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Wetterbilanz in Daten und Karten Dauerregen beschert Sommer der Gegensätze

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Regentropfen fallen in Straßenpfützen: Im August hat es in vielen Teilen Deutschlands ausgiebig geregnet.

Regentropfen fallen in Straßenpfützen: Im August hat es in vielen Teilen Deutschlands ausgiebig geregnet.

(Foto: dpa/ntv.de)

Regenreiche Wochen haben der Natur in Deutschland den Frischekick verpasst. Das war allerdings auch bitter nötig, wie die Wetterbilanz für 2023 zeigt. In einigen Regionen Deutschlands bleiben die Böden weiter unter Stress.

In vielen Teilen Deutschlands hat es in den letzten Wochen ausgiebig geregnet. Das ist gut für die Natur: Böden, Pflanzen und Wälder können sich allmählich vom Trockenstress der vorangegangenen Jahre erholen. Denn eins darf nicht vergessen werden: Dieser Regen markiert das vorläufige Ende einer ziemlich langen Durststrecke.

Auch in diesem Jahr war der Sommer zunächst deutlich zu warm und zu trocken gestartet. Doch wer kann sich nach mehreren Regenwochen schon noch an die Hitzeperioden im Mai und Juni erinnern? Ein Blick in die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) frischt das Wetter-Gedächtnis auf, setzt die bisherige Bilanz für 2023 ins Verhältnis zu den historischen Wetterdaten und macht so die klimatischen Verschiebungen auf regionaler Ebene sichtbar (Details zur angewandten Methodik am Ende des Artikels).

Zu nass, zu trocken, wieder zu nass

Dabei geht es auch darum, den gefühlten Wettereindruck zu überprüfen. So bestätigen die vom DWD bereitgestellten Niederschlagssummen für Deutschland und die Bundesländer, dass 2023 ein vergleichsweise nasses Jahr zu werden verspricht. In bisher vier von sieben Monaten wurden die im langjährigen Durchschnitt verzeichneten Regenmengen übertroffen, zum Teil sogar deutlich. Allerdings sind auch die beiden extrem trockenen Monate Mai und Juni nicht zu übersehen.

Für den Vergleich zieht der DWD die international anerkannte Referenzperiode von 1961 bis 1990 heran und ermittelt aus den historischen Wetterdaten für das jeweilige Gebiet einen 30-jährigen Mittelwert für jeden Monat. Im März 2023 wurde dieser Mittelwert deutschlandweit um 60 Prozent, im Juli um 25 Prozent übertroffen. Regional fielen die Abweichungen mit 94 Prozent im März für die Region Berlin und Brandenburg oder 72 Prozent im Juli für das Gebiet Niedersachsen, Hamburg und Bremen teils sogar noch deutlicher aus.

Der Regen sorgt für Ausgleich

Der ntv.de-Meteorologe Björn Alexander sieht die Frühjahrsbilanz als Glücksfall: "Es war auf jeden Fall super wichtig, dass wir im Schnitt ein deutliches Plus beim Regen im Frühjahr beziehungsweise im März und April erlebt haben", sagt er. "Ansonsten wäre uns die oft bemühte Blitzdürre im Mai und Juni sicherlich schwerer auf die Füße gefallen."

Spätestens in der zweiten Juli-Hälfte rückten die Dürre-Sorgen der Deutschen endgültig in den Hintergrund. Durch den anhaltenden Regen brachte es der Monat nämlich innerhalb weniger Tage noch auf eine Niederschlagssumme von fast 97 Liter je Quadrameter, also 25 Prozent mehr als im langjährigen Juli-Mittel.

Für den laufenden August steht die Gesamtbilanz zwar noch aus. Angesichts der bislang verzeichneten Regenmengen ist aber erneut mit einem deutlichen Plus zu rechnen. An der Station Großer Arber in Bayern etwa wurden bis zum 11. August bereits 199,2 Liter je Quadratmeter verzeichnet - bei einem langjährigen Mittel für den Gesamtmonat von 130,9 Litern pro Quadratmeter. Die ntv.de Auswertung zeigt, dass auch in weiteren Stationen schon jetzt das August-Mittel teils deutlich überschritten wurde.

Niederschlagsdefizit im Süden und Osten

Im deutschlandweiten Flächenmittel sollen laut DWD-Berechnung bis zum 10. August satte 54,5 Liter pro Quadratmeter heruntergekommen sein. Das entspreche 209 Prozent des erwartbaren Niederschlags, teilte der Wetterdienst mit. Verteilt auf die Einzelstationen im DWD-Netzwerk ergibt sich ein differenzierteres Bild. Eine ntv.de-Karte gibt einen Überblick, wo die im Referenzzeitraum üblichen Niederschlagsmengen in diesem Jahr bereits erreicht oder überschritten wurden - und um wie viele Prozent. Die Daten geben dabei üblicherweise den Stand des Vortages wieder und werden immer vormittags aktualisiert (mehr zur Methodik am Ende des Artikels).

Tiefrote Punkte deuten auf unterdurchschnittliche, tiefblaue Punkte auf überdurchschnittliche Regenmengen an der jeweiligen Station hin. Ein graues Symbol bedeutet, dass das Jahres-Soll ziemlich genau erreicht wurde. Je größer das Symbol, desto höher war die absolut gemessene Regenmenge. Deutlich wird: Niederschlagsdefizite gibt es vor allem im Süden und Osten der Republik, während im Norden zum Teil ein deutlicher Überschuss gegenüber dem laufenden langjährigen Mittel zu verzeichnen ist.

Besonders verregnet war 2023 bislang an den DWD-Stationen Worpswede-Hüttenbusch in Niedersachsen sowie Meinerzhagen-Redlendorf in Nordrhein-Westfalen, wo jeweils bereits rund 159 Prozent der vom 1. Januar bis zum 11. August zu erwartenden Regenmenge verzeichnet wurden. In Meinerzhagen-Redlendorf war nicht nur die prozentuale Abweichung nach oben, sondern auch die absolute Regenmenge mit 1234,5 Litern je Quadratmeter enorm. Gerade in Baden-Württemberg oder Bayern gibt es aber auch zahlreiche Stationen, die mit nur rund 65 Prozent des zu erwartenden Niederschlags noch erhebliche Defizite aufweisen.

Kurzer, heftiger Frühsommer mit vielen Hitzetagen

Im Hinblick auf die Zahl der Sommer- und Hitzetage hingegen haben fast alle Stationen in Deutschland ihr Jahres-Soll bereits übererfüllt. Das langjährige Mittel von 1961 bis 1990 wird oft sogar um ein Vielfaches überschritten. Für die Auswertung werden die täglich gemessenen Tageshöchsttemperaturen im Stationsnetzwerk des DWD herangezogen. Denn ab einer Höchsttemperatur von 25 Grad Celsius spricht die Welt der Meteorologie von einem Sommertag. Ab 30 Grad Celsius gilt die Einstufung zum Hitzetag.

KlimawandelHitze- und Sommertage in Deutschland

Die Zählung der Hitzetage verrät viel darüber, wie dramatisch sich das Klima in Deutschland seit der Mitte des letzten Jahrhunderts verändert hat. Forschende sprachen zuletzt von einer Verdreifachung der heißen Tage mit 30 °C und mehr.

Am deutlichsten fällt die Zunahme bei der Zahl der Hitzetage in Mittel- und Süddeutschland aus. Doch selbst in den beliebten Urlaubsregionen an der Küste wie Hiddensee und Fehmarn wurden in diesem Jahr vier- bis fünfmal so viele Hitzetage gezählt wie im Referenzzeitraum.

Der ntv.de-Meteorologe Alexander fasst es so zusammen: "Wir leben in einer anderen Welt als noch 1961-1990. Manche Leute denken: Früher gab es auch heiße Sommer. Aber die DWD-Daten zeigen eindeutig: Es war nicht so heiß und auch nicht so lange so heiß wie in den vergangenen Jahren. Hitzewellen starten früher, werden häufiger und intensiver." Das stellt nicht nur für die Natur eine hohe Belastung dar - auch die Menschen leiden immer stärker unter den hohen Temperaturen. Als besonders gefährlich und belastend für den Menschen gelten Tage, an denen die Temperatur auf über 35 Grad Celsius steigt bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit.

Trockenheit richtet nachhaltige Schäden an

Bislang fallen die registrierten Sommer- und Hitzetage für 2023 fast ausschließlich in den gefühlt recht kurzen, aber heftigen Frühsommer. Mai und Juni waren nicht nur heiß, sondern auch außergewöhnlich trocken. In beiden Monaten lag die Niederschlagsmenge im bundesweiten Schnitt etwa 40 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Erst Mitte Juli setzte die Trendwende ein und brachte endlich Regen.

KlimakriseDürren im Jahresverlauf

Wie dringend dieser Regen benötigt wurde, das belegen die Daten des Dürremonitors. Der Anteil der von mindestens moderater Dürre betroffenen Fläche stieg in Deutschland bis Anfang Juli kontinuierlich an auf über 90 Prozent, zeigt die Verlaufsgrafik von ntv.de für 2023. Dabei waren 65 Prozent der Fläche sogar von mindestens schwerer Dürre betroffen.

Im Vergleich zu 2022 stellt sich die aktuelle Dürresituation in Deutschland zwar deutlich besser dar. Doch nach wie vor wird für mehr als ein Viertel der Fläche in Deutschland eine extreme oder außergewöhnliche Dürre ausgewiesen. "Gerade die tieferen Bodenschichten in einem bis zwei Meter geben ein sehr diverses Bild ab", beobachtet der Wetterexperte Alexander. "Vor allem im Süden und Osten bleibt die Lage angespannt, während es in der Nordwesthälfte alles in allem besser um die Bodenfeuchte in der Tiefe bestellt ist."

Zumindest die oberen Bodenschichten haben durch den anhaltenden Regen fast überall in Deutschland ausreichend Feuchtigkeit aufgesogen, um für sattes Grün in den Gärten, Parks und Wäldern zu sorgen. Das zeigt die Kartendarstellung zum "pflanzenverfügbaren Wasser" des Dürremonitors. Doch der Eindruck an der Oberfläche täuscht womöglich über die Zustände im Unterboden hinweg, wo Wasser langfristig gespeichert wird.

"Das System Boden ist komplex und es reagiert sehr träge", erklärt Björn Alexander. "Seit dem Dürrejahr 2018 haben wir in den tieferen Bodenschichten, die für die Grundwasser-Neubildung enorm wichtig sind, ein Trockenheitsproblem. Hier scheint sich die 'Schwammfähigkeit' nicht so einfach zu regenerieren." Das verhindere, dass der Wasserhaushalt wieder in ein Gleichgewicht finde, selbst wenn sich - so wie jetzt - trockene und nasse Phasen abwechseln.

Solche nachhaltigen Veränderungen im Ökosystem sind einerseits selbst eine Folge des Klimawandels. Andererseits können sie die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung zusätzlich verstärken - so wie die Beschaffenheit und Eigenschaft des Bodens eben darüber entscheiden, ob Regenwasser nahezu wirkungslos versickert oder von der Natur gespeichert wird. Das Jahr 2023 könnte mit seinem Regenreichtum als weiteres lehrreiches Beispiel zur Klimaaufklärung beitragen: Mit dem Messen von Niederschlägen allein ist es eben nicht getan, wenn man den Verlauf von Trockenheit und Dürren besser verstehen will.


Methodik

Bei allen Grafiken verwendet ntv.de in Übereinstimmung mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) die langjährigen Durchschnitte der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990.

Mehr zum Thema

Für den laufenden Jahresvergleich in den Karten berechnet ntv.de auf Basis der aktuellen Stations-Tagesdaten die bislang aufgelaufene Niederschlagssumme bzw. Zahl der Sommertage/Hitzetage im Jahr 2023. Diese Daten liegen immer für volle Tage vor und werden vormittags bereitgestellt. Die Grafiken bilden also jeweils die Werte bis zum Vortag ab. Die ermittelten Jahressummen werden dann in Bezug zu den offiziellen langjährigen Monats-Durchschnittswerten (Referenzzeitraum 1961 bis 1990) des DWD für die jeweilige Station gesetzt. Für volle Monate wird der langjährige Monats-Durchschnitt komplett berücksichtigt, für laufende Monate anteilig zur Zahl der bereits abgelaufenen vollen Tage.

Dargestellt werden nur Stationen, für die möglichst vollständige Daten vorliegen. Bei der Ausweisung der Sommer- und Hitzetage bedeutet dies, dass Stationen mit Daten-Fehltagen im Zeitraum von April bis Oktober nicht angezeigt werden. Bei den Niederschlagskarten sind im laufenden Jahresvergleich nur Stationen aufgeführt, bei denen die Datenlücke maximal 1 Tag pro vollem Monat beträgt. Da vom DWD mitunter Daten wegen weitergehender Prüfung erst nachträglich gemeldet werden, kann die Zahl der abgebildeten Stationen von Tag zu Tag schwanken. Für wie viele Tage für eine Station im Jahr 2023 (noch) keine DWD-Werte vorlagen, ist in den Tooltips ausgewiesen.

Quelle: ntv.de

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