Panorama

Einsame, alte PriesterDas "schleichende Gift" des Zölibats

29.01.2017, 21:24 Uhr
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Als "alternder Eheloser" leidet so mancher Priester unter Einsamkeit. (Foto: picture alliance / dpa)

Elf Priester prangern in einem offenen Brief eine "Bunkermentalität" in der katholischen Kirche an. Besonders leiden sie unter dem Zölibat. Im Alter greift die Einsamkeit um sich. Das nüchterne Fazit im Ruhestand: "Du bist nicht mehr wichtig."

Pfarrer Franz Decker redet zehn Minuten lang darüber, wen er im Laufe der Zeit alles in seinem Pfarrhaus aufgenommen hat. Flüchtlinge aus Bosnien waren dabei, Iraner, eine Frau aus Sri Lanka, seine Schwester und seine Cousine, eine Bekannte mit drei Kindern kam, ein 17-Jähriger, der seine Eltern verloren hatte... "Ich fand es wichtig, dass ich nicht allein lebte."

Aber die Frau, die er sich eigentlich gewünscht hätte, die fehlte ihm doch. Es kommt selten vor, dass ein katholischer Priester offen über seine Probleme mit dem Zölibat spricht. Die Kirche begründet die vorgeschriebene Ehelosigkeit damit, dass sich der Priester so mit ganzer Kraft für seine spirituelle und seelsorgerische Arbeit einsetzen könne. Ein Argument, das Franz Decker, nunmehr 73 Jahre alt, nie überzeugt hat: "Ich meine, ich hätte das auch gekonnt, wenn ich verheiratet gewesen wäre."

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Franz Decker spricht offen über das, was ihn stört. (Foto: dpa)

Decker, ein hagerer, asketischer Typ, dabei aber von rheinischer Fröhlichkeit, ist einer von elf Priestern, die in diesem Monat in einem offenen Brief gegen den Zölibat Stellung bezogen haben. "Als alternde Ehelose" bekämen sie die Einsamkeit jetzt oft deutlich zu spüren, klagen sie. Das "Modell alleinstehender Mann" hat sie nicht überzeugt. Sie haben es auf sich genommen, weil sie es mussten. Und jetzt leiden zumindest einige von ihnen noch einmal besonders darunter, weil sie nicht mehr berufstätig sind und damit die vielen Kontakte in der Gemeinde wegfallen. Häufig ziehen Pfarrer nach der Pensionierung sogar weg, weil sie ihrem Nachfolger nicht im Weg stehen wollen. Das Pfarrhaus müssen sie sowieso räumen.

Reformgeist verflogen

Mitunterzeichner Wolfgang Bretschneider - ein renommierter Kirchenmusiker - berichtet, mehrere aus ihrem Kreis hätten gemerkt, dass es schwierig sei, "die Einsamkeit nicht wie ein schleichendes Gift auf sich zukommen zu lassen". Decker wurde mit einem Mal klar: "Alles, was du jetzt tust, musst Du selber organisieren. Keiner kommt mehr. Es hängt jetzt von dir ab, ob du dazugehört. Wenn du dich nicht meldest, dann meldet sich auch niemand. Du bist nicht mehr wichtig."

Die Unterzeichner des Briefes sind seit Ewigkeiten Freunde. Alle wurden 1967 zum Priester geweiht. Seitdem haben sie sich jeden Monat getroffen, immer reihum, all die Jahre. Nun, nach 50 Jahren, haben sie gemeinsam den Brief verfasst. Dabei geht es ihnen um mehr als den Zölibat: Sie beklagen eine "Bunkermentalität" in der katholischen Kirche. Der Reformgeist des Zweiten Vatikanischen Konzils, der während ihrer Ausbildung in den 60er Jahren so lebendig gewesen sei, habe sich verflüchtigt. Gleichzeitig seien die Kirchen immer leerer geworden.

Der Brief hat ein unerwartet starkes Echo gefunden. "Ich habe nur positive Rückmeldungen bekommen, und das zum Teil von Leuten, von denen ich es nicht erwartet hätte", sagt Bretschneider. Selbst konservative Katholiken hätten ihm gesagt: "Gut, dass es endlich mal ausgesprochen wurde. Wir bedanken uns für Ihren Mut!" Von ihrem Bischof, dem Kölner Kardinal Rainer Woelki, haben sie zwar noch nichts gehört, aber Generalvikar Dominik Meiering hat im Domradio gesagt, man müsse "mit Respekt wahrnehmen, dass da Menschen sind, die sich Gedanken und Sorgen um die Kirche machen".

Viel erhoffen sich die alten Priester von Papst Franziskus. Der setze nicht auf theologische Reden, sondern auf Gesten, die jeder verstehe, sagt Bretschneider. "Ich bete jeden Tag zweimal dafür, dass er noch viele Jahre lebt."

Quelle: ntv.de, Christoph Driessen, dpa

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