Trübe Aussichten für Deutschland "Die Omikron-Welle wird kommen"
14.12.2021, 20:58 Uhr
Eine massive Booster-Impfkampagne könnte die Omikron-Welle eindämmen, glauben Experten.
(Foto: dpa)
In Deutschland sinken die Corona-Fallzahlen - doch damit könnte es bald vorbei sein. Mit der Ausbreitung der Omikron-Variante steht bereits die fünfte Welle in den Startlöchern. Im Januar oder Februar könnte sie ihren Höhepunkt erreichen, befürchtet Epidemiologe Timo Ulrichs.
Derzeit macht sich ein wenig Zuversicht in Deutschland breit. Die Neuinfektionen sinken nach und nach. Wurde dies zunächst mit überforderten Behörden erklärt, scheint der Rückgang mittlerweile real zu sein. Doch die Ausbreitung der Omikron-Variante dürfte diese Entwicklung bald umkehren, befürchten Experten. Zwar sind in Deutschland bisher nur knapp 100 Fälle bekannt, wie die EU-Gesundheitsbehörde ECDC mitteilte. Doch in Ländern wie Südafrika, Großbritannien und Dänemark zeigt sich bereits, wie aus wenigen Fälle schnell sehr viele werden können.
Auch Epidemiologe Timo Ulrichs ist sich mit Blick auf Deutschland sicher: "Die Omikron-Welle wird kommen." Ungeimpfte werde es wohl zuerst treffen, Bundesländer mit niedriger Impfquote dürften daher stärker betroffen sein. Im Januar oder Februar könnte die Welle in Deutschland ihren Höhepunkt erreichen, vermutet Ulrichs. Allerdings sei dies nicht in Stein gemeißelt. "Wir können noch beeinflussen, wann sie kommt und wie hoch die Welle wird", sagt der Epidemiologe ntv.de.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig: "Ich befürchte, dass Omikron in spätestens zwei bis drei Wochen wieder zu einem Anstieg bei den Infektionszahlen führt, vermutlich auch bei den Klinikeinweisungen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, rechnet sogar damit, "dass die Fallzahlen um Weihnachten zu steigen beginnen", wie er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte.
Boostern die wichtigste Waffe
Was also tun? Das weiterhin strikte Einhalten der noch geltenden Corona-Maßnahmen wie Kontaktreduzierung und Maskenpflicht könne Deutschland etwas Zeit verschaffen, um so viele Menschen wie möglich zu boostern, sagt Ulrichs. Die Booster-Impfung ist aus seiner Sicht eine äußerst wirksame Waffe im Kampf gegen Omikron. Die Zahl der Infizierten könne dadurch begrenzt werden, weil Geboosterte nicht mehr so stark zum Infektionsgeschehen beitrügen.
Und je weniger Menschen sich anstecken, desto geringer sei auch die erwartete Belastung für das Gesundheitssystem, so Ulrichs. Denn er gibt zu bedenken: Selbst wenn die Omikron-Variante seltener zu schweren Verläufen führen sollte, würde bei einer ungebremsten Welle die "schiere Masse an Infektionen" die Intensivstationen in Deutschland wieder füllen.
Auch Karagiannidis hatte gewarnt, dass den Kliniken in Deutschland durch die rasche Verbreitung der Omikron-Variante ein massives Problem drohe. "Wir haben aktuell rund 5000 Covid-Intensivpatienten bundesweit. Zu keinem Zeitpunkt in der Pandemie hatten wir so wenige freie Betten. Die Omikron-Welle wird auf Kliniken stoßen, die längst am Limit sind", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Wachstum noch schneller als gedacht?
In Großbritannien, Dänemark und Norwegen zeigt sich bereits jetzt, was Deutschland bald bevorstehen könnte: In London soll Omikron kurz davor stehen, die dominierende Variante zu sein, warnte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid. Mehr als 1800 Omikron-Fälle sind in Großbritannien bereits bestätigt, die Zahl der Neuinfektionen steigt unerlässlich. Dänemark verzeichnet sogar so viele neue Fälle wie noch nie seit Pandemie-Beginn. Das staatliche Institut SSI geht davon aus, dass Omikron in der Hauptstadtregion Kopenhagen im Laufe dieser Woche zur dominierenden Variante wird. Die Zahl der bestätigten Infektionen mit der Mutante ist auf fast 270 angestiegen, bei mehr als 3000 weiteren besteht der Verdacht.
Auch Norwegen verzeichnet seit Tagen Höchstwerte bei Neuinfektionen und Krankenhauseinweisungen. Ministerpräsident Jonas Gahr Störe warnte vor einer "ernsten" Situation, in der die Delta- und die Omikron-Variante die Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenze bringen könnten. In drei Wochen könnten Werte zwischen 90.000 und 300.000 Neuinfektionen und bis zu 200 Krankenhauseinweisungen pro Tag erreicht werden, teilte zudem die Gesundheitsbehörde mit.
Sicher scheint, dass Omikron sich rasend schnell ausbreiten kann - unklar hingegen ist, wie schnell genau. Die Übertragungsrate sei dreimal so hoch wie bei Delta, sagte Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel in einem auf der Webseite der Universität veröffentlichten Interview. Grund dafür sei, dass sich sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte infizieren. Daten aus Dänemark und Großbritannien legten nahe, dass sich die Zahl der Omikron-Ansteckungen alle drei bis vier Tage verdoppele, so Neher.
Doch womöglich geht es noch schneller: Die medizinische Chef-Beraterin der britischen Gesundheitsbehörde, Susan Hopkins, sagte vor einem Parlamentsausschuss, dass man bisher davon ausgegangen sei, dass sich die Fallzahlen innerhalb von zwei bis drei Tagen verdoppeln. Aber im Moment scheine es, so Hopkins, "als sei diese Wachstumsrate eher noch kürzer als länger".
Quelle: ntv.de