Kriminologe über Marcel H. "Ein Loser, der großartig sein wollte"
10.03.2017, 14:39 Uhr
Am Mittwoch findet die Trauerfeier für den getöteten Jungen statt.
(Foto: dpa)
Noch ist unklar, warum Marcel H. mutmaßlich zwei Menschen tötete. Doch vorauszusehen waren diese grausamen Taten kaum, sagt der Kriminalpsychologe Rudolf Egg.
n-tv: Die Eltern des toten Jaden wollen verstehen, warum ihr Kind sterben musste. Was kann dazu führen, dass ein 19-Jähriger so eine Tat verübt?
Rudolf Egg: Das Problem dabei ist, dass man den Versuch unternimmt, etwas rational zu erklären, das nicht normal, sondern wirklich abweichend, abnorm und gestört ist. Ich denke, das geht so nicht. Sich in die Psyche, in den Kopf eines solchen Mannes hineinzuversetzen, ist nicht möglich. Man kann nur versuchen, Entstehungszusammenhänge zu formulieren.
Welche könnten das sein?
Zum Beispiel die Tatsache, dass er ganz offensichtlich im Leben nicht so richtig angekommen ist, beruflich, vielleicht auch nicht im Freundeskreis, vielleicht auch nicht bei Mädchen oder Frauen, mit denen er sich beschäftigen wollte. Dass er also ein Loser, ein Außenseiter war, aber für sich selbst die Idee hatte, er ist etwas ganz Großartiges und Einmaliges und müsste auch etwas Einmaliges machen. Das ist ihm aber nicht mit positiven Taten gelungen. Und wenn ich das nicht schaffe, kann ich möglicherweise auf die Idee kommen, dann schaffe ich es vielleicht mit negativen Taten. Dann bin ich im Bösen dann der ganz große. Und irgendwie ist ihm das, zumindest für zwei, drei Tage auch gelungen.
Hätte man im Vorfeld merken können, wohin sich der mutmaßliche Täter entwickelt?
Wir haben ja gehört, dass die Nachbarn gesagt haben, der ist uns immer schon aufgefallen. Der war ein Sonderling, der hat komische Dinge gemacht. Im Garten hat er sich als Kämpfer dargestellt. Aber, dass dann jemand so etwas Grausames macht, so etwas Extremes, das vorherzusehen, ist nicht möglich. Zumal bei jemandem, der vorher noch gar nicht straffällig geworden ist. Wenn es da schon kleine, anlassähnliche Versuche gegeben hätte, dann hätte man das vielleicht ahnen können, aber so war nur klar: Das ist ein ungewöhnlicher Mensch, aber dass er dann so etwas tut, dafür müsste man Hellseher sein. Das konnte man nicht wissen.
Wie bewerten Sie, dass Marcel H. Fotos der Tat im Internet veröffentlichte?
Straftäter machen das, was normale Menschen heute eben auch machen. Wenn wir heutzutage in den Urlaub fahren, dann machen wir nicht, wie früher, Wochen später einen großen Bierabend, sondern schon während des Urlaubs schicken wir per Whatsapp Bilder an unsere Freunde und unsere Angehörigen. So ähnlich machen das auch Kriminelle, die Bilder ihrer Taten, mit denen sie sich rühmen wollen, an Freunde schicken, die das hochladen. Das ist einfach die Nutzung eines Mediums, das sich gerade anbietet. Das passt in die Zeit.
Das Gespräch führte Jessika Westen
Quelle: ntv.de, sba