Rechtsextreme Gegenaktionen CSD-Demos erleben "neue Qualität" von Anfeindungen
06.06.2025, 12:31 Uhr
Queerfeindliche Hasskriminalität habe in Deutschland erneut einen "traurigen Höhepunkt" erreicht, sagt ein Experte.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Christopher Street Day wird inzwischen an etwa 150 Orten in Deutschland gefeiert. Den Veranstaltenden zufolge hat sich allerdings die Stimmung verändert. Welche Auswirkungen hat das?
Die Zahl der queerfeindlichen Straftaten steigt in Deutschland - auch die Demonstrationen anlässlich des Christopher Street Days (CSD) sehen sich zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. "Wir haben eine massive Zunahme von Online-Bedrohungen", sagte Kai Bölle, Vorstandsmitglied des Vereins CSD Deutschland. Zudem würden Gruppen junger Rechtsextremisten zu Gegenaktionen aufrufen. Bölle sagte: "Es hat eine neue Qualität bekommen." Die Polizei sei bundesweit sensibilisiert und schütze die Demonstrationen.
Dem Verein zufolge gab es im vergangenen Jahr 150 CSD-Veranstaltungen mit etwa drei Millionen Teilnehmenden. An diesem Samstag sind Demos im Zeichen der Regenbogenflagge unter anderem in Hannover, Saarbrücken und Schwerin geplant. 2024 wurden 27 organisierte Gegenaktionen von rechtsextremistischen Gruppen gezählt. Mit Bedrohungsmails an CSD-Veranstaltende werde versucht, ein Klima der Angst zu erzeugen, sagte Bölle. "Die Teilnehmenden werden vorsichtiger, verabreden sich am Bahnhof und gehen in Gruppen zur Demo und zurück".
"Trauriger Höhepunkt"
Queerfeindliche Straftaten gehören zum Bereich der politisch motivierten Kriminalität. Laut Bundeskriminalamt wurden im vergangenen Jahr 1.765 Fälle (plus 18 Prozent gegenüber 2023) im Bereich sexuelle Orientierung gemeldet sowie 1.152 Fälle, die sich gegen trans oder nicht-binäre Personen richteten (plus 35 Prozent).
Andre Lehmann, Vorstand im LSVD⁺ Verband Queere Vielfalt, sagte, queerfeindliche Hasskriminalität habe erneut einen "traurigen Höhepunkt" erreicht. Die hohen Zahlen zeigten jedoch bisher nicht das ganze Ausmaß. "Dazu fehlt eine einheitliche Erfassung durch die Länder, eine bundesweite Meldestelle sowie eine Erhellung der Dunkelziffer", kritisierte Lehmann. "Immer noch bleiben ungefähr 90 Prozent der gegen queere Menschen gerichteten Straftaten im Dunkeln."
Druck kommt auch aus den USA
Auch die Agenda der Trump-Administration trägt zum queerfeindlichen Klima in Deutschland bei. In Köln hatten sich zuletzt mehrere US-amerikanische Unternehmen als Sponsoren des CSD-Umzugs zurückgezogen - nach jahrelanger Unterstützung. Ähnlich sieht es in Berlin aus. Wie die "taz" im April berichtete, brechen der Veranstaltung in der Hauptstadt Sponsorengelder in Höhe von 200.000 Euro weg. Der Vorstand habe erklärt, der Grund seien unter anderem Ansagen aus den USA.
Seit Beginn seiner zweiten Präsidentschaft macht Trump massiv Stimmung gegen sogenannte "Wokeness" und "Transgender-Ideologie". Trans Menschen werden aus dem US-Militär ausgeschlossen, geschlechtsneutrale Reisepässe verboten. Direkt nach seinem Amtsantritt beendete er die Programme der Bundesbehörden zur Förderung von Diversität. Angestellte in den Programmen wurden entlassen.
Und auch die Wirtschaft gerät ins Visier. Unternehmen, die Geschäfte mit US-Bundesbehörden betreiben, stehen zunehmend unter Druck, ihre Diversitätsprogramme einzuschränken. Auch deutsche Firmen bekommen Post aus Washington. Das scheint bei den CSD-Paraden in Köln und Berlin Wirkung zu zeigen.
Quelle: ntv.de, apr/dpa