag erfasst. Die Implosion sei aufgenommen worden, kurz nachdem am Sonntag der Kontakt zu der "Titan" abgebrochen sei, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf einen Vertreter der Marine, der anonym bleiben wollte. Die Aufzeichnung erfolgte demnach durch ein geheimes akustisches Überwachungssystem, mit dem U-Boote aufgespürt werden sollen.
Welche Beweise gibt es für diese Annahme?
Belegt ist die komplette Zerstörung des Tauchbootes durch Aufnahmen, die ein von einem kanadischen Schiff gesteuerter Roboter nach Angaben der US-Küstenwache am Donnerstagmorgen gemacht hatte. Demnach lagen fünf große Teile der "Titan" knapp 500 Meter von dem Bug der "Titanic" entfernt. Das Trümmerfeld sei "mit einer katastrophalen Implosion des Fahrzeugs vereinbar", sagte US-Konteradmiral John Mauger.
Was hat die Implosion ausgelöst?
Darüber gibt es bisher keine Erkenntnisse. Eine Implosion ist die Zerstörung eines Hohlkörpers durch Druck von Außen und damit das Gegenteil einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen. Das könnte beispielsweise ein winziger Riss in der Außenhülle, die aus Karbon und Titan bestand, sein.
Was bedeutete das für die fünf Menschen an Bord?
Die bisherigen Szenarien gingen davon aus, dass sich die Bedingungen in der "Titan" mit fortschreitender Zeit ständig verschlechtern würden. Kälte, Dunkelheit und Sauerstoffmangel hätten zu einem langen und vermutlich quälenden Sterbeprozess geführt. Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Dies sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte der Sender CNN die Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", betonte Marty. Auch der Meeresforscher David Mearns, der mit zwei der Insassen befreundet war, nannte es bei Sky News tröstlich, dass der Tod der Männer "unverzüglich, buchstäblich in Millisekunden" eingetreten sei.
Können die fünf Passagiere geborgen werden?
An Bord der "Titan" waren drei britische Staatsbürger, darunter ein Milliardär, ein französischer Forscher und "Titanic"-Experte sowie der Chef von Oceangate, ein US-Bürger, der auch das Tauchboot steuerte. Noch legen sich die federführenden US-Behörden nicht fest, ob es überhaupt einen Bergungsversuch geben kann. Die Voraussetzungen dafür sind aber extrem schlecht. Die Trümmerteile der "Titan" liegen in 3800 Metern Meerestiefe. Das ist ohnehin schon schwer zu erreichen, ob die Leichen von dort geborgen werden können und in welchem Zustand sie sind, ist völlig unklar. Es handle sich in der Gegend des "Titanic"-Wracks um eine "unglaublich unversöhnliche Umgebung", teilte die Küstenwache mit.
Sollen die Trümmer geborgen werden?
Für die Untersuchung der Unglücksursache wäre es hilfreich, wenn so viele Trümmerteile wie möglich eingesammelt werden könnten. Besonders interessant sind vermutlich die Kohlefasern, aus denen ein Teil des Schiffes bestand. Es wird aber auch weiterhin daran gearbeitet, das Gebiet zu kartieren, in dem Teile von "Titan" gefunden wurden.
Was wird jetzt aus den Rettungs- und Suchmannschaften, die vor Ort sind?
Sie werden nun nach und nach abgezogen. "Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen", sagte Mauger bei einer Pressekonferenz nach dem Fund der Trümmer. Die Operationen auf dem Meeresboden würden jedoch bis auf Weiteres fortgesetzt. Im Moment konzentriere man sich darauf, den Ort zu dokumentieren. Die Daten würden analysiert. "Ich habe keinen Zeitplan dafür, wann wir zu diesem Zeitpunkt beabsichtigen würden, die Fernoperationen auf dem Meeresboden einzustellen", sagte Konteradmiral Mauger.
Gibt es schon Überlegungen, welche Konsequenzen aus dem Unglück gezogen werden müssten?
Nach der Tragödie werden zahlreiche Fragen zur Sicherheit von Tiefsee-Tauchbooten und zu deren Regulierung laut. Das Tauchboot der Firma Oceangate musste möglicherweise nicht den gleichen Sicherheitstests unterzogen werden, denen andere Schiffe unterliegen, sagte Dr. Simon Boxall, Dozent für Ozeanografie an der University of Southampton der britischen BBC. Der Grund dafür sei gewesen, dass sie in internationalen Gewässern eingesetzt wurde, in denen die Tiefseeforschung "unreguliert" sei. In Großbritannien müsse jedes Schiff - ein Boot, ein Tauchboot oder ein ROV (ferngesteuertes Fahrzeug) - "unglaublich strenge Sicherheitsprüfungen" bestehen, bevor es ins Wasser darf, sagte er. "Das Problem ist, dass dieses spezielle Schiff, dieses spezielle Tauchboot, nicht in die Zuständigkeit von irgendjemandem fiel." Während der noch laufenden Suchoperation waren bereits Stimmen laut geworden, die auf Sicherheitsbedenken verwiesen.
Quelle: ntv.de