Leiter des Impfzentrums Köln "Es wird kein Impfstoff liegen bleiben, dafür sorgen wir"
31.03.2021, 18:02 Uhr
"Nach wie vor ist Astrazeneca ein super Impfstoff."
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Die Länder legen neue Regeln für die Verwendung des Astrazeneca-Impfstoffs fest. Der Chef des Kölner Impfzentrums erklärt bei ntv, was die Entscheidung bedeutet und wie es nun weitergeht. Außerdem erzählt er, was er von dem Vakzin hält und wie die Sicht der Engländer ist.
ntv: Herr Zastrow, Sie sind Leiter des Kölner Impfzentrums. Wie haben Sie denn die Entscheidung der Regierung zum Umgang mit Astrazeneca aufgenommen?
Jürgen Zastrow: Ja, wie soll ich die aufnehmen? Wir haben das umzusetzen. Es macht einen nachdenklich, wenn ich lese: 31 Fälle auf 2,7 Millionen Impfungen. Deswegen müssen wir jetzt das ganze Impfregime umstellen. Für die ganz, ganz, ganz, ganz wenigen Leute, die das betreffen könnte, ist das natürlich segensreich. Aber für die ganz, ganz, ganz, ganz vielen, die es nicht betrifft, ist es ein Problem.
Wenn Sie die Entscheidung hätten treffen können, was hätten Sie gemacht?
Mit der Aufklärung und der Entscheidung durch die zu impfenden Personen wäre Weiterimpfen eine Alternative gewesen. Aber wir sind sehr regelverliebt in Deutschland. Ich bin da ein bisschen bei Herrn Söder, wer sich traut, soll‘s machen. Wobei, viel Traute gehört da nicht zu, denn bei jeder normalen Impfung kommt auf 70.000 Impfungen ein Todesfall.
Können Sie die Beratung im Impfzentrum überhaupt leisten?
Natürlich haben wir im Impfzentrum auch beratende Ärzte. Aber die sind in erster Linie dazu da, Impfrisiken zu besprechen, die konkret auftauchen. Aber die grundsätzliche Entscheidung soll nicht im Impfzentrum, sondern vorher getroffen werden. Dazu liegen genügend Informationen vor.
Wen würden Sie ablehnen und nicht mit AstraZeneca impfen?
Wer schon mal eine allergische Reaktion auf eine Impfung hatte, den würde ich nicht impfen. Ansonsten müssen das die Hausärzte abwägen, welche Patienten impffähig sind und welche nicht. Das gilt für Astrazeneca und Biontech.
Die Verunsicherung bei den Menschen, die schon die erste Impfung mit AstraZeneca bekommen haben, ist groß. Was raten Sie denen jetzt?
Man kann zur Not den Impfstoff switchen. Doch auch ohne Zweitimpfung hat man mit Astrazeneca schon mehr als 80 Prozent Impfschutz. Das ist besser als alle anderen Grippemittel, die wir hatten. Es gibt also drei Möglichkeiten: man bleibt beim gleichen Mittel, man verzichtet auf die Zweitimpfung oder man switcht auf ein anderes Mittel. Da müssen wir aber tatsächlich auf den Rat der Epidemiologen warten.
Denken Sie, dass der Astrazeneca-Impfstoff liegenbleiben wird?
Es wird kein Impfstoff liegen bleiben, dafür sorgen wir. Wir müssen dann sehen, dass dieser Impfstoff in andere Gruppen kommt. Wir haben auf jeden Impfablehner 100 Menschen, die auf ihre Impfung warten. Leider, oder in diesem Fall Gott sei Dank, haben wir Impfstoffmangel, sodass eine wirkliche Wahl ja nicht besteht. Jetzt ist Astrazeneca das dritte Mal in der Diskussion. Die beiden ersten Male hatte dies einen Effekt von drei bis fünf Tagen. Es zeigt ja eigentlich nur, dass wir sehr, sehr aufmerksam sind und selbst seltenste Komplikationen beachten und berücksichtigen. Nach wie vor ist Astrazeneca ein super Impfstoff.
Was sagen Sie jemandem, der zu Ihnen kommt und sagt: "Ich will geimpft werden, aber ich habe Angst vor Astrazeneca."
Wir machen ein Impfangebot, und das ist immer verbunden mit einem Impfstoff, den wir zur Verfügung haben, nach medizinischen und auch Erlassvorgaben. Dann kann jeder dieses Angebot annehmen oder ablehnen. Wenn er es ablehnt, rückt er aber in der Impfreihenfolge ganz nach hinten und muss so lange warten, bis so viel Impfstoff da ist, dass wir auch Wünsche befriedigen können.
Sie haben sogar gesagt, Sie halten Astrazeneca für den besseren Impfstoff. Warum?
Zunächst, meine Familie ist damit geimpft. Laut den Studien liegt der Schutz vor Krankenhausbehandlungen bei 95 Prozent. Zu Biontech gibt es keine vergleichbare Studie. Zudem ergibt sich aus den Studien der Eindruck, dass der Schutz länger anhalten könnte als bei Biontech. Das ist aber noch nicht belastbar. Im Übrigen sagt der Engländer "Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen". Die sagen: "Toll, dass das so eine Nebenwirkung hat. Da weiß ich, da tut sich was." Ich bin ein großer Anhänger von Astrazeneca.
Die ständige Impfkommission will erst Ende April darüber entscheiden, was mit der Zweitimpfung werden soll. Dauert das nicht zu lange, und was machen Sie in der Zwischenzeit?
Nein. Wir impfen erst seit sechs Wochen mit Astrazeneca, und der Abstand zur zweiten Impfung soll zwölf Wochen betragen. Wir haben also noch sechs Wochen Zeit, uns da zu berappeln und zu entscheiden. Ich denke, dass die Entscheidung innerhalb der nächsten 10 bis 14 Tage fällt.
Was bedeutet der Stopp konkret für die Arbeit im Impfzentrum vor Ort, was müssen Sie da jetzt ändern, machen, tun?
Wir haben deutlich mehr Arbeit. Wir sagen Termine nicht ab, aber müssen sie ändern. Wer einen Termin hat, der wird auch geimpft. Nur müssen wir die Einwilligungen ändern und umstellen und wir müssen natürlich anders und neu einladen.
Wie bewerten Sie denn diesen Wechselkurs der Regierung bezüglich des AstraZeneca-Impfstoffes?
Ich will die Politik ein bisschen aus dem Wind nehmen. Zunächst ging es um eine fehlende Zulassung auf EU-Ebene. Das war eine rein juristische Betrachtung. Als dann dieses Verbot kam, hatten wir 8 Fälle auf 2,7 Millionen Impfungen. Inzwischen sind es übrigens 31. Damals hieß es, das seien nur wenige, und so selten, dass der Impffortschritt nicht aufgehalten werden darf. Jetzt heißt es, so selten sei es gar nicht. Ich finde aber 31 Fälle bei 2,7 Millionen Impfungen immer noch sehr, sehr, sehr selten. Es sind immer wieder juristische Betrachtungen. Man sagt: Wir wollen es auf keinen Fall verantworten müssen, dass es vielleicht zu einem Zwischenfall kommt.
Mit Jürgen Zastrow sprach Jasmin Gebele.
Quelle: ntv.de