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Schlüssel des Vermisstenfalls Das unterscheidet die "Titan" von einem U-Boot

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Eine Expedition zum Wrack der "Titanic" kostet Teilnehmende mit der "Titan" etwa 250.000 Dollar.

Eine Expedition zum Wrack der "Titanic" kostet Teilnehmende mit der "Titan" etwa 250.000 Dollar.

(Foto: picture alliance / abaca)

Fünf Menschen begeben sich auf eine Expedition zum Wrack der "Titanic". Knapp zwei Stunden nachdem ihr Boot abgetaucht ist, reißt der Kontakt zur Oberfläche ab. Das ist verheerend, denn Tauchboote sind im Gegensatz zu U-Booten auf ihre Hilfsschiffe angewiesen.

Fünf Menschen haben sich auf eine Expedition zu dem Wrack der "Titanic" im Atlantik begeben - nun werden sie vermisst. Das Boot mit dem Namen "Titan", das sie zu dem 3800 Meter tief gelegenen Wrack bringen sollte, tauchte am vergangenen Sonntag ab. Eine Stunde und 45 Minuten später verlor es den Kontakt zur Außenwelt. Die Suchaktion startete sofort, ohne Hilfe von außen hat das Boot kaum eine Chance. Denn bei der "Titan" handelt es sich nicht um ein U-Boot, sondern um ein Tauchboot. Ein wichtiger Unterschied, um zu verstehen, warum das Boot vermisst wird.

Die kleine Kapsel bietet Platz für fünf Passagiere.

Die kleine Kapsel bietet Platz für fünf Passagiere.

(Foto: picture alliance/dpa/PA Media)

Die "Titan" gehört der Firma Oceangate Expeditions. Das Unternehmen beschreibt es als 23.000 Pfund (rund 10.500 Kilogramm) schweres Tauchboot aus Kohlefasern und Titan. Mit 6,70 Meter Länge ist es ungefähr so groß wie ein Lieferwagen. Es kann fünf Menschen transportieren - mit dem Kapitän, einem Experten und drei Touristen, die sich derzeit an Bord befinden, ist die "Titan" also ausgelastet.

Obwohl die Elektronik und die Steuerungskapseln für die Stahlruder außerhalb des Druckkörpers untergebracht sind, ist es eng an Bord. Über eine kleine Toilette sowie ein Fenster zum Hinausschauen verfügt das Boot trotzdem, wie die "Daily Mail" berichtet. "Es gibt keine Schalter und Dinge, an denen man sich stoßen kann, wir haben nur einen Knopf, um es einzuschalten. Alles andere wird mit Touchscreens und Computern erledigt", sagte der Geschäftsführer von Oceangate Expeditions, Stockton Rush, im vergangenen Jahr gegenüber der BBC. "So wird man wirklich Teil des Fahrzeugs und jeder lernt jeden ziemlich gut kennen."

Auch Arthur Loibl beschreibt die Situation in der "Titan" als extrem eng. Er war nach eigenen Angaben einer der ersten Touristen, die mit jenem Tauchboot zum Wrack der "Titanic" getaucht sind. "Man sitzt auf dem Boden, es gibt keinen Stuhl", berichtet er im Gespräch mit ntv. Ab rund 150 Meter in der Tiefe "wird es total dunkel. Dann wird auch das Licht ausgeschaltet, um Strom zu sparen". In dem Tauchboot sei es ruhig, man höre lediglich die Stimmen der Passagiere. "Das Gefühl war beklemmend", sagt Loibl.

Tauchboote brauchen Hilfsschiffe

Die "Titan" erreicht eine Geschwindigkeit von drei Knoten und kann bis zu 4000 Meter tief tauchen. Das Wrack der Titanic zu erreichen, ist für sie also grundsätzlich kein Problem. Das Unternehmen setzt das Boot jedoch nicht nur für touristische Zwecke ein, sondern auch für Vermessungen und Inspektionen, zur Forschung, zur Datenerfassung, für Tiefseetests von Hard- und Software und für Film- und Medienproduktionen. Allerdings - und da liegt der entscheidende Punkt - braucht sie für all diese Exkursionen ein Hilfsschiff.

Während ein U-Boot vom Hafen aus selbstständig in den Ozean eintauchen, zum Meeresgrund tauchen und zurückkommen kann, hat ein Tauchboot diese Fähigkeiten nicht, wie die "National Oceanic and Atmospheric Administration" erklärt. Tauchboote, zu denen auch die "Titan" zählt, haben nur begrenzte Energiereserven. Um zu starten, brauchen sie ein Hilfsschiff. Ähnlich wie ein Boot einen Taucher in ein zu erforschendes Gebiet bringt, bringt das Schiff das Tauchboot an den Ort, an dem es tief tauchen soll. So wurde die "Titan" am vergangenen Sonntag von dem Hilfsschiff "Polar Prince" in die Nähe von Neufundland, Kanada, eskortiert, da sich an dieser Stelle des Atlantiks die gesunkenen Wrack-Teile der "Titanic" befinden.

An der Tauchstelle angekommen, wird das Tauchboot mit einer Plattform zu Wasser gelassen. Diese Plattform verfügt über Tanks, mit denen das Boot abtauchen und wieder auftauchen kann. Zum Abtauchen füllen sich die Tanks mit Wasser. Nach dem Tauchgang landet das Tauchboot wieder auf der Plattform, dessen Tanks nun mit Luft gefüllt werden, um das Auftauchen zu ermöglichen. Zurück an der Oberfläche benötigen die Passagiere Hilfe von außen, denn die einzige Tür nach draußen ist von außen mit 17 Bolzen verriegelt.

Steuerung mithilfe von Textnachrichten

Das Ab- und Auftauchen gelingt den Tauchbooten nur mithilfe einer Plattform, an der Tanks angebracht sind.

Das Ab- und Auftauchen gelingt den Tauchbooten nur mithilfe einer Plattform, an der Tanks angebracht sind.

(Foto: picture alliance/dpa/PA Media)

Gesteuert wird das Tauchboot mit einer Art Playstation-Controller. Weil es nicht über GPS verfügt, geschieht dies mithilfe von Textnachrichten vom Hilfsschiff an der Wasseroberfläche aus. Der Website von Oceangate Expeditions zufolge werden die Nachrichten über ein Akustiksystem ausgetauscht. So sende die "Titan" normalerweise alle 15 Minuten ein akustisches Signal an das Hilfsschiff "Polar Prince". Am vergangenen Sonntag erhielt die "Polar Prince" das letzte Signal, als das Tauchboot über dem Wrack der "Titanic" ankam, wie die "Bild"-Zeitung berichtet. Seitdem ist der Standort der "Titan" unbekannt, das Boot wird nicht mehr von der Oberfläche aus gesteuert.

Thomas Shugart, ein ehemaliger U-Boot-Kapitän der US-Marine und Analyst am Center for a New American Security, sagte gegenüber CNN, es sei kein gutes Zeichen, dass die Suchmannschaften noch immer nichts von dem vermissten U-Boot gehört haben. "Wenn sie ein relativ kleines Problem gehabt hätten, das sie dazu gezwungen hätte, unerwartet aufzutauchen, hätte man denken können, dass ein Ortungssender bereits entdeckt worden wäre. Wenn sie stattdessen aus irgendeinem Grund auf dem Grund festsitzen, habe ich noch nichts von einer Rettungsmöglichkeit gehört, die sie rechtzeitig zurückbringen könnte", sagte er.

Dabei verfügt das Tauchboot durchaus über eine Sicherheitsausstattung, wie das Unternehmen erklärt. So gebe es ein "Echtzeit-Überwachungssystem für den Zustand des Schiffskörpers", das den Druck auf das Schiff und die Integrität der Struktur analysiere. Alle festgestellten Probleme würden eine "Frühwarnung" an den Kapitän auslösen, damit "genügend Zeit bleibt, um sicher an die Oberfläche zurückzukehren". Zudem sei die "Titan" "mit hochmodernen Beleuchtungs- und Sonarnavigationssystemen sowie intern und extern montierter 4K-Video- und Fotoausrüstung ausgestattet".

"Von keiner Aufsichtsbehörde genehmigt"

Trotzdem ist die Expedition mit der "Titan" alles andere als risikofrei. So berichtete der CBS-Reporter David Pogue, der die Reise im vergangenen Jahr unternahm, von einer Verzichtserklärung des Unternehmens "Oceangate Expeditions". Darin sei das Tauchboot als "experimentelles" Schiff bezeichnet worden, "das von keiner Aufsichtsbehörde genehmigt oder zertifiziert wurde und zu körperlichen Verletzungen, Behinderungen, emotionalen Traumata oder zum Tod führen kann".

Laut CNN behauptet das Unternehmen nun, das Tauchboot sei noch nicht klassifiziert, da die verwendete Technologie so neu ist, dass sie noch nicht überprüft und in die bestehenden Normen für Sicherheitsstandards aufgenommen wurde. Bei der Entwicklung haben sich Ingenieure des Marshall Space Flight Centers der NASA mit Ingenieuren von Oceangate Expeditions beraten, wie die "Daily Mail" berichtet.

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Über seine eigene Expedition mit der "Titan" erzählte der Journalist Pogue, dass die Kommunikation während des Tauchgangs kurzzeitig zusammengebrochen sei. Das Tauchboot sei damit über zwei Stunden verloren gewesen.

Während die Expedition im vergangenen Jahr trotz kurzzeitigem Kommunikationsverlust gut ging, läuft den Suchenden nun die Zeit davon. Denn während U-Boote monatelang unter Wasser bleiben können, sind Tauchboote für wesentlich kürzere Tauchgänge ausgelegt. Die "Titan" verfügt laut "Oceangate Expeditions" über Sauerstoff für 96 Stunden. Damit hätten die Retter möglicherweise bis Freitag Zeit, um die "Titan" zu finden und zu bergen.

Quelle: ntv.de

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