Einmal Mittagsschlaf bitte!Das Geschäft mit dem Nickerchen

Der Nap, die Siesta, das Nickerchen. Egal wie man ihn nennt, Mittagsschlaf soll wundersame Effekte haben - und mittlerweile ist er auch ein Geschäftsmodell. Schlafcafés verkaufen den kurzen Schlummer für gutes Geld.
Die Franzosen haben ein schönes Sprachbild für das Schlafen: Dormir sur ses deux oreilles (auf seinen beiden Ohren schlafen) sagen sie und meinen damit einen tiefen, sorglosen Schlummer. In der Realität gelingt das vielen nicht: "Manche Menschen sind so gestresst, dass sie nicht einschlafen können", sagt Virginie Yang. Die Pariserin hat vor acht Jahren die Siesta-Bar "ZZZen" eröffnet, Frankreichs erstes Schlafcafé.
Auf der Karte stehen nicht Café au Lait, Croissant und Pain au Chocolat, sondern Nickerchen, Massagen und Fußpflege. Die Idee dazu sei ihr während einer Chinareise gekommen, sagt Yang. "In Asien schlafen die Menschen einfach zwischendurch - im Bus, in der U-Bahn oder im Büro auf kleinen Sofas." Es gebe eine regelrechte Siesta-Kultur.
In Europa hingegen würden Menschen, die in der Öffentlichkeit ein Schläfchen halten, schief angeschaut. Während Siesta-Bars in Peking längst zum Stadtbild gehörten, würden in Paris manchmal Passanten vor ihrem Laden stehen bleiben, um kopfschüttelnd ein Foto zu machen. "Ein Nickerchen machen gilt hier schon fast als Tabu, obwohl es so wirksam ist", sagt Yang.
Nickerchen senkt Herzinfarktrisiko
Schlafmediziner geben ihr Recht. Eine aktuelle Studie des Fachmagazins "Heart" belegt: Wer ab und zu Mittagsschlaf hält, tut seiner Gesundheit einen Gefallen. Ein Ärzteteam aus Lausanne untersuchte dazu mehr als 3400 Erwachsene. Bei Probanden, die ein- bis zweimal pro Woche Mittagsschlaf halten, war das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nur etwa halb so hoch wie bei jenen, die sich nie ein Nickerchen genehmigen.
Wer nachts zu wenig schläft, dem unterlaufen Medizinern zufolge bei der Arbeit auch häufiger Fehler. Zudem sei das Unfallrisiko höher. Nach Angaben der französischen Gesundheitsbehörde schlafen die Franzosen an Werktagen durchschnittlich sechseinhalb Stunden pro Nacht. Mehr als ein Drittel komme nicht einmal auf sechs Stunden und leide tagsüber an Müdigkeit, so die Forscher. Experten empfehlen zwischen sieben und acht Stunden Schlaf pro Nacht.
In Yangs Siesta-Bar empfängt die Kunden Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern, ein flauschiger Teppich schluckt laute Schritte. "Jeder verdient ein Nickerchen" steht auf einem Sofakissen. Zumindest jeder, der bereit ist, zwölf Euro für eine viertelstündige Siesta zu bezahlen. Je nach Dauer und Zusatzwunsch kann der Preis auf über 100 Euro steigen. Yangs Angebot richtet sich eher an den gutverdienenden Manager als an die womöglich ebenso entspannungsbedürftige Putzkraft, das ist offensichtlich.
Auch in Berlin gibt es ein Schlafcafé
Auf ihrer Website spricht Yang den gestressten Manager dann auch direkt an und präsentiert ihm den "ZZZen Truck". Eine fahrende Entspannungskabine, bestückt mit Virtual-Reality-Brillen, die ihm und seinen ausgelaugten Mitarbeitern die dringend benötigte Entspannung quasi an die Bürotür liefere und so die Produktivität deutlich verbessere.
t So oder so, das Geschäft mit dem kurzen Mittagsschlaf scheint zu brummen: In Marseille bietet ein Restaurant für das Nickerchen nach dem Essen die Schlafplätze direkt mit an. In einem ähnlichen Etablissement in Toulouse kann man in einer Art Riesenmuschel oder auf einem speziellen Akupressurteppich schlummern und in Limoges hat eine ehemalige Krankenschwester ein Schlafparadies aus unzähligen Pflanzen und Hängematten geschaffen.
Wo Frankreich sich langsam an das Phänomen herantastet, ist Deutschland noch weitgehend Ödland was Schlafcafés angeht. In Berlin immerhin gibt es das "Nickerchen", wo man für acht Euro zwanzig Minuten ruhen darf. Und auch einige Hotels bieten ihre Räume über den Mittag an, Flughäfen warten mit sogenannten Napcabs auf. Noch aber scheint hierzulande die Siesta-Revolution das zu tun, was sie am besten kann: Sie schlummert vor sich hin.