Grüner wird's nicht!Plädoyer für einen unterschätzten Tausendsassa
Heidi Driesner
Ob Gemüse-Neulinge oder alte Hasen – eine Wiener Spitzenköchin und drei Südtiroler Küchenmeister haben's drauf, alle Hobby-Köche zu begeistern. Ihre Rezepte bleiben trotz Raffinesse überschaubar und sind leicht nachzukochen. Ideal für alle, die mit frischem Gemüse kreativ werden und neue Aromen kennenlernen wollen.
Spitzenköche von internationalem Ruf beschäftigen sich aus gutem Grund immer öfter mit einem zu oft unterschätzten Multitalent: Sie feiern Gemüse in all seiner Vielfalt. Und das Beste daran: Sie lassen uns mitfeiern! Für diese Fete habe ich heute für Sie zwei umfangreiche Bücher mit tollen vegetarischen (und veganen) Rezepten und vielen klugen Tipps.
Schließlich lässt sich kein anderes Lebensmittel unterschiedlicher und bunter zubereiten und lässt uns alle Jahreszeiten unmittelbar auskosten. Die Rezepte in beiden Büchern reichen von frischem Frühlingsgemüse über leichte Sommerkost und herbstliche Kreationen bis zu wärmenden Wintersuppen – grüner wird's nicht!
"Passion Gemüse"
Mit "Passion Gemüse" hat der Bozener Athesia Verlag wieder ein Buch des kreativen "So kocht Südtirol"-Teams herausgebracht. Dort haben sich drei Küchenmeister mit einem Ziel vereint: Sie wollen der traditionsreichen Südtiroler und italienischen Küche ein zeitgemäßes und innovatives Gesicht geben - mit leicht verständlichen und gelingsicheren Rezepten. Heinrich Gasteiger, Gerhard Wieser und Helmut Bachmann haben unter dem Label "So kocht Südtirol" bisher über 90 Kochbücher veröffentlicht und sind zu Bestsellerautoren im Alpenraum - und darüber hinaus - geworden.
Weil Gemüsegerichte wegen der unterschiedlichen Texturen und Aromen immer anders und nie langweilig schmecken, haben sich Gasteiger, Wieser und Bachmann entschieden, "diesem so oft unterschätzten Tausendsassa der Küche ein eigenes Buch zu widmen. Es ist ein Buch, das eine Vielzahl vegetarischer und veganer Gerichte enthält und damit ein Fundament schafft für eine Küche, in der Fleisch und Fisch zwar nicht unbedingt fehlen müssen, aber zu Ausnahmen werden, wie es in der Generation unserer Eltern und Großeltern der Fall war. Damit ist das Buch auch eine Rückkehr zu den Wurzeln - im wahrsten Sinne des Wortes".
Zurück zu den Wurzeln
Die Südtiroler Küchenmeister beschäftigen sich im Buch detailliert mit der Gemüseküche. Anhand von über 70 vegetarischen Rezepten, von mediterranen Klassikern bis zu überraschend neuen Kombinationen, wird erläutert, wie man das Beste aus jeder Gemüsesorte herausholen kann. Auch Gemüse-Neulinge sind hier gut aufgehoben, weil die Autoren diverse Sorten vorstellen und klare, schrittweise Anleitungen geben, wie man sie gekonnt verarbeitet; zum Teil in Step-by-step-Fotos. Man kann viel Wissenswertes lesen über den Einkauf und das richtige Lagern, über unterschiedliche Verarbeitungsmöglichkeiten, über den gesundheitlichen Nutzen von "Grünzeug".
Natürlich gibt es von den vielen Gemüsesorten nicht immer alles und überall. Doch längst hat in den Küchen Einzug gehalten (leider nicht immer und überall), was einst selbstverständlich war: typisch saisonales Essen. Was es alles so an Gemüse im Frühling, Sommer und im Herbst gibt, dürfte jedem klar sein. Aber auch im Winter gibt es Gemüse, das gut mit der Kälte zurechtkommt. Das typische Wintergemüse besteht zumeist aus Knollen, Wurzeln und kompakten Früchten, zum Beispiel Kürbissen.
Gemüse-Fans legen immer öfter beim Kochen Wert auf Ursprünglichkeit, was dem Urgemüse ein Revival beschert; es ist reich an sekundären Pflanzenstoffen und daher besonders gesund. Das ist jenes Gemüse, "das den Stammbaum unserer heutigen Sorten ziert und mit dem sich wohl schon Ötzi den Bauch vollgeschlagen hat", schreiben die Südtiroler. Zu den bekanntesten Urgemüsesorten zählen Topinambur, Schwarzwurzel, Pastinaken, Karotten in allen Farben, Rote Beten, auch die in Weiß und Gelb, alte Kartoffelsorten, Ochsenherztomaten, Spitz- und Schwarzkohl. Ganz klar: Entsprechende Rezepte hält "Passion Gemüse" für Sie bereit. Nicht zu verachten sind auch die vielen Grundrezepte für Fermentiertes oder Eingelegtes, Brühen oder Fonds.
"Ein Fest für Gemüse"
Die österreichische Spitzenköchin Parvin Razavi zelebriert in ihrem Buch "Ein Fest für Gemüse" das Kochen mit diesem pflanzlichen Lebensmittel. Das im Wiener Brandstätter Verlag erschienene Kochbuch hat den Untertitel "Orientalisch vegetarisch", schließlich hat Parvin Razavi iranische Wurzeln. Aber nehmen Sie's nicht so wörtlich, denn in ihren vegetarischen und veganen Gerichten bringt die Köchin die Vorzüge von saisonalem Gemüse nicht nur mit orientalischen Aromen zur Geltung, sondern auch mit asiatischen oder auch mal kombiniert mit der traditionsreichen Wiener Küche. So ist zum Beispiel der Serviettenknödel beim Pilzgulasch typisch österreichisch, die Würzung des Gulaschs aber nicht, die ist mit Kreuzkümmel (Cumin) und Koriander eher orientalisch. Eine überaus sinnliche Liaison!
Sinnlich ist in "Ein Fest für Gemüse" nicht nur das Spiel mit den Aromen. Das Buch ist insgesamt ein Aufruf zu Nachhaltigkeit, Geschmack, weiblicher Intuition und Stärke. Beteiligt an dem Werk ist ein ganzes Team von Frauen ("Mannschaft" zu schreiben wäre hier mehr als fehl am Platz), von der Rezeptentwicklung über Text und Fotografie bis zur grafischen Gestaltung und dem Lektorat.
Freiheit beim Kochen
Wie die drei Südtiroler bemängelt auch die Wienerin, dass Gemüse viel zu lange nur eine Nebenrolle auf dem Teller gespielt hat. Dabei lädt es mit seinen unterschiedlichen Konsistenzen zum Spiel ein und bietet viel Raum für Kreativität. In Parvin Razavis Küche im "&flora" steht Gemüse stets im Mittelpunkt: "Es gibt unzählige Wege, Gemüse schmackhaft zuzubereiten. Einige meiner liebsten sind die rohe Verarbeitung, das Backen bei starker Hitze im Ofen und das Einlegen in einem aromatischen Sud", schreibt die Küchenchefin des Restaurants und Gault&Millau-Newcomerin 2023. Und so finden Sie im Buch jede Menge Rezepte für Gemüse roh, gebacken und eingelegt – und was es sonst noch so dazwischen an Zubereitungsmöglichkeiten gibt. So gut wie alle Rezepte kommen mit wenigen Zutaten aus, die gute Supermärkte und Bio-Läden in ihren Sortimenten haben.
Nichts ist kompliziert, wenige Arbeitsschritte genügen, deshalb werden auch "Greenhorns" mit Parvin Razavis Buch glücklich. Sie vermittelt Wissenswertes in der Warenkunde oder gibt Tipps zum vorausschauenden Kochen und entspannten Servieren. Wer sich schon immer geärgert hat über eine gewisse Sauerei beim Entkernen von Granatäpfeln, sollte sich die Step-by-step-Fotos im Buch ansehen. Geht nämlich auch ohne Unterwasserpanscherei! Natürlich ist "Ein Fest für Gemüse" nicht nur ein Kochbuch für Anfänger, denn die Würzungen gehen hier über die übliche Bandbreite von Gewürzen für Kohl & Co. hinaus: Alle Neugierigen können neue Aromen kennenlernen. Dazu dienen auch die Übersichten über Gewürze, Gewürzmischungen, Kräuter, Säurespender und Öle. Das Buch punktet mit vielen Grundrezepten für Würzmittel und Eingelegtes.
Die Zutatenmengen sind ebenfalls überschaubar, denn die Gerichte sind zum Teilen und Kombinieren gedacht, deshalb sind die Mengen für 2 bis 3 Personen berechnet (Singles wird das freuen). Je nach Anlass, Runde und Appetit können mehrere Gerichte gleichzeitig aufgetischt werden. Wer möchte, brät dazu ein Steak oder serviert zusätzlich Fisch - alles ist möglich: "Freiheit ist mir beim Kochen besonders wichtig. Ich lasse mich gerne von den Fotos in Kochbüchern inspirieren und überfliege Rezepte, um mich dann bei der Zubereitung auf mein Gespür und meinen Geschmack zu verlassen. Ich freue mich, wenn ihr meine Rezepte als Basis für eure eigenen kulinarischen Abenteuer nutzt. Nehmt euch die Freiheit, Zutaten zu tauschen, Komponenten neu zu kombinieren und meinen Gerichten euren eigenen Stempel aufzudrücken." Das würde ich mir glatt einrahmen und über den Herd hängen, weil es genau zu mir passt. Und vermutlich nicht nur zu mir.
Karottenauflauf mit Haselnussbutter (aus "Passion Gemüse")
Zeit: 40 Minuten; leicht
Zubereitung
Karottenauflauf
1. Butter schmelzen und das Mehl einrühren. Mit heißer Milch aufgießen und alles zu einer dicken Béchamelsauce kochen.
2. Eigelb und pürierte Karotten unter die Béchamelsauce rühren. Mit Parmesan und Salz würzen.
3. Kleine Auflaufförmchen mit Butter ausstreichen und mit Brotbröseln ausstreuen.
4. Das Eiweiß nicht zu steif schlagen (mit diesem Arbeitsschritt erst beginnen, wenn die anderen drei bereits ausgeführt sind).
5. Ein Drittel unter die Masse rühren und das restliche Eiweiß vorsichtig unterheben.
6. Die Masse in die Förmchen füllen und auf ein tiefes Blech stellen. So viel Wasser angießen, dass die Förmchen etwa 1 cm hoch im Wasser stehen. Die Förmchen mit Alufolie abdecken und im Backofen bei 140 Grad Ober- und Unterhitze etwa 25 Minuten garen.
Haselnussbutter
7. Die Haselnüsse grob hacken.
8. Die Butter erhitzen und die Haselnüsse darin leicht anrösten.
Fertigstellung
9. Den Auflauf auf Tellern anrichten, mit Parmesan bestreuen und mit Haselnussbutter übergießen.
10. Mit Kerbel garniert servieren.
Tipp: Anstelle von Karotten können Sie auch Spinat, Broccoli oder Kartoffeln verwenden.
Sellerie-Carpaccio mit Zwetschgen und Pekannüssen ("Passion Gemüse")
Zeit: 40 Minuten; leicht
Sellerie-Carpaccio
1. Knollensellerie putzen, waschen und schälen. Mit der Aufschnittmaschine in sehr dünne Scheiben schneiden und mit einem Ausstecher (Ø 5 cm) rund ausstechen.
2. Sellerie mit Olivenöl, Apfelessig, Kümmel, Salz und Pfeffer etwa 20 Minuten marinieren.
Zwetschgen
3. Zwetschgen mit Wasser, Rotweinessig und Honig etwa 2 Minuten kochen lassen, leicht salzen und bereitstellen.
Fertigstellung
4. Die Selleriescheiben auf Tellern anrichten und mit etwas Marinade beträufeln.
5. Die marinierten Zwetschgen darauf verteilen und mit Pekannüssen, Kümmelkraut und Kümmel garniert servieren.
Tipp: Statt Knollensellerie können Sie Süßkartoffeln Verwenden.
Eingelegte Shiitakepilze ("Ein Fest für Gemüse")
Zubereitung:
Ingwer schälen und würfeln. Tafelöl erhitzen, Ingwer und Szechuanpfeffer darin kurz anrösten. Pilze hinzufügen und 1–2 Minuten anbraten. Sojasauce mit 100 ml Wasser, Sushi-Essig, Mirin und Sesamöl verrühren und zu den Pilzen gießen. Aufkochen lassen. Maisstärke in 1 EL kaltem Wasser anrühren und unter die Sauce rühren. 10 Minuten köcheln lassen.
In ein steriles Glas geben und verschließen.
Tipp: Die eingelegten Shiitakes schmecken herrlich zu Eiern auf Spinat, Eierspeise und Omelett oder zu einem pochierten Ei auf getoastetem Sauerteigbrot. Sie können gekühlt mehrere Wochen gelagert werden.
Eingelegte Shiitakepilze auf Kürbiscreme ("Ein Fest für Gemüse")
Zubereitung:
Für die Kürbiscreme den Ofen auf 200 °C Heißluft vorheizen. Hokkaido halbieren und das Kerngehäuse auskratzen. Hokkaidohälften mit Thymian und geschälter Knoblauchzehe füllen, wieder zusammensetzen und in Alufolie einwickeln. Im vorgeheizten Ofen 45 Minuten backen. Gegarten Hokkaido in der Küchenmaschine mit Salz und Pfeffer sowie etwas Olivenöl extrem fein pürieren und abschmecken. Kürbiscreme auf einem Teller verstreichen, eingelegte Pilze daraufgeben und mit Sesam sowie frischem Koriander garnieren.
Tipp: Die Kürbiscreme hält im Kühlschrank mehrere Tage und lässt sich gut mit gerösteten Karotten oder Ras-el-Hanout-Karotten (S. 76) kombinieren.
Viel Spaß beim kreativen Spiel mit den Aromen in Ihrer Gemüse-Küche wünscht Ihnen Heidi Driesner.

