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Zu wenig Gäste, zu hohe Ausgaben Briten fürchten um ihre Pubs

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Auf ein Pint in den Pub, das könnte schwieriger werden, wenn viele Kneipen schließen müssen.

Auf ein Pint in den Pub, das könnte schwieriger werden, wenn viele Kneipen schließen müssen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Briten bezeichnen den Pub gerne auch als ihr Wohnzimmer. Ein Pint nach der Arbeit gehört für viele zum normalen Tagesablauf. Doch die Corona-Pandemie, Brexit und Inflation sorgen dafür, dass immer mehr Pubs den Bierhahn für immer zudrehen.

Es ist Montag, 18 Uhr Ortszeit in London. Vor dem Pub "The Rising Sun" nahe der St. Paul's Kathedrale stehen die Menschen dicht an dicht. Die Sonne scheint ausnahmsweise und so genießt man hier ein Feierabend-Pint im Freien. Die meisten kommen direkt von der Arbeit.

Gerade in der britischen Hauptstadt, in der Wohnungen oft klein sind, verbringen die Menschen vergleichsweise viel Zeit in der örtlichen Trinkhalle. Laut einer Studie gaben 21 Prozent der Londoner an, mindestens einmal die Woche in den Pub zu gehen. Zwei Prozent gehen sogar jeden Tag. Und doch reicht es für viele Pubs nicht zum Überleben.

Höhere Mieten, höhere Heizkosten, höhere Preise generell. Was den Menschen im ganzen Land zu schaffen macht, wirkt sich auch auf die Bierschenken aus. Glaubt man der britischen Zeitung "The Sun", werden im kommenden Jahr mehr als 7000 Pubs schließen müssen. Um das zu verhindern, legen viele nun Ruhetage ein oder schließen früher. Manche machen schon um 20 Uhr zu, wenn die Gäste ausbleiben. Denn die haben zunehmend weniger Geld oder arbeiten von zu Hause. Schnell noch nach der Arbeit auf ein Pint in den Pub - das machen inzwischen immer weniger. Kein Wunder, wenn ein Bier durchschnittlich umgerechnet 5,10 Euro und in London sogar bis zu 10 Euro kostet.

Ein Drink als Spende

Damit auch Menschen, die nicht mal einen Pence für ein Bier übrig haben, in den Pub gehen können, hat Chris Illman ein online Trinkspiel entwickelt. Seine Facebook-Gruppe "Wetherspoon's the Game!" hat inzwischen über 600.000 Mitglieder. Trinkfreudige müssen nur den Pub posten, in dem sie sitzen, ihre Tischnummer und begründen, warum sie dringend ein Getränk brauchen. Und schwupps, bekommen sie von Fremden Drinks spendiert. Und die Begründungen sind vielfältig. "Der Hamster ist gestorben, die Schlange ist abgehauen, oder ganz einfach, ich brauche einen Drink", sagt Chris Illman ntv.de.

Doch die hohen Lebenshaltungskosten sind nur einer der Gründe, warum das "Wohnzimmer" der Briten in Gefahr ist. Der Brexit und die Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass 600.000 Angestellte der Gastronomiebranche weggefallen sind - und das alleine in London.

Also müssen die Kneipen erfinderisch werden. Der 411 Pub in Nordlondon hat sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Jeden Mittwoch wird hier der sogenannte "Wall Street Wednesday" gefeiert. Das bedeutet nicht etwa, dass hier an diesen Abenden besonders Banker und Börsenleute zu finden sind, sondern, dass taktisch getrunken werden muss, um Geld zu sparen. Auf einer großen digitalen Anzeigetafel stehen alle im Pub verkauften Getränke und deren Preis, der sich sekündlich ändern kann. Wird ein Getränk viel bestellt, steigt der Preis, unbeliebte Getränke hingegen kosten weniger.

Karaoke statt Küche

Im Kenton kommt die Pizza von außerhalb, dafür gibt es jetzt auch Karaoke.

Im Kenton kommt die Pizza von außerhalb, dafür gibt es jetzt auch Karaoke.

(Foto: Nic Crilly-Hargrave)

Andere sagen "bye bye" zu Fish and Chips, schließen ihre Küchen komplett und bieten nur noch Getränke an. Egil Johansen, dem der Pub "The Kenton" in Ostlondon gehört, hat seine Küche in einen Karaoke-Raum verwandelt. Er arbeitet jetzt mit dem örtlichen Pizza-Lieferanten zusammen, der die Pizza direkt zu den Gästen in den Pub liefert. Das spart Personal und schlägt sich zudem noch positiv in seiner Gas- und Stromrechnung nieder.

"Nachdem sich unsere Gas- und Stromrechnungen im Jahr 2022 verdreifacht hatten, wurde der Betrieb der Küche viel zu teuer, also servierte ich kein Essen mehr", erzählt Johansen ntv.de. "Und da es nur ein leerer Raum war, in dem nichts passierte, habe ich die gesamte Küchenausstattung verkauft, den Raum schalldicht gemacht und einen Karaoke-Raum eingerichtet." Jetzt erwirtschaftet er zusätzliche Einnahmen, indem er den Raum stundenweise für bis zu zehn Personen auf einmal vermietet. Damit kann er sich weiter über Wasser halten - auch, wenn es ihm Probleme bereitet, dass sein Vermieter gerade die Miete um 20 Prozent erhöht hat. Dennoch: Aufgeben würde er den Pub auf keinen Fall. "Ich liebe einfach die britische Pub-Kultur. Der Pub ist ein zweites Wohnzimmer für die Menschen, und es ist toll, so viele nette Leute zu treffen", sagt er.

Pubbesitzer versuchen sich eben gerade auf das Positive zu besinnen. Einige denken deswegen auch gerne an die "good old times" zurück, als sie jeden Abend ein volles Haus hatten. Einer wünscht sich die Vergangenheit so sehr, dass er sie zumindest teilweise zur Gegenwart gemacht hat: Im Sam Smith's Pub in Manchester sind Handys, Laptops und Tablets verboten. Wer sie benutzt, fliegt raus, wer zu laut flucht auch. Das Pint kann nur mit Bargeld bezahlt werden. Besonders die ältere Klientel dieses Ladens begrüßt das.

Unser Pub in jedem Sinn

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Die Briten sind für die Fähigkeit bekannt, in harten Zeiten zusammenzuhalten. Und genau das hat schon den einen oder anderen Pub gerettet. Gerade denen, die etwas ländlicher leben, ist ein guter Stamm-Pub um die Ecke wichtig. So arbeiten immer mehr Nachbarschaften zusammen und kaufen ihre Ortskneipe selbst. "Community Pub" nennt sich das dann. Jeder, der Teil dieser Community sein will, kauft eine Mitgliedschaft, Entscheidungen werden demokratisch getroffen.

Denn wie auch im eigenen Wohnzimmer zu Hause spielt das Wohnzimmer im Pub eine große Rolle im Leben der Briten. Hier knüpfen sie Freundschaften, finden die Liebe, weinen, weil sie Letztere verloren haben, feiern Erfolge und gehen zum sonntäglichen Braten-Essen. Die Pubkultur ist etwas, das den Charme dieses Landes ausmacht und deswegen werden die Briten bis zum letzten Pint weiter kämpfen, um sie zu retten.

Quelle: ntv.de

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