Panorama

Epidemiologe im Interview "Der Infektionsdruck ist weiter sehr hoch"

"Die Virusaktivität wird im Frühling nachlassen und uns eine Atempause verschaffen."

"Die Virusaktivität wird im Frühling nachlassen und uns eine Atempause verschaffen."

(Foto: picture alliance/dpa)

Ein Subtyp der Omikron-Variante breitet sich aus. Er ist noch ansteckungsfähiger und führt wohl auch zu schwereren Krankheitsverläufen. Doch die bestehenden Impfungen schützen weiter gut, sagt Epidemiologe Ulrichs. Auch deshalb wirbt er für eine vierte Spritze bei Älteren und warnt vor zu umfangreichen Lockerungen.

ntv: Der Omikron Subtyp BA.2 scheint deutliche Unterschiede zu Omikron zu haben. Ist das die Mutante, die wir so sehr befürchtet haben?

Timo Ulrichs: Eigentlich noch nicht. Das ist schon ganz ähnlich wie das, was wir von der Omikron-Variante erfahren haben. Allerdings gibt es eine Abweichung bezüglich der Infektiosität. Der Subtyp ist noch ansteckungsfähiger. Es gibt schwerwiegendere Verläufe, als wir von dem ersten Subtyp gewöhnt sind. Aber die gute Nachricht ist und das zeigt eine neue Studie aus den USA: Der Immunschutz ist sowohl gegen die eine als auch gegen die andere Omikron-Variante gut, wenn man dreimal geimpft ist. Dann ist das Risiko für klinische Verläufe sehr, sehr stark reduziert.

Würde ein Omikron angepasster Impfstoff auch gegen den Subtyp BA.2 wirksam sein?

Ja, da es sich um einen Subtyp handelt, gibt es sehr große Ähnlichkeiten. Und so wie der Impfstoff entwickelt worden ist, müsste er beide Varianten gut abdecken. Das bedeutet, dass wir tatsächlich eine Anpassung haben und mit dem Virus schritthalten können, auch wenn wir zeitlich natürlich etwas hinterherlaufen. Aber das ist auf jeden Fall eine Verbesserung, im Vergleich zu den vier bisher zugelassenen Impfstoffen, die zwar auch gut vor Erkrankungen schützen, aber eben weniger gut vor Infektionen.

Wir müssen auf die angepassten Impfstoffe doch länger warten. Wirft uns das sehr zurück?

Wir gehen auf der Nordhalbkugel so langsam in den Frühling und das bedeutet, dass die Virusaktivität stark nachlassen wird. Das wird uns eine gewisse Atempause verschaffen. Die sollten wir nutzen, um gut zu impfen. Das bedeutet auch, dass man sich bei den Älteren überlegen sollte, noch mit den bereits zugelassenen Impfstoffen eine vierte Impfung zu machen. Auch wenn wir jetzt auf dem absteigenden Ast der Omikron-Welle sind.

Ulrichs rät, bei bestimmten Bevölkerungsgruppen über eine vierte Impfung nachzudenken.

Ulrichs rät, bei bestimmten Bevölkerungsgruppen über eine vierte Impfung nachzudenken.

(Foto: ntv)

Eine Studie aus Israel sagt, dass die vierte Impfung nicht so wirksam ist. Wie stehen Sie dazu?

Für die Studie wurde das für verschiedene Altersgruppen ausprobiert und man hat festgestellt, dass es bei den Jüngeren keinen großen Mehrwert bringt, weil bereits mit der dreimaligen Impfung ein guter Immunschutz aufgebaut ist. Aber für die älteren Menschen, bei denen das Immunsystem ohnehin schon etwas schwächer ist und dann auch der Immunschutz langsam nachlassen könnte - auch nach einer dritten Impfung -, wäre angesichts der starken Präsenz des Coronavirus eine vierte Impfung durchaus zu erwägen. Schon allein, um auf der sicheren Seite zu sein.

Der Corona-Expertenrat fordert, das Wohl der Kinder in der Pandemie zu priorisieren. Kommt so eine Forderung nicht etwas zu spät?

Wir haben die Situation, in der wir versuchen zu lockern. Und gleichzeitig wollen wir dem Virus nicht noch den Weg bereiten. Das bedeutet, dass das Virus in Schulen und Kitas mit Testungen und einem guten Hygienekonzept eingedämmt werden sollte, bei größtmöglicher Freiheit natürlich. Da muss man einen guten Mittelweg finden.

Wie passt das damit zusammen, dass Maßnahmen, wie zum Beispiel die Pool-Tests, an Schulen abgeschafft werden sollen?

Wir haben immer noch einen sehr hohen Infektionsdruck, auch wenn wir uns möglicherweise im absteigenden Ast der Omikron-Welle befinden. Es gibt noch immer eine Durchseuchung. Und wenn wir diese ganzen Tests abschaffen, sind wir nicht mehr informiert, wie schnell sich dieses Virus in den jüngeren Altersgruppen verbreitet und wie es von dort weitergegeben werden kann. Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen wäre es sinnvoll, diese Testungen als Teil eines Hygienekonzeptes für die Schulen fortzuführen und gleichzeitig zu schauen, wie weit man aufmachen kann, sodass es einigermaßen eine Rückkehr zur Normalität geben kann.

Wenn zum 20. März die meisten Beschränkungen fallen sollen, wie können wir danach ganz konkret unsere Kinder schützen?

Mehr zum Thema

Da ist die Antwort eigentlich ganz einfach: Impfen. Wenn wir als Erwachsene alle geimpft sind und damit einen Schutz aufgebaut haben um die Kinder drumherum, auch um die ganz kleinen, die noch nicht geimpft werden können, dann ist das das bestmögliche, was wir tun können. Darüber hinaus sind alle anderen Maßnahmen nur hilfsweise sinnvoll. Wenn wir jetzt in diese Niedrig-Inzidenz-Phase im Frühling und Sommer übergehen, kann man diese Maßnahmen auch etwas zurückfahren. Aber darüber informiert zu sein, ob ein Virus-Einbruch in einer Schule besteht oder nicht, das sollte schon weiterhin aufrechterhalten werden.

Mit Timo Ulrichs sprach Vivan Bahlmann

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen