Aberglaube und Vorurteile Die unmenschliche Jagd auf Albinos
19.10.2016, 15:28 Uhr
Edna Cedrick bangt um ihren Sohn. Sein Zwillingsbruder wurde bereits entführt und ermordet.
(Foto: AP)
Skrupellose Menschenjäger und "Wunderheiler" jagen ihnen nach. Ihre Haare, Haut und Körperteile sind begehrte Bestandteile von Zaubertränken, die Glück und Macht bringen sollen. Deshalb werden in Afrika immer mehr Albinos ermordet.
Entführt, verstümmelt, getötet: In Ostafrika müssen Menschen mit Albinismus um ihr Leben fürchten. Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass die Gewalt gegen Menschen mit der vererbbaren Pigmentstörung immer weiter zunimmt.
Seit dem ersten dokumentierten Mord an einem Albino erfährt der alte Glaube an die übersinnlichen Kräfte dieser Menschen eine schreckliche Mutation. Waren es früher noch Haare, Fingernägel und Urin, mit denen die "Geisterheiler" ihre Zaubertränke anreicherten, sind es heute auch Arme, Beine, Organe, Knochen und Genitalien von Albinos.
Eine genetische Störung sorgt dafür, dass die Körper dieser Menschen den Pigmentstoff Melanin bestenfalls in geringen Mengen produzieren können. Albinos haben hellere Haar-, Augen- und Hautfarbe und reagieren besonders empfindlich auf Sonneneinstrahlung. Das Hautkrebsrisiko ist außerordentlich hoch. In Tansania erreichen deswegen weniger als zehn Prozent der Menschen mit Albinismus das 30. Lebensjahr.
Die Hilfsorganisation Under The Same Sun (UTSS) verzeichnete in den letzten 16 Jahren 450 Angriffe auf Albinos in 25 afrikanischen Ländern. Mehr als 170 Menschen wurden demnach ermordet, vielen anderen wurden Gliedmaßen abgetrennt. Auch zahlreiche Vergewaltigungen wurden registriert.
Antrieb für die Entführungen, Verstümmelungen und Morde ist der weit verbreiteter Aberglaube. Die einen glauben, Albinos bringen Glück und Reichtum, andere wiederum sind überzeugt, dass sie ein Fluch über die Familie und das ganze Dorf bringen und Albinismus ansteckend sei.
Fischer auf dem Viktoriasee flechten Albino-Haare in ihre Fischernetze, um einen größeren Fang einzufahren. Gold- und Diamantenschürfer vergraben ihre Knochen, um reiche Bodenschatzvorkommen zu erschließen. Sie glauben, dass sich die Gebeine in Diamanten verwandeln. Manche Anhänger des Aberglaubens halten die "weißen Schwarzen" sogar für unsterbliche Geister.
Behörden greifen kaum ein
Inzwischen warnen die Vereinten Nationen vor der "kompletten Auslöschung" der Albinos in Malawi. Dort leben nach Angaben von Amnesty International etwa 7000 bis 10.000 Menschen mit Albinismus. "Die malawischen Behörden lassen diese Menschen im Stich. Daher sind sie den kriminellen Banden, die sie wegen ihrer Körperteile töten wollen, schutzlos ausgeliefert", warnte die Menschenrechtsorgansation.
Seit November 2014 sei in Malawi ein starker Anstieg der Tötungen und Entführungen von Albinos zu verzeichnen. Mindestens 18 Menschen wurden seitdem getötet. Fünf Menschen wurden entführt und gelten bis heute als vermisst.
Die Knochen von Menschen mit Albinismus werden offenbar an traditionelle "Heiler" in Malawi und Mosambik verkauft, um sie in Amuletten und Tinkturen zu verwenden. Mehrere Hundert Dollar bringt ein einzelnes Körperteil. "Der makabere Handel wird noch angetrieben von dem Glauben, dass die Knochen von Menschen mit Albinismus Gold enthalten", schreibt Amnesty in seinem Bericht.
Dunkelziffer noch viel höher
Amnesty geht davon aus, dass die tatsächliche Anzahl der wegen ihres Albinismus getöteten Personen noch weitaus höher ist, da viele solcher Rituale in ländlichen Gegenden im Verborgenen stattfinden und nicht angezeigt werden. Auch gibt es in Malawi keine systematische Erhebung von Verbrechen gegen Menschen mit Albinismus.
Der Polizei mangele es laut Amnesty an Ressourcen, um rechtzeitig auf angezeigte Straftaten zu reagieren. Zudem bestehe die Sorge, dass einige Polizisten dieselben Vorurteile gegen Albinos hegen wie die Gesellschaft. Deshalb würden Sicherheitskräfte Menschenrechtsverstöße gegen diese Personengruppe nicht ernst nehmen.
Quelle: ntv.de, dsi